Strategie-Ableitung: Der Prozess

In Teil 1 dieser zweiteiligen Artikelserie habe ich beschrieben, wie man Strategie verstehen kann und welche Gütekriterien eine gute Strategie erfüllen sollte.

Noch einmal zusammenfassend:

Eine Strategie ist ein Mittel, um uns dabei zu unterstützen vom jetzt in Richtung einer von uns gewünschten Zukunft zu kommen. Sie bietet uns Orientierung für zukünftige Situationen, in denen wir eine Entscheidung treffen müssen. Damit hilft sie uns mit Klarheit durch eine noch ungewisse Zukunft zu navigieren.

Dabei habe ich die Unterscheidung getroffen zwischen einem unbekannten und unvorhersehbaren Teil der Zukunft und einer eher kurzfristigen relativ erwartbaren Zukunft.

Für den ungewissen Teil bietet es sich an mit Entscheidungsheuristiken (oder strategischen Prinzipien) zu arbeiten, für die nähere Zukunft können konkrete Ziele oder OKRs sinnvoll sein.

Wie könnte der Prozess dazu aussehen, um sowohl längerfristige Entscheidungsheuristiken abzuleiten als auch kurzfristigere Ziele?

Ich beschreibe ein Vorgehen, das wir in immer leicht angepasster Form sowohl bei uns bei creaffective selbst, als auch in verschiedenen Kundenprojekten nutzen. Wir verstehen dies als eine good practice, die in verschiedenen Unternehmen und Situationen gute Ergebnisse geliefert hat. Sicherlich gibt es auch ganz andere Möglichkeiten an das Thema heranzugehen.

Der Prozess der Strategieableitung

Für das Vorgehen kann man eine erstmalige und eine wiederkehrende Komponente unterscheiden. Die erstmalige Komponente kommt dann zum Einsatz, wenn ein Unternehmen, ein Bereich oder eine Abteilung noch nie oder schon lange keine Strategie mehr definiert hat.

Die Ergebnisse aus dieser erstmaligen Komponente haben dann Gültigkeit für einen längeren Zeitraum von mehreren Jahren. Die kurzfristigere und wiederkehrende Komponente sollte regelmäßig, z.B. einmal pro Jahr wiederholt werden.

Strategische Prinzpien definieren

Schritt 1:
Folgende vier Aspekte werden zuerst divergiert (= Optionen gesammelt), immer mit dem Zweck, der Mission und Vision im Blick:

  1. Mittelanalyse (Ressourcen, die sich bei Verwendung nicht aufbrauchen):
    1. Wer sind wir?
    2. Wen kennen wir?
    3. Was wissen und können wir?
    4. Über was verfügen wir?
  2. SWOT Analyse inklusive Konkurrenzbetrachtung
  3. Sparring von außen
    Wie werden wir gesehen? Was rät man uns?
    Das Sparring kann sowohl über Berater in einem ähnlichen Umfeld geschehen als auch durch Kunden oder potenzielle Kunden.
  4. Erkundung des Status Quo
    Mit den drei Formulierungen zu Zweck, Mission und Vision erkunden wir genauer, was uns im Moment davon abhält unsere Mission bestmöglich zu erfüllen und unsere Vision zu erreichen. Wir nutzen dazu oft das Werkzeug: Netz der Abstraktion.

Mit dem Input der obigen vier Komponenten konvergieren (=wir bewerten und verdichten) wir und leiten Erkenntnisse ab.

Schritt 2 – langfristig:

Basierend auf unseren Erkenntnissen entwickeln wir Optionen strategische Prinzipien und dampfen diese am Ende auf 3 – 4 Prinzipien ein.
Je nach Situation kann dieser Schritt einfach in einem Workshop passieren oder aber bedarf mehrerer Iterationen und Vorbereitungsarbeit. Mit einem Konzernkunden haben wir in Kleingruppen mehrere Schleifen gedreht, die dann in Vorschläge für diese strategischen Prinzipien mündeten.
Diese Prinzipien werden dabei meist als „X ist wichtiger als Y“-Aussagen formuliert. Damit können sie für die Zukunft in Entscheidungssituationen Orientierung bieten.

Schritt 3 – langristig:

Diese Prinzipien werden einen Trivialitätstest unterzogen. Hier prüfen wir, ob auch das Gegenteil unserer Prinzipien eine ernstzunehmende Alternative wäre und legen ggf. weitere für uns relevante Kriterien an.

Schritt 4 – langristig:

Schließlich leiten wir Evaluationskriterien für unsere Strategie ab anhand derer wir erkennen würden, ob die Strategie funktioniert.

Ziele definieren

Schritt 5 – kurzfristig:

Wir divergieren konkrete Ziele für die nächsten 6-12 Monate und dampfen diese am Ende auf eine überschaubare für unsere Situation sinnvolle Anzahl ein. Bei uns bei creaffective waren dies z.B. zwei Ziele für das nächste Jahr. Andere ebenfalls ausgewählte, aber nicht final priorisierte Optionen wandern in ein Backlog. Dieses Backlog wird für den wiederkehrenden Teil des Prozesses verwendet.

Schritt 6 – kurzfristig:

Aus diesen kurzfristigeren Zielen können nun konkrete Projekt und / oder Maßnahmen abgeleitet werden, die wir angehen wollen. Bei der Orientierung, welche Projekte wir konkret starten möchten, können uns nun bereits die zuvor abgeleiteten strategischen Prinzipien Orientierung bieten.

Photo by Estée Janssens on Unsplash

Wiederkehrende Komponente der Strategie-Ableitung

Sobald die Strategie einmal definiert ist, gibt es einige wiederkehrend Aspekte, die dann greifen. Dies kann ein jährlicher oder auch halbjährlicher Rhythmus sein.

Jährlich / halbjährlich:

  • Mindestens einmal pro Jahr betreachten wir die Evaluationskritieren, um einzuschätzen, ob die Strategie funktioniert und für uns Sinn macht. Dies könnte dann in Form eines Skalenvergleichs stattfinden „besser als, schlechter als“. Dabei führen wir einen sogeannten Ist-ist-Vergleich durch und prüfen, wie sich die Dinge entwickelt hat.
  • Wir führen ein Review zu den strategischen Prinzipien durch und prüfen, ob diese nach wie vor sinnvoll sind.
  • Retrospektive und Review zu den Zielen der letzten sechs Monate
  • Ableiten von Zielen für die nächsten sechs oder zwölf Monate (Betrachten des Backlogs)

KPIs betrachten

Meist zahlt eine Strategie auf Kennzahlen ein, die es sich lohnt in kurzen Abständen zu beobachten und im Blick zu haben. Die kann z.B. monatlich oder wöchentlich passieren. Diese Check-ups bieten dann immer wieder einen Anlass zu reflektieren, ob wir etwas nachjustieren müssen und ob sich weitere Handlungen ergeben.

Strategieaktivierung

Sobald eine Organisation eine gewisse Größe überschreitet, ist es nicht möglich alle an der Strategie-Entwicklung zu beteiligen. Wir versuchen dabei trotzdem mit Delegierten oder Repräsentaten zu arbeiten, um möglichst viele Perspektiven einzubinden.

Trotzdem wird in diesen Situationen das Thema der Strategieaktivierung nun besonders wichtig. Die beste Strategie nützt ja schließlich nichts, wenn diese nicht bekannt und verstanden ist. Bei der Strategieaktivierung geht es nun darum, diese relevant für das tägliche Tun der Menschen zu machen.

Hierzu empfehle ich ein Podcastgespräch in unserem Future Fit Company Podcast mit zwei Experten zum Thema.