Good Practices der Strategie-Ableitung

Eine Strategie ist ein Mittel, um uns dabei zu unterstützen vom jetzt in Richtung einer von uns gewünschten Zukunft zu kommen. Sie bietet uns Orientierung für zukünftige Situationen, in denen wir eine Entscheidung treffen müssen. Damit hilft sie uns mit Klarheit durch eine noch ungewisse Zukunft zu navigieren.

Damit eine Strategie sinnvoll sein kann und auch tatsächlich Orientierung bieten kann, muss diese an die Mission und die Vision des Unternehmens angedockt sein. Sonst deutet die Mission des Unternehmens im schlimmsten Fall nach Westen und die Strategie nach Osten. Wie Organisationen ihren Zweck, ihre Mission und Vision ableiten können, habe ich in einem vor kurzem veröffentlichten Artikel beschrieben.

In dieser Artikel-Serie (Teil 1 + 2) möchte ich Möglichkeiten zeigen, wie aufbauend auf einer klaren Mission und einer Vision eine Strategie abgeleitet und definiert werden kann. Im Sinne der Überschrift handelt es sich um eine good practice. Das bedeutet, dass es nicht die eine richtige Art und Weise gibt (= best practice), sondern verschiedenen Möglichkeiten zum Ziel einer sinnvollen Strategie führen können. Eine solche Vorgehensweise der Strategieableitung, sowie unsere Sicht auf das Thema Strategie möchte ich in diesem Artikel zeigen.

Das Vorgehen funktioniert dabei sowohl für die gesamte Organisation als auch für einzelne Bereiche und Teams.

Zwei Aspekte der Zukunft

Was genau ist eine Strategie?

Ähnlich wie beim Thema Mission und Vision, werden sich verschiedene Definitionen finden lassen. Aus unserer Sicht wichtig ist, dass die Organisation und diejenigen in der Organisation, die eine Strategie ableiten sollen, ein gemeinsames Verständnis davon haben. Wir von creaffective haben für unseren eigenen Prozess der Strategieableitung Ende 2021 dazu eigens Dokument verfasst, dass wir zuvor beschlossen haben. Dann erst sind wir in den Prozess gestartet. Diesen hatten wir zuvor ebenfalls ausgearbeitet und verabschiedet.

Den Prozess der Ableitung einer Strategie und das Verständnis von Strategie selbst kann man getrennt betrachten. D.h. wir haben auch schon Kunden bei der Strategieableitung begleitet, die für sich eine andere Definition von Strategie angenommen hatten.

Die von uns verwendete Definition von Strategie habe ich oben in fett bereits geschrieben.

In Hinblick auf die Zukunft gehen wir dabei der Argumentation von Lars Vollmer folgend von zwei Teilen der Zukunft aus:

  • Es gibt eine kurzfristige (mehrere Monate dauernd) und relativ bekannte Hier können wir einigermaßen wissen, was wahrscheinlich passieren wird bzw. für bestimmte Aspekte einigermaßen stabile Rahmenbedingungen annehmen, an welchen wir uns orientieren können. Trotzdem kann es natürlich immer wieder nicht oder schwer antizipierbare Ereignisse geben (wie z.B. die Ukraine-Invasion oder einen Covid-Lockdown einer Mega-City wie Shanghai).
    In diesem Fall werden wir selbst unsere kurzfristigen Pläne ändern müssen.
    Für diese bekannte Zukunft können wir normalerweise konkrete Ziele (oder auch OKRs – Objectives and Key Results) definieren und Pläne entwickeln, wie wir diese Ziele in einem überschaubaren zeitlichen Horizont erreichen können.Diese Pläne könnten eine strategische Roadmap sein, welche die ersten Monate mit einer konkreten priorisierten To-Do-Liste beginnt und dann in ein Backlog übergeht, das in regelmäßigen Abständen zu priorisieren ist, um daraus eine detailliertere Planung abzuleiten für priorisierte Backlog-Items.
  • Zum anderen gibt es eine mittel- bis langfristige Zukunft (mehrere Jahre). Diese zeichnet sich dadurch aus, dass große Teile davon unbekannt, ungewiss und möglicherweise komplex Wir können die Details nicht wissen. Damit lässt sie sich auch nicht sinnvoll planen. Für diese Zukunft braucht es eine Strategie, im Gegensatz zu konkreten Plänen und Zielen.

Wir verstehen damit Strategie als etwas, das sich auf den ungewissen und unbekannten Teil der Zukunft bezieht, nicht auf den bekannten Teil. Hier sprechen wir von einem Plan.

Strategie als Entscheidungs-Heuristik

Eine Strategie bietet eine Orientierung für Entscheidungen für den Teil der Zukunft, der unbekannt ist. Dies bietet sie in Form von Heuristiken oder Orientierungsprinzipien, wie z.B. „Grundsätzlich nach Osten gehen“ oder „immer befestigte Straßen bevorzugen“ oder „langfristige und kontinuierliche Zusammenarbeit mit Kunden etablieren“. Eine Strategie ist damit wie eine ermöglichende Rahmenbedingung, die uns Orientierung bietet und im Falle einer Entscheidungsnotwendigkeit hilft, eine Entscheidung zu treffen.

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Damit ist eine Strategie vergleichbar mit einem Kompass in unbekanntem Terrain oder einer Leuchte auf einem nebeligen Waldweg.

Nach unserem Verständnis schließt eine Strategie aus den schier unendlichen Möglichkeiten aus, und zwar die Möglichkeiten, die man nicht gehen will („nach Westen gehen“ oder „der unbefestigten Straße folgen“). Das macht flexibel für den Umgang mit dem Unbekannten. Die Strategie muss daher handlungsleitend sein und es ermöglichen Entscheidungen zu treffen. Menschen können eine Strategie zurate ziehen, wann immer im Arbeitsalltag Überraschungen / Unbekanntes auftritt. Sie können das Ausgeschlossene vom Möglichen unterscheiden und aus allen denkbaren und ebenfalls realistischen Optionen ziemlich viele ausschließen. Eben all diejenigen, die nicht zur Strategie passen.

Die Strategie kann uns dann auch dazu dienen konkrete kurzfristige Ziele zu definieren und daraus dann Pläne und konkrete Schritte abzuleiten.

Eine konkrete Möglichkeit diese Heuristiken zu formulieren kann die Art und Weise sein, wie Holacracy es vorschlägt in Form von „X wichtiger als Y“-Formulierungen.

Zum Beispiel: „Langfristige und kontinuierliche Zusammenarbeit mit Kunden ist wichtiger als isolierte Einmalinterventionen“ oder „Langlebigkeit des Produkts wichtiger als kurzfristige niedrige Materialkosten“.

Eine andere Möglichkeit könnte auch nur ein Fokus auf das konkrete Prinzip sein, wenn es nicht sinnvoll ist den zweiten Teil des Vergleichs zu formulieren. Also zum Beispiel: „Fokus auf langfristige und kontinuierliche Zusammenarbeit mit Kunden“ oder „Fokus auf Langlebigkeit und Reparierbarkeit unseres Produkts“.

Das Gegenteil von strategischen Prinzipien muss sinnvoll sein!

Damit eine Strategie sinnvoll ist, muss auch das Gegenteil der formulierten Strategie eine ernstzunehmende Alternative sein. Also zum Beispiel nach Westen gehen anstatt nach Osten oder „Fokus auf standardisierte Angebote im Gegensatz zu individuell mit dem Kunden entwickelten Lösungen.“ Oder eben „Fokus auf häufige Produktneuerungen wichtiger als Langlebigkeit des Produkts“.

„Wir wollen tollen Kundenservice bieten“ ist damit keine Strategie, weil das Gegenteil keine sinnvolle Alternative sein könnte. Auch wenn ich oft das Gefühl habe, dass einige B2C Unternehmen genau diesen Ansatz fahren.

In Teil 2 dieser Serie schildere ich einen konkreten Prozess der Ableitung einer Strategie, aufbauend auf der hier vorgestellten Definition.