Sie möchten Ihr Unternehmen verkaufen – aber finden keinen passenden Käufer? Was tun, wenn der Wunsch-Nachfolger fehlt und ein Verkauf sich schwierig gestaltet? Ein unkonventioneller Ansatz könnte die Lösung sein – für Sie und Ihr Team.

In verschiedenen Presseartikeln lese ich in letzter Zeit immer wieder, dass viele kleine und mittelständische Unternehmen in den nächsten Jahren auf einen Nachfolger / eine Nachfolgerin angewiesen sind, um weiter existieren zu können.

Der Spiegel bezieht sich auf eine Erhebung der Creditreform und schreibt „Creditreform bezieht sich in der Studie nur auf Betriebe, die es seit mehr als zehn Jahren gibt – und die fünf bis 500 Beschäftigte und eine für den Mittelstand typische Rechtsform wie GmbH haben. Berücksichtigt wurden Firmen, bei denen natürliche Personen als Gesellschafter einen Anteil von mindestens 50 Prozent halten. Hantzsch zufolge sind 145.000 der gut 373.400 Unternehmen reif für die Übergabe.

Auch das Handelsblatt hat kürzlich in einem Artikel berichtet: „Rund 530.000 Unternehmen in Deutschland benötigen bis Ende 2028 einen Nachfolger auf dem Chefsessel„.

Das Institut für Mittelstandsforschung schreibt in einer Veröffentlichung von über 700.000 übernahmewürdigen Unternehmen.

Aus den Artikeln und auch mit einem Blick auf die Nachfolgebörsen wie nexxt-change oder die Deutsche Unternehmerbörse entnehme ich folgendes Modell der Unternehmensnachfolge: Unternehmen suchen einen Käufer oder Investor.

Im Falle eines Verkaufs zum Beispiel aufgrund von Altersnachfolge kann und soll ein Käufer dann die Geschäftsführung des Unternehmens übernehmen.
Das scheint der Normall zu sein bei Verkäufen und auch die Intention der Gebote auf den Unternehmensnachfolge-Plattformen.

Was tun, wenn sich kein Nachfolger findet?

Was ich den Presseartikeln auch entnehme ist, dass sich für eine nicht unerhebliche Zahl an Unternehmen auf diese Weise wohl kein Käufer finden wird und die Firmen dann womöglich liquidiert werden müssen oder der / die Inhaber ihr Unternehmen nicht nach ihren Vorstellungen veräußern können.

Mein Vater hatte ebenfalls ein Kleinunternehmen (mit knapp 10 Mitarbeitern), das er vor 15 Jahren verkaufen wollte. Auch hier waren die Umstände so, dass ein Verkauf aus verschiedenen Gründen schwierig war. Möglichen Käufern, die finanziell in der Lage gewesen wären, war das Unternehmen zu klein oder ein Kauf hat nicht in die Strategie gepasst. Diejenigen Interessenten, die kaufen wollten, hätten dies nur zu Konditionen tun können / wollen, die für meinen Vater unattraktiv waren.

Gleichzeitig gab es innerhalb der Belegschaft einen Mitarbeiter, der großes Interesse an einer Fortführung hatte und sich die Geschäftsführung auch teilweise zugetraut hat. Aber eben nur teilweise. Aus dieser Not entstand die Idee, die Aufgaben der Geschäftsführung auf mehrere Schultern zu verteilen. Im konkreten Fall der Firma meines Vaters waren es zwei Personen. Mit dieser Option ließ sich dann auch ein finanzielles Modell kreieren, das es den beiden Nachfolgern über einen Zeitraum von einigen Jahren ermöglichte, die Firma über die laufenden Gewinne selbst zu erwerben und in Raten zu bezahlen. Da sich alle Beteiligten kannten und einschätzen konnten, erschien dies als eine vielversprechende Option. Es dann auch geklappt!

Die Logik Führungsaufgaben nicht bei einer Führungskraft oder eine Geschäftsführung zu bündeln, sondern diese zu verteilen ist Kernelemente eines Modells von „Führung durch Führungsrollen“, dass wir bei mehreren Kunden bereits eingeführt haben.

Das kollegial geführte Unternehmen als Alternative der klassischen Unternehmensnachfolge

Als Organisationsberater und Organisationsentwickler arbeiten wir von creaffective mit Unternehmen aller Größen und Branchen AN der Organisation und Dynamiken in der Organisation.

In 2016 hatte ich mich als damaliger Geschäftsführer sozusagen selbst abgeschafft und wir experimentierten mit Modellen der Selbstverwaltung und Selbstorganisation. Ein anderer Begriff dafür ist kollegial geführtes Unternehmen. Das Unternehmen wird von einem Team oder allen Menschen im Unternehmen geführt. Strategische Entscheidungen werden nicht von dem Geschäftsführer oder der Geschäftsführerin getroffen, sondern vom Team. In den letzten 10 Jahren konnten wir auf diese Weise an unserem eigenen Modell lernen und auch bei immer mehr Kunden.
Bei unseren Kunden waren die Handlungsanlässe dabei ganz unterschiedlich. Hier ging es meist darum, stärker selbstorganisierte Strukturen in Teams oder Bereichen des Kundenunternehmens einzuführen. Manchmal war der Treiber das Bestreben nach mehr Agilität und der Wunsch, dass die Entscheidungsfindung in das Team verteilt wird. In der Hoffnung, dass die Entscheidungen schneller an der richtigen Stelle getroffen werden. Manchmal war der Anlass schlicht die Not, dass Führungskräfte weggingen und nicht nachbesetzt wurden oder werden konnten. So kam es zu Situationen, wo wir als Organisationsberater Teams darin unterstützen, sich selbst zu führen.

Wenn diese Art des kollegialen Führens eines Teams oder Unternehmens bisher nicht der Standard war, dann gilt es einige Gewohnheiten und Praktiken zu verlernen und einige Muster der Zusammenarbeit neu zu erlernen und für den spezifischen Kontext zu erschaffen!

Notwendige Fertigkeiten, um ein Unternehmen kollegial zu führen

Neben inhaltlich fachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten braucht es vor allem gewisse Softskills, die für den Erfolg von selbstverwalteten Unternehmensmodellen ganz zentral sind.
Einmal die Fähigkeit zu Kommunikation und zur konstruktiven Konfliktbearbeitung. Außerdem braucht es Wissen um Vorgehensweisen der Entscheidungsfindung in Gruppen.
Die Gruppe muss Vereinbarungen treffen, wie sie Zusammenarbeiten möchte und das Unternehmen gemeinsam führen möchte. All dies ist aus meiner Erfahrung möglich, es muss aber anders ablaufen, als im klassischen Modell.

Ein großer „Vorteil“ eines Geschäftsführers, oder der Hierarchie im allgemeinen ist, dass diese (im Konfliktfall) Entscheidungen herbeiführen oder treffen kann. Dafür trägt er oder sie dann auch die Verantwortung. Im Falle eines selbstorganisierten Teams gibt es diese Möglichkeit erst einmal nicht. Außer das Team delegiert die Entscheidung an Einzelpersonen. Sonst musst das Team als Team entscheiden. Und dies ohne sich zu zerstreiten oder zu Tode zu diskutieren. Das ist nicht ganz trivial und braucht gewisse Kompetenzen. Außerdem ist dann die Gruppe gemeinsam verantwortlich und rechenschaftspflichtig.

Auch hier gibt es zum Glück schon viele Praktiken, an denen man sich ein Beispiel nehmen kann. In Sociocracy 3.0 (Bild 2) werden viele dieser Muster der Zusammenarbeit beschrieben. In unserem Buch Future Fit Company (Bild 1) haben wir ebenfalls einige Optionen ausführlich vorgestellt.

Fu

Unternehmensnachfolge neu gedacht

Als wir uns vor 10 Jahren in die Selbstorganisation und in ein kollegial geführtes Unternehmen begeben haben, hat mich jeder, dem ich davon erzählt habe mit Fragen bombardiert, wie das denn alles funktionieren könne und wir dieses oder jenes Problem lösen. Auch bei Kunden ist dies anfangs manchmal so.

Einige unserer Erfahrungen haben wir auch über die Zeit auf diesem Blog veröffentlicht: Hier und hier.

Nicht nur von Seiten der „Oberen“ gab und gibt es da viele Zweifel und Bedenken auch die „unten“ können sich ein anders Modell der Unternehmensführung oft nicht recht vorstellen.

Wie auch, es gibt nicht so viele Beispiele. Aber es gibt immer mehr!
Die Firma Krisos zum Beispiel kauft kleine und mittelständische Unternehmen unter der Bedingungen, dass die Mitarbeiter bereit sind sich auf eine Transformation hinzu Selbstorganisation (zu einem kollegial geführten Unternehmen) einzulassen. Als Organisationsberater und Organisationsentwickler mit einem ähnlichen Background wie wir bei creaffective begleiten sie dann die erworbenen Unternehmen in ihrem Transformationsprozess.
Die spanische NERGroup ist bekannt für diese Art des Arbeitens mit über 1000 Mitarbeiter.
In Deutschland gibt es einige kleine und mittelständischen Unternehmen, die sich in den letzten Jahren ebenfalls auf den Weg gemacht haben. Mit dem Konzern Bayer und dem Dynamic Ownership Modell versucht aktuell ein Konzern mit Prinzipien der Selbstorganisation gegen seine selbstverschuldete Firmokratie (Bürokratie im Unternehmen) vorzugehen.

Es gibt Potenzial für andere Formen der Nachfolge

Ich bin sicher, dass es viele Firmen und vor allem Firmeninhaber und potenzielle Verkäufer gibt, für die so ein kollegial geführtes Modell und die finanziellen Implikationen nicht von Interesse sind. Ich glaube auch, dass es Belegschaften gibt, in denen für die Mehrheit die Vorstellung zu weit weg ist und die schlicht keinen Bock darauf haben. Mag sein und ist denkbar.

Ich bin auch überzeugt, dass es von den 100.000 bis 500.000 Unternehmen, die eine Nachfolge suchen, eine nicht unerhebliche Anzahl gibt, für die ein selbstorganisiertes und kollegial geführtes Unternehmen als Modell der Unternehmensnachfolge prinzipiell in Frage kommt. In diesen Firmen kann es sich der Verkäufer grundsätzlich vorstellen und auch bei den Mitarbeitenden gibt es Persönlichkeiten, für die es denkbar ist, zusammen mit anderen in die unternehmerische Verantwortung zu gehen.

Experimente, um eine andere Unternehmensnachfolge zu erproben.

Wir arbeiten in Organisationsentwicklungsprojekten mit Kunden mit einem Vorgehen von kleinen „sicheren“ Experimenten, um das Neue zu verproben.

Kombiniert mit unseren eigenen Erfahrungen aus der Selbstorganisation haben wir damit ein Modell, mit dem interessierte Unternehmen alternative Wege der Unternehmensnachfolge erkunden und entwickeln können.

Manchmal führen die Beschränkungen der Lage zur Bereitschaft Neues auszuprobieren. Not macht bekanntlich erfinderisch. In diesem Fall ist die „Krise“ auch eine Chance!

Ins Handeln kommen

Wenn Sie als Eigentümer, Gründer und potenzieller Verkäufer von dieser Situation betroffen sind, wie könnten nun nächste Schritte aussehen?

Ein erster Schritt wäre sicher die eigene Motivation noch einmal genauer zu hinterfragen: Worum geht es mir? „Nur“ um einen baldigen Verkauf? Darum, dass das Unternehmen weiter bestehen kann?

Wenn zweiteres ein wichtiger Treiber ist, dann könnte eine Nachfolge in einer kollegial geführten Form eine Option sein.

Im zweiten Schritt sollten Sie Gespräche führen, ob dieser Weg grundsätzlich auch für jetzige Mitarbeitende denkbar wäre. Zumindest sollten sie bereit sein, sich damit genauer auseinander zu setzen.

Dann könnte der dritte Schritt darin bestehen, Muster der Zusammenarbeit zu erleben oder genauer kennen zu lernen, wie kollegiale Führung abläuft und wie das auf Ihr Unternehmen angepasst werden könnte. Das konkrete Vorgehen muss auf alle Fälle von den Betroffenen erarbeitet werden.

Und klar, es braucht ein finanziell tragfähiges Modell, das ebenfalls erarbeitet werden muss.

Neugierig? Lassen Sie uns gerne sprechen. Melden Sie sich bei mir: rustler(at)creaffective(dot)de