Seit 2008 moderieren wir von creaffective bei Kunden Innovationsworkshops und bilden außerdem Moderatoren / Facilitatoren für Innovationsworkshops aus. Über die Jahre sind so Erfahrungen aus hunderten von Workshops aus verschiedenen Sprachen und Kulturen zusammen gekommen.
In 2013 habe ich außerdem mein Buch „Denkwerkzeuge der Kreativität und Innovation“ veröffentlicht, dass sich erfreulicherweise zu einem Bestseller entwickelt hat und besonders bei Moderatoren für Workshops beliebt ist, als methodischer Ratgeber und Nachschlagewerk.
Immer wieder kommen im Gespräch mit Kundenansprechpartnern Fragen zum Format des Innovationsworkshop auf. Diese möchte ich gesammelt in diesem Artikel beantworten und dabei unsere Erfahrungen, Tipps und Tricks teilen. So werden Ihre Innovationsworkshops zum Erfolg!
Springen Sie gerne nach Interesse in die einzelnen Themen rein.
Folgende Fragen werde ich beantworten:
1. Was ist eigentlich ein Workshop?
Die Bezeichnung Workshop ist nicht einfach nur ein hippes Wort für eine Besprechung.
In meinem Buch „Werkzeuge für großartige Meetings“ liefere ich dazu folgende Definition: „Ein Workshop ist eine moderierte und stark strukturierte Form der Besprechung, die zeitlich deutlich umfangreicher ist als normale Besprechungen. Workshops dauern mindestens einen halben Tag, oft jedoch auch zwei oder sogar drei Tage, in seltenen Fällen bis hin zu einer Woche. Die Themen, die in einem Workshop behandelt werden, sind meist deutlich komplizierter und komplexer als in den meisten Besprechungen„.
In Workshops geht es dabei fast immer darum, gemeinsam Vorschläge für eine Fragestellung zu entwickeln und diese gegebenenfalls auch zu entscheiden.
Workshops sind immer von einem Facilitator moderiert. Ein Facilitator bedient sich dabei eines Prozess-Modells (siehe Frage 5) und angemessener Denkwerkzeuge und Techniken (siehe Frage 6), um den Arbeitsprozess der Gruppe zu strukturieren und zu unterstützen. Deshalb spricht auch nicht einfach von einem Moderator, sondern von einem Facilitator.
Normalerweise ist die Vorbereitung eines Workshops deutlich aufwändiger und individueller als bei einer Besprechung.
2. Welche Arten von Workshops gibt es?
Wir unterscheiden im Prinzip drei Arten von Workshops: Kreative Problemlöseworkshops, Entscheidungsfindungsworkshops und Teamworkshops.
Bei Workshops zur kreativen Problemlösung liegt immer eine Fragestellung vor, für die eine Gruppe aktuell keine Antwort kennt und/ oder auf die eine Antwort auch nicht offensichtlich ist. Es braucht also Kreativität, um zu einer gangbaren Lösung zu kommen. Unter dieser Kategorie fallen damit unter anderem auch Innovationsworkshops, Strategieworkshops und Workshops zur Entwicklung von Vision und Mission.
Entscheidungsfindungsworkshops legen den Fokus darauf, dass eine Gruppe eine Entscheidung treffen möchte. Dafür gibt es bereits Entscheidungsvorschläge oder Entscheidungsalternativen. Nun geht es darum eine Entscheidung zu treffen und Alternativen begründet zu verwerfen.
Oft kommt es in der Praxis auch vor, dass der letzte Teil von kreativen Problemlöseworkshops darin besteht, eine Entscheidung herbeizuführen. Damit werden die beiden Workshoparten kombiniert.
Wir unterscheiden außerdem noch Teamworkshops, wo der Fokus auf einem Team und den Beziehungen der Menschen im Team liegt. Geht es bei den ersten beiden Workshops mehr um die Sachdimension und Zeitdimension, so geht es hier um die Sozialdimension. Fokus eines Teamworkshops kann es sein, den Teammitglieder zu helfen, sich besser kennenzulernen und das Teamklima zu verbessern. Es kann auch darum gehen im Team auftretende Konflikte zu bearbeiten oder Rollen und Verantwortlichkeiten zu klären.
3. Was ist ein Innovationsworkshop?
Ein Innovationsworkshop fällt also in die Kategorie der kreativen Problemlöseworkshops. Der Fokus liegt hierbei, wie der Name schon suggeriert, auf innovationsnahen Themen. So kann es darum gehen, neue Produkte, Dienstleitungen und / oder Geschäftsmodelle zu entwickeln. Manchmal werden diese Workshops auch als Ideation Workshop oder Kreativworkshop bezeichnet.
Dabei spielt es keine Rolle, etwas für das Unternehmen komplett neues zu entwickeln (wie eine bisher nicht adressierte Produktkategorie) oder eine neue Generation von etwas Bestehendem zu entwickeln.
Meist findet solch ein Workshop firmenintern statt mit Beteiligung von Experten, die etwas zum Thema zu sagen haben. Manchmal werden auch Kunden oder Externe Stakeholder und Experten mit eingebunden, um weitere Perspektiven von außen zu bekommen.
4. Für welche Fragestellungen eignet sich das Format Innovationsworkshop?
Wie erwähnt, liegt der Fokus auf innovationsnahen Fragen. Damit ein Workshop Sinn macht, ist es wichtig, dass eine Gruppe durch gemeinsames Nachdenken und Ideen entwickeln zu Lösungen oder Lösungsansätzen kommen kann.
Wenn ein Thema zum Beispiel erst einmal chemische Experimente, Simulationen, Berechnungen oder Kundenbefragungen braucht, dann ist ein Workshop (noch) nicht hilfreich. Er sollte dann erst durchgeführt werden, wenn die Ergebnisse dieser Aktivitäten vorliegen.
In der Innovation unterscheidet man außerdem zwei Arten von Innovationen: Inkrementelle Innovation und radikale Innovation (siehe Abbildung). Bei der inkrementellen Innovation handelt es sich um ein Weiterentwickeln von etwas bereits existierenden. Das Ergebnis ist eine Veränderung des Grades der Neuheit (change in degree). Zum Beispiel die nächste Generation einer Gasturbine. Bei radikaler Innovation entsteht etwas bisher nie dagewesenes (change in kind). Zum Beispiel Post-it Notizen, Penicillin, Streamingdienste (als diese zum ersten Mal aufkamen). Für diese Art der Innovation eignet sich ein Innovationsworkshop (meist) nicht! Warum? Wenn etwas bisher noch nie existierte und völlig neu ist, dann kann man es sich auch nicht im Kopf ausdenken! Das Neue entsteht durch eine Interaktion mit und körperlichen Erfahrungen in einer Umwelt und aus dieser Interaktion entstehenden Phänomenen, jedoch nicht (alleine) aus einem Workshop.
Unternehmen, die also nach radikaler Innovation streben, müssen anders vorgehen, als Innovationsworkshops ausrichten. Als Innovationsberater arbeiten wir mit Kunden an organisationalen Rahmenbedingungen, die radikale Innovation wahrscheinlicher machen.
5. Wie läuft ein Innovationsworkshop ab?
Jeder Workshop ist anders und es hängt vom konkreten Thema und der Interaktion der Menschen ab.
Das Grundmuster ist dabei aber immer gleich. Ein Innovationsworkshop orientiert sich an einem generischen kreativen Problemlöseprozess, wie zum Beispiel systematic creative thinking, oder creative problem solving oder design thinking (siehe Abbildungen). Ein Prozessmodell orientiert sich in seiner grundlegende Struktur daran, wie Menschen kreativ Probleme lösen.
Konkret heißt das, dass jeder Innovationsworkshop immer die Phasen „Problem klären“, „Ideen entwickeln“, „Lösungen entwickeln“ und „nächste Schritte definieren“ durchläuft.
Je nach Prozessmodell heißen die Schritte und Phasen anders oder sind granularer unterteilt. Das Grundschema ist immer gleich!
Worauf der Fokus gelegt wird und wie viel Zeit in welchem Schritt verbracht wird, hängt vom Thema, der Vorbereitung und der Teilnehmerkonstellation des Innovationsworkshops ab.
6. Welche Methoden oder Techniken kommen zum Einsatz?
Auch hier gebe ich die juristische Antwort: Es kommt darauf an!
Hier hilft ein erfahrener Facilitator, der je nach Situation sinnvolle Denkwerkzeuge und Kreativitätstechniken wählen kann. In einer Artikel-Serie hier auf dem Blog stelle ich wichtige Techniken vor. Grundsätzlich gilt auch hier: Viele Wege führen nach Rom und es gibt nicht die eine richtige Kreativitätstechnik.
Ich erlebe es bei unerfahrenen Ansprechpartnern in Unternehmen oft, dass diese genau Angaben zu den verwendeten Methoden möchten. Diese suggerieren vermeintlichen Sicherheit und Kompetenz des Facilitators. Oder es ist den Ansprechpartnern wichtig, dass eine bestimmte Methode zum Einsatz kommt. Hier gilt es dann genau zu prüfen, ob diese Festlegung sinnvoll oder nicht eher hinderlich ist.
Ich habe auch schon viele Innovationsworkshops moderiert, wo wir für die Ideenentwicklung ausschließlich gebrainstormt haben. Deshalb, weil die Gruppe sehr viele und unterschiedliche Ideen hatte und es keine weiteren Kreativitätstechniken zur Stimulation gebraucht hat. Bei anderen Gruppen wiederum habe ich mit unterschiedlichen Techniken gearbeitet, um die Gruppe aus ihren Denkbahnen zu bekommen.
Bei Kreativitätstechniken in einem Innovationsworkshop kann man zwischen divergierenden (= Optionen generierend) und konvergierenden (= Optionen bewertend und verdichtend) Techniken unterscheiden. (siehe Video)
Wie erwähnt, braucht es manchmal wenig divergierende Denkwerkzeuge. Aus meiner Erfahrung macht es jedoch immer hilfreich eine Struktur für das Konvergieren anzubieten.
7. Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz in einem Innovationsworkshop?
Diese Frage ist in der Tat erst seit Kurzem relevant. Auch hier kommt es wieder auf den spezifischen Kontext und das konkrete Thema an.
Grundsätzlich kann man sagen, dass KI als ein teilweise hinzugezogener Teilnehmer in Innovationsworkshops betrachtet werden kann.
Dabei sind verschiedene Einsatzformen möglich:
Eine Gruppe kann KI nutzen, um eine erste Sammlung an Ideen zu generieren, auf welchen die Gruppe dann aufbaut. Das ist für Menschen relevant, die sich schwer damit tun, Ideen zu entwickeln. Oder aber man macht es anders herum. Man füttert ein Large Language Model mit Ideen der Gruppe, um darauf aufzubauen und Varianten oder Kombinationen von Ideen zu erstellen. Auf diesen wiederum können dann die Menschen aufbauen.
KI kann auch eingesetzt werden um Lösungskonzepte zu challengen oder weiter zu entwickeln. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig.
Mein wichtigster Hinweis hier: Der Output der KI ist ein Element mit dem die Gruppe dann weiterarbeiten sollte. Es ist nicht ausreichend einfach nur das zu nehmen, was die KI nach einem ersten Prompt ausspuckt. Dafür sind die Ergebnisse meist zu generisch und zu abstrakt. KI kann jedoch als Co-Intelligence genutzt werden.
Für sehr fachspezifische Themen ist es aktuell wahrscheinlich, dass KI noch gar keinen Mehrwert bringt.
8. Welche Rollen gibt es?
In einem Innovationsworkshop kann man drei zentrale Rollen unterscheiden.
Der Facilitator kümmert sich um den Prozess und die Methodik des Workshops. Er leitet die Gruppe zu Ergebnissen, ohne dabei inhaltlich einzugreifen. Er /sie geht dabei weit über die Rolle des (im Deutschen) bekannten Moderators hinaus. Ein Facilitator unterstützt die Gruppe methodisch ihr bestes Denken hervorzubringen.
Der oder die Auftraggeber müssen danach mit den Ergebnissen des Workshop weiterarbeiten und oder diese umsetzen. Der Auftraggeber ist am Ende oft verantwortlich und muss im Workshop womöglich Richtungs-Entscheidungen treffen oder diese zumindest mittragen. In einem Workshop gibt es dabei mehrere Zeitpunkte, an denen eine Entscheidung getroffen werden muss:
- Bei der Auswahl des genauen Problemzuschnitts und der daraus abgeleiteten Fragen für die Ideenfindung.
- Bei der Auswahl und Priorisierung der Ideen und
- am Ende bei der Priorisierung der mit weiteren Ressourcen zu verfolgenden Lösung
Eine dritte Rolle ist die Ressourcengruppe: Diese Menschen müssen die Lösung nicht zwingend weiter umsetzen, ihre Ideen oder ihr Fachwissen wird jedoch gebraucht, um zu einer Lösung zu kommen.
In der Praxis kann es durchaus Überschneidungen geben zwischen den letzten beiden Rollen. Der Facilitator sollte immer ganz klar getrennt werden und keinerlei thematische Eisen im Feuer haben.
9. Welche Rahmenbedingungen braucht es für einen Innovationsworkshop?
Hier sehe ich vor allem zwei Kernaspekte.
Ein Innovationsworkshop ist immer nur so gut wie seine Vorbereitung. Oft ist es sogar so, dass die Vorbereitung deutlich mehr Zeit braucht, als der eigentliche Workshop selbst.
Die Vorbereitung umfasst einmal eine Themenklärung und Auftragsklärung zwischen Facilitator und Auftraggeber. Dazu können dann im Vorfeld oft Einzelgespräche mit Experten in mehreren Schleifen notwendig werden.
Zweiter Teil der Vorbereitung ist die Entwicklung eines Methodendesigns durch den Facilitator. Obwohl ein Innovationsworkshop im Grundsatz immer einem ähnlichen Muster folgt, steckt der Teufel immer im Detail. Hier ist es hilfreich, wenn der Facilitator mehrere Varianten und methodische Details durchdacht hat. Wohl wissend, dass es im Workshop dann erforderlich sein kann, alles doch ganz anders zu machen.
Aus diesem Grund macht es auch wenig Sinn, vor dem Workshop eine genaue Agenda mit Zeiten zu erstellen. Diese ist erfahrungsgemäß nach 30 Minuten Makulatur.
Ein zweiter zentraler Aspekt ist die Frage, wie es nach dem Workshop weiter geht. Ein Innovationsworkshop ist ja meist nur ein Bestandteil eines längeren (Entwicklungs-)Prozesses. Nach dem Workshop geht die Arbeit meist erst los. Dafür müssen von Seiten der Organisation dann Ressourcen eingeplant werden.
Ich habe es leider schon oft erlebt, dass Auftraggeber nach dem Workshop keine weiteren Ressourcen vorgesehen hatte und gehofft hatten, dass die Umsetzung irgendwie nebenbei erfolgt. Inzwischen prüfe ich das bereits im ersten Gespräch ab. Nichts ist frustrierender, wie eine Gruppe von Menschen zwei Tage mit etwas zu beschäftigen, wenn danach nix passiert!
10. Wie lange dauert ein Innovationsworkshop?
Auch hier gilt: Es kommt darauf an.
Auf das Thema und den aktuellen Wissensstand des Themas. Meist dauern Innovationsworkshops so wie ich sie hier skizziert habe mindestens einen Tag, meist zwei Tage. Manchmal aber auch noch länger.
Dabei sollte gelten: Die Zeit richtet sich nach dem Thema. Form follows function!
Leider habe ich es auch in der Praxis schon oft anders herum erlebt: „Wir haben leider nur einen Tag Zeit“. In diesem Fall gilt es als Facilitator zu prüfen, ob es in einem Tag überhaupt sinnvoll ist und was dann in einem Tag möglich ist. Erwartungsmanagement wird dann wichtig. Das, was wir in drei Tagen geplant haben, in einem Tag zu machen, funktioniert meist leider nicht. Es gibt einen Grund, warum mehr Zeit dafür veranschlagt ist.
11. Wie viele Menschen können an einem Innovationsworkshop teilnehmen?
Im Gegensatz zu Großgruppenformaten findet bei einem Innovationsworkshop eine methodisch enge Begleitung der Gruppe statt. Ein Facilitator kann dabei maximal 12 Personen gut moderieren. Wird die Gruppe größer, dann wird der Prozess zu langwierig und die Teilnehmenden klinken sich aus.
Sollten aus welchen Grund auch immer mehr als 12 Personen an einem Innovationsworkshop teilnehmen, dann braucht es von unserer Seite entsprechend mehr Facilitator.
Warum diese enge Betreuung durch den Facilitator? Inzwischen wirklich hunderte von Workshops haben gezeigt, dass die geforderten Denkweisen, Strukturen und Techniken voraussetzungsreich sind. Wenn man als Facilitator eine Kleingruppen auf sich gestellt einfach selbst machen lässt, ohne die Gruppe methodisch zu unterstützen, dann bricht der Prozess oft zusammen oder wird sehr unproduktiv. Das macht sich dann sofort am benötigten Zeitaufwand und / oder an der Qualität des Ergebnisses bemerkbar. Aus diesem Grund ergibt sich für das Format des Innovationsworkshops eine Obergrenze an Teilnehmern pro Facilitator.
Ich hoffe, meine Antworten auf die obigen Fragen bieten eine gute Orientierung bei der Planung von Innovationsworkshops. Gleichzeitig lässt sich vieles nicht planen und es Bedarf einer gewissen Erfahrung durch den Facilitator.
Welche weiteren Fragen zu Innovationsworkshops interessieren Sie noch, um die ich diesen Artikel ergänzen sollte? Schreiben Sie mir gerne!