Schnell, effizient und trotzdem gut durchdacht: Wie trifft man in Teams Entscheidungen, die wirklich funktionieren? Dieser Artikel zeigt dir, wie es geht.

Zusammenfassung:
Entscheidungen sind das Herzstück jeder Organisation – doch wer entscheidet, wie und mit wem? In einer sich verändernden Arbeitswelt reicht der klassische Chef-Entscheid oft nicht mehr aus. Der Artikel beleuchtet die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Entscheidungsprozesse, von ausschließenden Einzelentscheiden bis hin zu partizipativen Gruppenmethoden. Zudem stellt er praxisnahe Ansätze wie den Konsent-Entscheid oder die Widerstandsabfrage vor, die Teams helfen, effektiver und schneller tragfähige Entscheidungen zu treffen.

Früher war alles einfacher!? In Hinblick auf Entscheidungsfindung in Organisationen und Teams war es zumindest klarer: Der Chef entscheidet.
Heute ist das aus verschiedenen Gründen (dazu später mehr) komplizierter. Damit ist auch das Treffen von Entscheidungen teilweise anspruchsvoller.

Gleichzeitig sind Entscheidungen ein zentrales Element von Organisationen und die Qualität der Entscheidungen und besonders auch der Prozess, wie Entscheidungen herbeigeführt werden, sind im wahrsten Sinne des Wortes „entscheidend“ für den Erfolg von Organisationen.

Entscheidungen als Kernmerkmal von Organisationen

Als Organisationsberater ist eine wichtige Quelle unseres Vorgehens die aus der Systemtheorie abgeleitete Metatheorie der Veränderung. Aus Sicht der Systemtheorie sind Entscheidungen und die Kommunikation über Entscheidungen das Kernmerkmal von Organisationen. Organisationen sind Entscheidungssysteme!

Ist eine Entscheidung einmal getroffen, dann ist sie meist Prämisse für weitere Entscheidungen. Wenn ein Unternehmen sich zum Beispiel entschlossen hat ein neues Produkt zu entwickeln oder ein bestehendes Produkt nicht mehr anzubieten, dann ist diese Entscheidung Grundlage für das weitere Handeln. Wir können am nächsten Tag nicht so tun als wäre die Entscheidung nicht getroffen worden. Alle nun folgenden Entscheidungen bauen nun im Beispiel darauf auf, dass wir Produkt XY nun in den Markt bringen möchten.

Konfliktlinie bei Entscheidungen: Ausschließen oder beteiligen

Eine erwartbare und immer mal wiederkehrende Konfliktlinie in jeder Organisation ist dabei die Frage welche Personenkreise am Prozess der Entscheidungsfindung beteiligt wird. Dieser Konflikt muss regelmäßig neu verhandelt werden.
Dabei kann sich die Organisation entschließen den Entscheiderkreis eher klein zu halten, also Menschen auszuschließen. Oder aber sie erweitert den diesen und bindet mehr Menschen ein.

Beides hat Vor- und Nachteile. Es gibt hier kein richtig oder falsch. Es gibt eher ein für den aktuellen Kontext der Organisation sinnvoll oder weniger sinnvoll. Das heißt auch, dass der Kontext sich immer mal wieder ändern kann. In Startups zu Beginn wird zum Beispiel meist alles in einem kleinen Team, also mit allen besprochen und beschlossen. Wenn das Unternehmen wächst, dann kommt schnell der Punkt, an dem es mehr Struktur braucht. Dann ist es meist nicht mehr praktikabel Entscheidungen immer mit allen zu treffen.

Vorteile und Nachteile bei der Entscheidungsfindung

Damit werden auch schon erste Vor- und Nachteile der beiden Pole ausschließend und beteiligend sichtbar.

Handeln wir eher ausschließend, also Entscheidungen werden von einem kleinen Kreis getroffen, dann:

  • erhöht es die Wahrscheinlichkeit, dass Entscheidungen überhaupt getroffen werden (können). Es geht meist schneller.
  • damit kann die Organisation leistungsfähiger und schneller werden.
  • außerdem reduzieren wir Komplexität in der Entscheidungsfindung, weil weniger Menschen beteiligt werden. Der schöne Spruch „viele Köche verderben den Brei“ ist hier ein Hinweis darauf.

Entscheiden wir eher einbindend, dann:

  • führt dies zu größerer Akzeptanz von Entscheidungen. Die Betroffenen sind beteiligt und werden gehört im Prozess.
  • damit kann die Umsetzung der Entscheidung harmonischer und einfacher erfolgen, weil die Stakeholder beteiligt waren.
  • ist die Entscheidung meist praxistauglicher, weil verschiedene Kompetenzen und Fachwissen gehört werden und damit sich die Wahrscheinlichkeit, dass wir gute Entscheidungen treffen.

Die Vorteile des einen Pols sind die Nachteile des anderen Pols.
Auf der anderen Seite kennt jeder vielleicht Gegenbeispiele.
Entscheidungen werden zwar von einem kleinen Kreis (also ausschließend) getroffen, dadurch wird dieser Personenkreis oder diese Person zum Flaschenhals. Damit werden die Dinge nicht schneller, sondern im Gegenteil. Wir warten auf den Flaschenhals. Bei vielen inhabergeführten Unternehmen kann dies ein Problem werden.

Ich kenne auch Organisationen, die viele beteiligen möchten, aber leider sind die Entscheidungen weder praxistauglicher noch erhöht sich die Akzeptanz. Dies liegt daran, weil die Gruppe keinen guten Prozess der gemeinsamen Entscheidungsfindung hat und sich irgendwann der oder die Vehementeste durchsetzt und die anderen entnervt aufgeben.

Daran sieht man schon, dass Entscheidungen in einer Gruppe zu treffen nicht trivial ist und es in dieser Hinsicht „früher“ in der Tat manchmal einfacher war, als klar war, dass der Chef (früher in der Tat meist männlich) entscheidet.

Warum in Teams oder Gruppen entscheiden?

Es gibt verschiedene Gründe, warum der Einzelentscheid durch den Chef heute oft nicht mehr funktional ist:

Auch auf die Gefahr hin, dass es sich nach Blabla anhört: Die Welt ist heute sowohl komplizierter als auch komplexer geworden und es ist in vielen Kontexten in einer Organisation einfach nicht mehr möglich für eine einzelne Person gute Entscheidungen alleine zu treffen.

Die Geschwindigkeit und Häufigkeit in der Entscheidungen getroffen werden müssen, hat sich technologiebedingt deutlich erhöht. Das führte dazu, dass Organisationen versuchen, Entscheidungen auf mehrere Schultern zu verteilen, um mit dem Tempo Schritt halten zu können.

Die Ungewissheit in vielen Situationen ist größer, dadurch müssen Firmen in kürzeren Abschnitten häufiger entscheiden und die Entscheidungen immer wieder anpassen. (Stichwort Agilität)

Deshalb ist in vielen Organisationen heute so, dass informell oder formal häufiger Gruppen eine Entscheidung treffen sollen und zwar Teams, die nahe am Geschehen sind. Manche Firmen bilden selbstorganisierte Teams mit der Erwartung, dass diese Teams alle notwendigen Entscheidungen für ihre Arbeit selbstständig treffen.

Damit bildet sich in einigen Unternehmen eine Kultur heraus, in der Menschen erwarten, dass sie in Entscheidungen mit eingebunden werden!

Mangelnde Klarheit beim Thema Entscheidungsfindung

Als Organisationsberater arbeite ich oft mit Unternehmen und Teams, die beim Thema Entscheidungen treffen Herausforderungen wahrnehmen oder schon wissen, dass sie etwas verändern müssen. Oft fehlt es jedoch an Klarheit oder fehlenden Vereinbarungen zur Frage welche Entscheidungen wie getroffen werden sollen und wer was entscheidet.

Eine Antwort auf diese Fragen ist nicht trivial. Schließlich braucht es Regelungen die grundsätzlich für verschiedene Kontexte funktionieren, in denen in der Organisation Entscheidungen getroffen werden müssen. Hier kann es zum Beispiel helfen zu unterscheiden zwischen operativen Entscheidungen und sogenannten Governance-Entscheidungen, also Vereinbarungen über die Regeln der Zusammenarbeit.

Oft kommt in den Diskussionen dann heraus, dass besonders Governance-Entscheidungen in einer Gruppe getroffen werden sollten, um die oben genannten Vorteile nutzbar zu machen.

Dann fehlt jedoch oft ein guter Prozess, wie die Gruppe gemeinsam entscheidet. Mit einem wilden Herumdiskutieren ist es nicht getan. Dennoch ist genau dies oft zu beobachten. Dadurch dauert es sehr lange, bis eine Entscheidung wirklich getroffen ist. Es besteht außerdem die Gefahr, dass eher Schwarmdummheit als Schwarmintelligenz entsteht und die Gruppe gemeinsam suboptimale Entscheidungen trifft. Eine anderes Risiko ist es, dass es einer Gruppe einfach nicht gelingt, eine Entscheidung zu treffen und daher eskaliert wird (sofern dies überhaupt möglich ist).

Verschiedene Methoden der Entscheidungsfindung

Die oben erwähnten wilden Diskussionen gehen meist immer davon aus, dass es das Ziel ist, einen Konsens zu erreichen. Also so lange zu diskutieren, bis sich alle einig sind. Dies ist jedoch weder immer sinnvoll noch immer notwendig.
Es gibt alternative Möglichkeiten Entscheidungen zu treffen, die stattdessen zum Einsatz kommen könnten.

Einige davon stelle ich unten stehend vor.

Generelle Aspekte von Entscheidungen

Vorweg möchte ich noch ein paar generelle Aspekte der Entscheidungsfindung betonen:

  • Jede Entscheidung hat Vor- und Nachteile. Es kommt äußert selten vor, dass es bei einer Entscheidung keinen Haken gibt.
  • Entscheidungen können für manche Menschen eindeutig zu Nachteilen führen. Nicht immer können alle „gewinnen“ oder alle völlig zufrieden sein.
  • Die Argumente für die verworfene Alternative können als Kritik an der getroffenen Entscheidung verwendet werden. Wenn ich für etwas kritisiert werde, dann weiß ich meist, dass ich eine Entscheidung getroffen habe.
  • Nicht zu entscheiden, ist auch eine Entscheidung. Auch diese hat Konsequenzen.
  • Es ist wichtig, dass sich die Menschen in einem Entscheidungsprozess angehört fühlen. Gleichzeitig kann es manchmal Gründe geben, Menschen nicht zu beteiligen.
  • Menschen können sich zu einer Entscheidung bekennen, die sie persönlich anders getroffen hätten (sofern sie gehört wurden im Prozess).

Mit diesen Aspekten im Hinterkopf kann ein Team und eine Organisation nun überlegen, welche Art der Entscheidungsfindung in welchen Situationen sinnvoll sein könnte.

Einige Optionen möchte ich nun vorstellen.

Konsultativer Einzelentscheid

Der konsultative Einzelentscheid ist eine abgewandelte Form eines Einzelentscheids (z.B. der Chef oder die Chefin entscheidet). Eine Gruppe bestimmt oder wählt eine Person, die die Verantwortung übernimmt, eine für alle bindende Entscheidung zu treffen. Dabei gibt es zwei Bedingungen: Die Person muss vor der Entscheidung

  • sich über die Sichtweise der Betroffenen informieren und
  • Menschen mit relevanter Erfahrung und Expertise hören.

Erst dann trifft die Person eine Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen, die dann für die Gruppe gültig ist.

Bei komplexen Entscheidungen ist dieses Vorgehen effizienter als eine Gruppenentscheidung. Die Annahme ist, dass die gewählte Person in der Lage ist, eine gute Entscheidung zu treffen. Zudem steht nicht von vornherein fest, wer die Entscheidung treffen wird, denn die Gruppe wählt je nach Kontext die Person, die am geeignetsten erscheint.

Konsens-Entscheidung

Den Konsens habe ich oben schon als den defacto Standard in vielen Teams erwähnt.
Wie der Name es sagt, wird in einer Gruppe so lange über einen Vorschlag diskutiert und angepasst, bis alle zufrieden sind und ihre Zustimmung geben: bis ein Konsens herrscht.

Ihr kennt das Vorgehen vielleicht aus eigener Erfahrung. Es kann extrem mühsam, langwierig und frustrierend sein, zu einem Punkt zu kommen, an dem alle zustimmen können. Manchmal lohnt es, den Prozess zu durchlaufen, manchmal ist es jedoch schlicht unmöglich, zu einem Ergebnis zu kommen. Beim Konsens kommt es weniger darauf an, aufgrund welcher Kriterien jemand Ja oder Nein sagt. Wichtig ist lediglich, dass alle am Ende Ja sagen.

Ich habe größere Gruppen erlebt, die aus lauter Frust aufgrund der Konsens-Suche die Regeln verändert und z.B. die Konsens-minus-drei-Regel eingeführt haben: Ein Vorschlag gilt als angenommen, wenn nicht mehr als drei Personen dagegen sind. Dies wurde schlicht aus der Erkenntnis geboren, dass es ab einer bestimmten Gruppengröße nicht möglich ist, mit vertretbarem Aufwand zu einem Konsens zu kommen.

Widerstandsabfrage

Anstatt zu prüfen, für welche Option es die größte Zustimmung gibt, wie beim Mehrheitsentscheid, wird bei der Widerstandsabfrage (auch systemisches Konsensieren genannt) geprüft, für welche Option der Widerstand am geringsten ist. Dies kann sinnvoll sein, um sehr stark polarisierende Vorschläge auszuschließen.

Man kann in diesem Fall mit einer Skala von 0 bis 9 arbeiten, damit der Grad des Widerstands ausgedrückt werden kann.

  • 0 = keinen Widerstand
  • 9 = sehr starker Widerstand

Die Widerstandabfrage kann mit der Konsententscheidung (siehe nächster Abschnitt) kombiniert werden. In diesem Fall werden alle Optionen konsentiert, bevor sie in eine Widerstandsabfrage gehen. Das ist von Vorteil, weil es sein kann, dass jemand keinen Einwand gegen einen Vorschlag hat, aber einen Widerstand.

Konsent-Entscheid

Der Konsent ist besonders geeignet für eine Gruppe von Gleichberechtigten, die gemeinsam eine Entscheidung treffen möchten, die Auswirkungen auf alle hat.

Die Konsententscheidung hilft, zügig zu entscheiden, obwohl – oder gerade weil – nicht alle Beteiligten derselben Meinung sind bzw. sein müssen. So bleibt die Gruppe handlungsfähig.

Konsent ist das Gegenteil von Konsens. Die Gruppe fragt, ob jemand einen begründeten Einwand gegen einen Vorschlag hat und ihm deshalb nicht zustimmen kann. Ein Vorschlag muss gut genug für den Moment, sicher genug für einen Versuch sein. Mit der Grundhaltung, dass Vorschläge angenommen werden, wenn es keinen berechtigten Einwand gibt, können wir leichter Entscheidungen mittragen, auch wenn wir selbst die Entscheidung vielleicht leicht anders getroffen hätten.

Die Konsententscheidung ist meiner Meinung und Erfahrung nach das Verfahren der Wahl für Gruppen, die eine Entscheidung treffen müssen. Es benötigt etwas Übung. Und manche Menschen müssen ihre Haltung verändern. Aber hat sich erstmal eine Routine entwickelt, kann sich die Schnelligkeit des Prozesses als auch die Qualität der Ergebnisse dramatisch positiv verändern.

Für alle die tiefer einsteigen möchten gibt es unten stehend ein Video, in dem ich den Konsent etwas detaillierter erläutere und ein Auszug aus meinem Buch „Werkzeuge für großartige Meetings“ zum Thema Konsent.

Ich weise darauf hin, dass der Konsent-Entscheid moderiert werden sollte und dass der Moderator Übung darin braucht, besonders, wenn es um die Behandlungen von Einwänden geht. Bei Kunden bilden wir deshalb regelmäßig Menschen darin aus, Konsent-Entscheidungen zu moderieren, z.B. im Rahmen unseres Trainings effektive Meetings und Entscheidungsfindung.

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Mehrheitsentscheid

Diese Form der Entscheidung ist vermutlich bekannt, kommt sie doch häufig zum Einsatz. Sie ist auch ebenso schnell beschrieben: Welcher Vorschlag auch immer die Mehrheit der Stimmen auf sich vereint, wird umgesetzt.

Es ist möglich, dass jemand lediglich einen Vorschlag präsentieren und prüft, ob die Mehrheit der Gruppe diesen unterstützt. Oder aber die Gruppe bespricht verschiedene Optionen und es wird dann darüber abgestimmt, welcher Vorschlag die meisten Stimmen erhält.

Es sind auch verschiedene Spielarten denkbar: Gibt es verschiedene Vorschläge, von denen einer gewählt werden muss, dann können die zur Wahl stehenden Vorschläge zuerst konsentiert werden, um zu prüfen, ob es einen Einwand gibt. Alle so veränderten Vorschläge kommen nun ins Rennen und es wird per Mehrheit entschieden, welche(r) am Ende angenommen wird. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass kein Vorschlag ins Rennen geht, der der Gruppe schaden würde.

Es gibt Gruppen, die bestimmten Personengruppen für die Mehrheitsentscheidung mehr als eine Stimme zuweisen, beziehungsweise deren Stimmen besonders gewichten.

Wie im Parlament kann man eine Mindestquote an Stimmen festlegen, die erreicht werden muss, damit die Mehrheit entscheidet. Also einfache Mehrheit oder Zweidrittelmehrheit.

Der große Nachteil bei der reinen Mehrheitsentscheidung ist, dass begründete Argumente meist wenig oder keine Rollen spielen. So können auch Vorschläge mit Mehrheit beschlossen werden und dabei wichtige Argumente übergangen werden.

Vielfältige Methoden der Entscheidungsfindung

Ich hoffe, ich konnte deutlich machen, wie vielfältig die Möglichkeiten für Gruppen sein können, als Gruppe Entscheidungen zu treffen.
Vielleicht hat der oder die eine oder andere ja Lust bekommen einmal mit anderen Formen der Entscheidungsfindung zu experimentieren.
In meiner Rolle als Organisationsberater hat sich in Kundenprojekten immer wieder gezeigt, dass es wichtig ist, gemeinsam Klarheit zu haben, wann wir wie entscheiden.