Zumindest in den Medien und in Sonntags- und Motivationsreden ist Kreativität ein Top-Thema, das für den zukünftigen Erfolg von Unternehmen in der globalisierten Welt eine wichtige Rolle spielt. Zurecht! Für Unternehmen, egal welcher Branche ist es wichtig, Kreativität zu fördern und deren Ergebnisse zu nutzen. Doch wie? Welches sind die Rahmenbedingungen, unter denen Kreativität am besten gedeiht? In diesem Zusammenhang wird oft auf eine bis heute wichtige Feldstudie von Teresa Amabile verwiesen, die 2002 in Harvard Business Review erschienen ist.

Amabile untersuchte in einer qualitativen Langzeitstudie das Verhalten von 177 Wissensarbeitern aus 22 Projektteams in sieben amerikanischen Unternehmen. Der Studie beschäftigte sich mit der Frage, wie Kreativität, Stress und Zeitdruck zusammenhängen.

Hoher Zeitdruck meistens tödlich für Kreativität
Sowohl in Situationen unter großen Zeitdruck als auch in Situationen mit wenig oder gar keinem Druck können in Puncto Kreativität sowohl negative als auch positive Ergebnisse entstehen.

In Situationen mit sehr hohem Druck ist es meist so, dass kaum kreative Leistungen vollbracht werden. Im Gegenteil, die von Amabile untersuchten Personen fühlten sich wie der Hamster im Laufrad. Gekennzeichnet waren diese Hamsterrad-Zustände durch fehlenden Fokus und ein gehetzt sein mit vielen Aufgaben- und Situationswechseln. Besonders fatal: Die Unfähigkeit zu kreativen Leistungen der so Gestressten hielt über mehrere Tag an, auch wenn der Stresszustand bereits vorbei war.

Ein Gegenbeispiel bei dem unter extremem Zeitdruck Kreativität gezeigt wurde, ist die von Amabile zitierte NASA-Mission, in der von Ingenieuren innerhalb weniger Stunden ein Luftfilter konstruiert werden musste, um die Besatzungsmitglieder vor dem Tod zu bewahren. Dass es trotz des Drucks geklappt hat, ist sicherlich eine Ausnahme! Jedoch konnten einige Faktoren isoliert werden, die sich auch in anderen Situationen Gültigkeit haben. Die beteiligten Ingenieure hatten das Gefühl, auf einer Mission zu sein. Es gab ein Ziel das erreicht werden musste und die Dringlichkeit wurde als wichtig und sinnvoll empfunden, nicht als willkürlich. Alle Beteiligten konnten sich ausschließlich auf das zu lösende Problem konzentrieren, alle anderen Unterbrechungen wurden unterbunden. Es zeigte sich auch, dass besonders Kleingruppen von zwei oder drei Personen die besten Ergebnisse bringen.

Wenig Druck alleine reicht nicht!
Wenig Druck ist kein Garant für kreative Leistungen. Typisches Beispiel sind endlose Besprechungen. Hier herrscht zwar kein Druck, aber die Beteiligten spulen den Tag wie „Autopilot“ einfach ab. Das Engagement ist gering, die Anzahl der Interaktionspartner hoch und das Gefühl nichts bewegen zu können, stark ausgeprägt.
Ganz anders sieht es aus, wenn Menschen zeitliche Freiräume bekommen, um spielerisch zu erkunden und zu entdecken. Immer wieder genannt werden hier Unternehmen wie 3M oder Google, die ihren Mitarbeitern einen gewissen Prozentsatz Ihrer Arbeitszeit zum Spielen überlassen, um an Dingen zu arbeiten die für einen persönlich interessant sind, egal ob diese der Firma nutzen oder nicht.
Der Mensch benötigt Zeit, um Dinge zu durchdenken und zu verarbeiten oder einfach rumzuprobieren. Neue Lösungen finden sich meist, durch vorher unvorhergesehene Kombination, einen Umstand, den sich Kreativitätstechniken zu Nutze machen.
Auch hier zeigte sich wieder, dass besonders die Menschen die besten kreativen Ergebnisse produzierten, die zu zweit oder maximal zu dritt arbeiteten:
Having a single focal point to bounce new ideas off of might help people stay oriented toward the work on these more relaxed days, in contrast to having many ‚playmates‘ at once.

Handlungsempfehlungen für Führungskräfte
Der Status quo in den untersuchten Unternehmen war der, dass die Menschen sich über zunehmenden Druck beklagen oder Ihre Situation so wahrnehmen. Druck entsteht dabei besonders durch enge Deadlines und die Anforderung, viele Dinge auf einmal machen zu müssen und dabei ständig aus der Konzentration gerissen zu werden. Ein Zustand der sich heute wohl wenig verbessert hat und auch auf Deutschland zutrifft!

Manche, die Kreativität hemmende Faktoren, lassen sich möglicherweise nicht einfach abstellen, dennoch gibt es nach Amabile einige Möglichkeiten, wie Führungskräfte eine Kultur der Kreativität fördern können:
The best situation for creativity is not to be under the gun. But if you can’t manage that, at least learn to dodge the bullets.

  1. Extremen Druck vermeiden!
  2. Schutzräume schaffen
    Dies können zeitliche Freiräume sein, in denen Mitarbeiter zum Spielen (ein Wort das für viele erst einmal gar nicht zum Geschäft passt) und Erkunden ermuntert werden und die sie wirklich nutzen können.
    Schutzräume sind allerdings auch Zeiten, in denen Menschen konzentriert und ohne Unterbrechungen an einer Sache arbeiten können. Das kann praktisch bedeuten, Ruheräume bereit zu stellen oder einfach zu akzeptieren, dass Menschen für eine gewisse Zeit ihr Telefon umleiten und die E-Mails nicht lesen.
  3. Ziele sollten machbar und realistisch sein und vor allem eindeutig und frühzeitig kommuniziert werden.
  4. Bei Deadlines dafür sorgen, dass diese als sinnvoll und wichtig wahrgenommen werden.
  5. Menschen, die kreative Leistungen erbringen müssen, sollten sich für diese Aufgabe einen oder wenige Sparringspartner suchen und große Gruppen vermeiden.

Amabiles Studie zeigt sehr schön, dass Kreativität nichts Angeborenes oder Gottgegebenes ist, das der eine hat und der andere nicht. Ob Kreativität entsteht, hängt auch davon ab, ob die Umstände und die Unternehmenskultur Kreativität zulassen. Hier können Führungskräfte, aber auch jeder einzelne ansetzen.

Und zum Schluss meine Visualisierung zum Artikel (klicken um zu vergrößern):

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