In dieser Folge der Serie Kreativitätstechniken widme ich mich einer Technik, die alle zumindest vom Namen her kennen: Brainstorming.

Alle paar Jahre wieder kommt in den Medien (meist im Sommerloch) die Frage auf, ob denn Brainstorming überhaupt funktioniert. Dazu werde ich im unteren Teil des Artikel Stellung nehmen.

Brainstorming ist eine 1953 von Alex Osborn entwickelte Gruppenmethode. Ziel dieses divergierenden Denkwerkzeuges ist es, Lösungen für ein spezifisches Problem zu finden, indem unstrukturiert Ideen angehäuft werden.

Die damals von Osborn entwickelten Brainstorming Regeln haben sich dann weiterentwickelt und sind zu den Grundregeln des divergierenden Denkens (siehe Video) allgemein geworden.

Einsatz von Brainstorming

Brainstorming kann als grundlegende Technik zur Ideenfindung eingesetzt werden. Sie bietet sich besonders am Anfang einer Ideenfindungsrunde an, um erst einmal all die Ideen abzuschöpfen, die schon an der Oberfläche der Köpfe der Teilnehmer sind.

Verortung in den Prozessmodellen

Creative Problem Solving: Ideen erkunden
Design Thinking: Ideen entwickeln
Systematic Creative Thinking: Ideen erkunden

Mehr zu den verschiedenen Prozessmodellen der systematischen kreativen Problemlösen gibt es im Auftaktartikel zur Serie.

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So funktioniert Brainstorming

  1. Schreiben Sie das Ausgangsproblem mit Hilfe der Fragenstarter für alle deutlich sichtbar auf, formuliert als „Wie könnten wir…?“-Frage.
    Generieren Sie Ideen. Setzen Sie eine Ideenquote von mindestens 30 – 40 Ideen. Wenn Sie viele Ideen bekommen und die Quote überschreiten, hören Sie nicht auf, solange der Ideenfluss am Laufen ist.
  2. Schreiben Sie jede Idee auf eine Karte / einen Post-it-Zettel.
  3. Halten Sie Ihren Zettel hoch und nennen Sie Ihre Idee für alle hörbar und kleben Sie diese dann auf ein Flipchart, eine Wand etc.
  4. Prüfen Sie ca. alle 15 Ideen, ob die bisherigen Ideen in die richtige Richtung in Hinblick auf Ihr Problem führen, oder ob Sie den Fokus verändern sollten. Achten Sie dabei darauf, keine Grundsatzdiskussion zu beginnen und nicht ins konvergierende Denken abzugleiten.

Tipps für ein gutes Brainstorming

  • Führen Sie ein Brainstorming immer schriftlich durch. Schreiben Sie eine Idee zuerst auf und lesen Sie dann diese für ihre Gruppe hörbar vor. Dies deshalb, damit andere leichter auf den Ideen aufbauen können und diese aktiv mitbekommen.
  • Erklären Sie vorab noch einmal die Regeln des divergierenden Denkens, nur dann kann Brainstorming funktionieren. Brainstorming ist eine rein divergierende Kreativitätstechnik. Auswahl und Bewertung kommen danach.
  • Sammeln Sie die Ideen wirklich unstrukturiert, so wie diese den Teilnehmern einfallen, versuchen Sie nicht, diese während des Brainstormings zu ordnen. Denn dann beginnen Sie automatisch zu konvegieren und im schlimmsten Fall noch während des Brainstormings zu diskutieren, wo denn eine Idee nun hingeordnet gehört.
  • Aus meiner Erfahrung stören sich manche Menschen manchmal daran, dass bei einem Brainstorming die Ideen laut vorgelesen werden. Sie können auch mit stummen Kreativitätstechniken wie dem Brainwriting experimentieren, oder die Menschen zuerst ein paar Minuten individuell Ideen sammeln lassen und diese dann vorlesen. Meine Erfahrung als Facilitator ist jedoch, dass das Aufbauen auf Ideen dann meist nicht gut funktioniert, besonders wenn eine Gruppe ohne Facilitator arbeitet.

Funktioniert Brainstorming den wirklich?

Alle paar Jahre sind Artikel zu lesen, die behaupten, dass Brainstorming nicht funktioniere. Dabei werden immer wieder wissenschaftliche Studien zitiert, die angeblich zeigen, dass Brainstorming nicht funktioniere und dass die Anzahl der Ideen einer Gruppe höher sei, wenn die Leute einzeln arbeiteten und man dann die Einzelergebnisse zusammenzähle oder sogar, dass eine Person alleine mehr Ideen generieren könne als eine Gruppe von Leuten.
Die Kurzversion meiner Bewertung dieser Aussagen: Quatsch!

Die ausführlichere Version meiner Bewertung:
2011 ist wieder eine Studie (Collaborative Fixation: Effects of Others’ Ideas on Brainstorming, Nicholas W. Kohn and Steven M. Smith, Applied Cognitive Psychology, 25: 359–371 (2011)) und im Anschluss wieder einige Artikel erschienen, die wiederholen, dass Brainstorming nicht funktioniere. Wir alle haben es schließlich schon einmal erlebt: Wir saßen in einem „Brainstorming“ und es ist so gut wie nichts dabei herum gekommen. Auch viele Teilnehmer in einem unserer Kreativitätstrainings berichten am Anfang des Trainings, dass es ihnen bereits schon so ergangen ist.
Am Ende des Trainings bestätigen dann alle Teilnehmer, was Profis im Feld der Ideenentwicklung schon lange sagen: Brainstorming funktioniert sehr wohl, man muss es allerdings richtig durchführen. Wie man es richtig durchführt, habe ich oben beschrieben.

In der von Osborn definierten Technik wird die Gruppe außerdem von einem Facilitator / Prozessmoderator geleitet. Im obigen Satz zeigt sich zusammenfasst das ganze Dilemma, warum sogenannte Brainstormings oft nicht funktionieren und warum auch die Ergebnisse der Brainstormings in der oben zitierten Studie zustande gekommen sind.

Wie sind die Wissenschaftler vorgegangen, um die Effektivtät von Brainstorming zu bewerten?

Für die Studie wurden Erstsemester eines Psychologiekurses genommen, die, um den Kurs bestehen zu können, an einer solchen Studie teilnehmen müssen. Vier Studenten bilden eine Gruppe, wobei jeder für sich vor einem Computer sitzt und seine Ideen schweigend in einen Instant Messenger eintippt. Die Studenten wurden explizit daran gehindert, sich gegenseitig zu sehen. Immerhin gab es eine kurze Erklärung der Brainstorming regeln. Dann wurde die Frage „Wie könnten wir unsere Universität verbessern?“ vorgegeben.

Ergebnis des Experiments: Die Teilnehmer in der Gruppe erlebten ein „Produktivitätsdefizit“ gegenüber der Nominalgruppe und erlitten eine kognitive Fixierung, d.h. die Ideen anderer Teilnehmer der Gruppe führten dazu, dass sich die Teilnehmer auf diese Ideen fokussierten und weniger neue und andere Ideen generierten, sondern Ideen, die den bisherigen sehr ähnlich waren.

Brainstorming so eingesetzt, wie hier im Artikel beschrieben, unterscheidet sich deutlich vom Vorgehen der Wissenschaftler und ist in der Tat eine gute Methode, um Ideen aus einer Gruppe herauszubekommen. In creaffective Innovationsworkshops ist Brainstorming allerdings nur eine von mehreren Techniken, um Ideen zu entwickeln. Mit anderen Techniken und vor allem mit Hilfe des Facilitators lässt sich dann auch die oben angesprochene kognitive Fixierung verhindern. Wenn Brainstorming so eingesetzt wird, dann führt es auch zu Ergebnissen und zwar zu Ergebnissen, die ein Einzelner alleine oder die Summe von Einzelnen nur schwer erreichen können. Dies lässt sich auch in Studien nachweisen. Eine solche erschien bereits im Jahr 2005 (A Reexamination of Brainstorming Research: Implications for Research and Practice, Scott G. Isaksen and John P. Gaulin, Gifted Child Quarterly 2005 49: 315):

Unmoderierte Gruppen erreichten in einem Brainstrorming nach Abzug der redundanten Ideen 23 Ideen und damit weniger als die Nominalgruppe.
Gruppen mit Facilitator erreichten 143. Und dies lediglich beim Einsatz einer Technik: „However, no individual generating ideas alone outperformed the real interacting group. Further, the two real brainstorming groups using facilitators generated an average of 126.5 nonredundant ideas per group compared to 58 for the nominal group. The two real brainstorming groups using Brainwriting produced an average of 208 nonredundant ideas per group. This represents a 400–600% improvement on fluency, clearly illustrating the impact of having a trained facilitator.“ (S.9)

Fazit zu Brainstorming

Brainstorming funktioniert. Damit es funktioniert, muss es allerdings richtig durchgeführt werden. Dies ist in den meisten Laborstudien nicht der Fall.
Zugegeben ist dies auch in sehr vielen Gruppensituationen in Unternehmen nicht der Fall. Daher lässt sich nachvollziehen, wie Menschen zur Auffassung kommen, dass Brainstorming nicht funktioniert.

Alle Kreativitätstechniken werden auch in meinem Bestseller Denkwerkzeuge der Kreativität und Innovation vorgestellt.

Alle Artikel der Serie Kreativitätstechniken sind im Auftakt-Post verlinkt.

über creaffective
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