Unternehmen jeder Größe fragen sich zu verschiedenen Zeitpunkten: Wann ist es sinnvoll, sich externe Unterstützung, vor allem in der Form von Beratung, ins Haus zu holen? Wir als Beratungsfirma wollen andere Unternehmen und deren Pain Points verstehen, um möglichst effektiv auf diese eingehen zu können. Daher beschäftigen wir uns ebenfalls mit dieser Frage, so wie vermutlich jedes andere Beratungsunternehmen auch. Es gibt ein paar durchaus widersprüchliche Gedanken, die uns dazu immer wieder im Kopf herumgegeistert sind. Auf dem Weg zu besseren Beratungs-, Workshop- und Trainingsangeboten haben wir diese Gedanken sortiert und möchten die Ergebnisse hier Teilen.

Wirtschaftlichkeit und Sinnhaftigkeit

Da fast alle Unternehmen in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen auf externe Unterstützung zurückgreifen, muss es augenscheinlich Vorteile bieten. Gleichzeitig gibt es diverse Vorurteile gegenüber Beratung und Schwächen im System. Bevor wir ein wirkliches Urteil geben können, sollten wir beide Seiten betrachten – beginnend mit den Vorteilen. Ein wichtiges Argument für externe Unterstützung ist natürlich die Wirtschaftlichkeit.

Wenn ich eine gewisse Expertise nicht dauerhaft, sondern nur in größeren Zeitabständen brauche, ist eine externe Firma, trotz eventuell hoher Tagessätze, in der Gesamtrechnung günstiger. Eine externe Zusammenarbeit kann ich auch sehr viel schneller und einfacher starten und beenden als eine Festanstellung. Ich habe sehr viel weniger Kosten durch Onboarding und bin nicht durch lange Kündigungsfristen gebunden. Beide Faktoren sind hinlänglich bekannt und natürlich nicht auf Beratung beschränkt. Sie gelten für jede Art von externer Unterstützung. Besonders bei unserer sehr stark spezialisierten, methodischen Expertise greifen natürlich diese Überlegungen der Wirtschaftlichkeit sehr deutlich. Es macht aber Sinn, das Thema noch etwas weiter in Richtung Sinnhaftigkeit zu denken.

Für die meisten Mitarbeiter ist es einfach nicht möglich (und aus Gründen der Wirtschaftlichkeit vielleicht auch gar nicht erwünscht), sich in ähnlicher Tiefe mit den Arbeitsmethoden auseinanderzusetzen, wie wir es tun. Wir als Beratungsunternehmen haben den „Luxus“, uns ständig als Team nach Innen und als Berater nach Außen in den Methoden zu erproben und weiterzubilden. Wir legen also, auf das Jahr gesehen, sehr viel mehr Praxiskilometer in unserem Spezialbereich zurück als die meisten Mitarbeiter, die sich ebenfalls mit unseren Themen befassen. Dadurch ergibt sich in kürzerer Zeit eine sehr viel höhere Kompetenzdichte – schlicht und einfach aus unserer Arbeitsweise heraus.

Eine sehr hilfreiche Analogie kann die Medizin sein. Erfahrene Berater bieten eine Leistung ähnlich zur medizinischen Versorgung auf dem Niveau von voll ausgebildeten Ärzten an. Je nach Thematik, Ausbildung und Kundenanforderung tritt ein Berater vielleicht als Allgemeinarzt auf, der einen breiten Überblick über typische Herausforderungen und mögliche Lösungen geben kann. Für einen internen Mitarbeiter wäre diese Ausrichtung zu generalistisch, weil das Unternehmen möglicherweise nur einem Teil der Herausforderungen häufiger gegenübersteht. Ein stärker spezialisierter Berater tritt vielleicht eher auf wie ein Chirurg mit dem Schwerpunkt auf beispielsweise Kopfverletzungen. Er kennt sich besser aus als jeder andere, ist aber nur für sehr spezifische Zwecke einzusetzen und viel zu teuer in der Festanstellung.

Systemische Aspekte

Neben diesen wirtschaftlichen Überlegungen kann Beratung auch aus systemischer Sicht hilfreich sein. Ein oft anzutreffendes Phänomen läuft unter dem Sprichwort: „Dem eigenen Propheten glaubt man nicht.“ Es kann vorkommen, dass die eigenen Kollegen schon seit langem predigen, sich mit einer bestimmten Vorgehensweise vertraut zu machen. Trotzdem passiert es nicht, oder nur schleppend. Kaum kommt eine Empfehlung von einem externen Experten, kann es gar nicht schnell genug gehen, die neue Methode einzuführen. Dieses Phänomen kann man schon als Bias (Verzerrung) bezeichnen, und man kann (und sollte) es meiden, wenn möglich. Aber es scheint ein grundlegend menschliches Thema zu sein, das in sozialen Systemen (von einzelnen Teams bis hin zu ganzen Organisationen) immer wieder auftritt. Durch den Einsatz einer Beratung kann man diese Eigenheit der menschlichen Psychologie für sich nutzen.

Gleichzeitig sind Externe nicht betriebsblind. Wer lange genug im Unternehmen arbeitet, passt sich an die dortige Kultur an, übernimmt die gängige Mentalität und folgt üblichen Mustern. Für eine effiziente Zusammenarbeit kann das sehr hilfreich sein; für Innovation ist es hinderlich. Hier kann ein externer Blick Wunder wirken.

Neben der thematischen Neutralität kommt noch ein Aspekt dazu, der sich auf das Verhalten der Kollegen gegenüber Externen bezieht. Eine Herausforderung von internen Coaches, Moderatoren und Trainern ist das Phänomen, dass Externe in methodischen Führungsrollen (wie beispielsweise ein Workshopmoderator) oft einen leichteren Stand haben. Im intern moderierten Meeting benehmen sich die eigenen Kollegen wie im Kindergarten; beim extern moderierten Workshop stehen sie dann auf einmal stramm wie bei der Generalinspektion. Natürlich kann das verschiedene Ursachen haben. In der Anwesenheit von Externen verhalten wir uns aber tendenziell disziplinierter. Auch das scheint ein grundlegend menschliches Thema zu sein.

Die Kehrseite der Medaille

Diesen durchaus ansprechenden Vorteilen einer externen Begleitung stehen natürlich auch ein paar Widrigkeiten gegenüber.

Zuerst einmal kann Beratung teuer werden. Die Kehrseite der temporären Zusammenarbeit ist ein hoher Invest auf kurze Sicht. Hier wird im Idealfall abgewägt, ob ein Thema wichtig genug für die externe Unterstützung ist. Dazu gibt es später noch ein paar weitere Überlegungen.

Zum anderen wird Beratern oft vorgeworfen, theoretische Inhalte zu predigen, die sie aber selbst nie in der Praxis anwenden würden. Wie stark dieses Argument wiegt, hängt wohl auch von der Kultur im jeweiligen Unternehmen ab. Gerade im produzierenden Gewerbe finden wir oft Unternehmenskulturen mit ihrem Augenmerk auf hemdsärmeligem „Anpacken“. Theorie wird hier von vornherein weniger wertgeschätzt. Unabhängig davon sollten Beratungsinhalte zumindest zu einem guten Teil aus der Praxis stammen. Es gibt mittlerweile so viele erprobte Modelle und Methoden, dass ein rein theoretisches Konstrukt einfach nicht genug Mehrwert bietet.

Das Thema der Abhängigkeit von externer Unterstützung landet bei unseren Gesprächen mit Kunden ebenfalls oft auf dem Tisch. Wenn eine Veränderung ansteht, muss diese so verankert werden, dass keine ständige Betreuung durch Externe notwendig ist. Eine Beratung, die implizit das Ziel hat, dass sich das nächste Beratungsprojekt quasi automatisch ergibt, verfehlt das eigentliche Ziel. Soll Expertise im Unternehmen aufgebaut werden, muss diese auch unabhängig von Außenstehenden funktionieren. Hier greift wieder der Gedanke der Wirtschaftlichkeit: Wann lohnt es sich, regelmäßig auf Beratung zurückzugreifen? Wann sollten wir uns unabhängig machen? Damit sind wir bei einem der zentralen Gedanken gelandet, der Sinn und Unsinn einer externen Unterstützung unterscheidet.

Sinnhafte Beratung

Geht es immer darum, sich möglichst schnell von Beratung unabhängig zu machen? Vermutlich ist es nicht ganz so einfach. Greifen wir die Analogie der Ärzte noch einmal auf. Ein Unternehmen könnte die Versorgung mit Beratung ähnlich betrachten wie die medizinische Selbstversorgung. Bei welchen Themen reicht es, wenn unsere Mitarbeiter medizinische Selbsthilfe leisten können? Müssen wir für eine Schramme am Ellbogen gleich den Notfallchirurgen holen? Eher nicht. Wann bilden wir Mitarbeiter als Notfallhelfer aus? Und wann als vollwertige Sanitäter und Pfleger? Vielleicht gibt es dann auch noch die Situation, in der wir tatsächlich voll ausgebildete Ärzte wollen? Letztere wären schließlich diejenigen, die dieselbe Expertise haben wie externe Berater. Natürlich können sie immer noch betriebsblind werden und bei manchen, gerade politisch heiklen Themen die Autorität von „Externen“ vermissen. Aber bei großen Veränderungen kann die relevante Expertise im eigenen Haus sehr wertvoll sein – so wie im Notfall der Zugriff auf den richtigen Arzt Leben retten kann.

Wir bei creaffective haben für uns einige Schlüsse aus diesen Überlegungen gezogen. Unserer Meinung nach sollten Berater, um nochmal die Analogie zur Medizin zu bemühen (und vermutlich überzustrapazieren), ihre eigene Medizin schlucken. Als knallharte Voraussetzung ist diese Anforderung vielleicht etwas zu hart, da auch aus der Kreativität einer Beratung spannende Vorschläge entstehen können, ohne vorher angewandt worden zu sein. Modelle und Methoden selbst ausprobieren und, wann immer möglich, damit arbeiten liefert aber wertvolle Erkenntnisse – und macht aus einem theoretischen Modell eine praktische Methode.

Gleichzeitig empfehlen wir Kunden fast immer, auf Dauer eigene Expertise aufzubauen. Eine komplette Abhängigkeit von externer Unterstützung ist nur bei absoluten Nischenthemen zu empfehlen. Innovation und Agilität gehören, unserer Erfahrung nach zumindest, nicht zu solchen Nischenthemen. Es stellt sich dann die Frage: Wie tief sollte diese Expertise denn gehen? Die Wirtschaftlichkeit muss immer im Blick bleiben. Gerade die Unterscheidung in wirtschaftliche und systemische Gründe für eine externe Beratung ist sehr hilfreich. Bei welchen Themen können und wollen wir interne Kapazitäten aufbauen? Bei welchen lohnt es sich wirtschaftlich nicht? Und bei welchen scheitern interne Experten an systemischen Hürden?

Im Idealfall folgt der Aufbau eigener Expertise einer Kaskade. Flächendeckend sollte es vor allem um grundlegende Fertigkeiten und das entsprechende Mindset gehen. Nicht alle Mitarbeiter müssen vollumfängliche Experten werden. Darüber hinaus entwickeln wir gezielt einzelne Personen als Spezialisten für kritische Themen wie Innovation, agiles Arbeiten und Organisationsdesign. Um beim Aufbau solcher Expertise zu unterstützen, haben wir uns intensiv Gedanken gemacht. Wir haben aus unseren bisherigen, sehr erfolgreichen Ausbildungen zum Innovationsmoderator und zum Innovationsmanager gelernt und die Erfahrungen mit den Inhalten unseres neuen Buchs Future Fit Company kombiniert. Wir haben ein modulares System für unsere Future Fit Coach Ausbildung geschaffen, um die verschiedenen Herausforderungen in modernen Unternehmen optimal zu adressieren.

Egal, um welche Themen und um welche Form von Expertise es genau geht. Die oben dargestellte Logik sollte immer dabei helfen, eine Entscheidung für oder gegen externe Unterstützung treffen, die sinnvoll, wirtschaftlich und nachhaltig ist.