Die weltweite Verbreitung des Corona-Virus in den letzten Wochen bringt viele Unternehmen gezwungenermaßen dazu, Besprechungen und Treffen vor Ort zu überdenken. Erst in China, nun auch bei uns, arbeiten mehr und mehr Menschen – wenn möglich – aus dem Home Office. Auch wenn viele Tätigkeiten davon ausgeschlossen sind, so ist es doch auch eine Chance, zumindest einen Teil der Wertschöpfung außerhalb des Bürogebäudes zu erbringen.

Sobald Menschen zusammenarbeiten, müssen sie sich in der Regel koordinieren und gemeinsam Beschlüsse fassen. Dies findet häufig in Form von Besprechungen statt. Diese wiederum bedeuten bisher meist persönliche Treffen in einem gemeinsamen Raum. Auch wenn Menschen remote aus dem Home Office arbeiten, bleibt die Notwendigkeit bestehen, sich als Gruppe zu besprechen. So müssen nun Besprechungen häufiger online stattfinden. Online-Meetings haben Vor- und Nachteile, folgen grundsätzlich jedoch den gleichen Prinzipien wie persönliche Besprechungen. Dennoch gibt es einige Besonderheiten zu beachten, damit Online-Meetings produktiv ablaufen.

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Besonderheiten von Online-Meetings

Aus meiner Sicht sind Hauptunterschiede in der Praxis, dass trotz Videoübertragung die Teilnehmer nur eingeschränkt sehen oder nur Ausschnitte des relevanten Geschehens sehen. Einerseits können zwar über Screensharing oder virtuelle Arbeitsflächen Inhalte und Ergebnisse dokumentiert und visualisiert werden. Gleichzeitig fehlt oft ein Gesamtüberblick, wie dies mit Flipcharts und Whiteboards möglich ist. Es gibt einen Grund, warum zum Beispiel Kreativ- und Innovationsworkshops wie wir von creaffective diese oft moderieren, auch im Jahr 2020 fast ausschließlich persönlich in entsprechenden Räumen stattfinden.

Je mehr Teilnehmer an einer Online-Besprechung teilnehmen, desto herausfordernder wird die Koordination der Wortbeiträge, ohne dass alle durcheinanderreden.

Auch ist das Energieniveau ein anderes und Online-Formate sind anstrengender als gut moderiete persönliche Besprechungen.

Schließlich gibt es einige technische Anforderungen. Theoretisch ist viel möglich mit Audio-& Videoübertragung, gemeinsamen virtuellen Arbeitsflächen etc. In der Praxis vieler Unternehmen gibt es unterschiedliche Einschränkungen, Auflagen und Ausreden (von IT-Abteilung bis Betriebsrat), warum die technische Infrastruktur nicht vorhanden ist oder nicht freigegeben werden kann, so dass man am Ende im Zweifelsfall bei einer Telefonkonferenz landet. Diese ist für die meisten Fälle suboptimal und ich gehe für diesen Artikel davon aus, dass Menschen sich sehen können und Screensharing möglich ist.

Erfolgsfaktoren produktiver Besprechungen

Egal ob online oder persönlich, zentral ist, dass der Zweck der Besprechung klar ist.
In unserer Ausbildung zum Meeting Master unterscheiden wir drei wesentliche Kategorien von Besprechungsergebnissen:

  • Kategorie 1: Taktische Ergebnisse
    Hier geht es darum Informationen zu teilen, Informationen einzuholen oder um Zuarbeit im Rahmen definierter Vereinbarungen zu bitten. Es geht also um die Koordination im operativen Tagesgeschäft.
  • Kategorie 2: Kollaborative Ergebnisse
    Hier muss am Ende eine Gruppe eine Entscheidung treffen und einen Beschluss fassen. Wenn es bereits einen konkreten Beschlussvorschlag gibt, kann gleich der Prozess der Entscheidungsfindung beginnen.
    Wenn es noch keinen Vorschlag gibt, dann muss dieser in der Gruppe gemeinsam erarbeitet werden. Hierzu gibt es verschiedene Prozesse, wie dies ablaufen kann. Diese beschreiben wir auch in unserem aktuellen Buch Future Fit Company.
  • Kategorie 3: Gruppendynamische Ergebnisse
    Hier liegt der Fokus auf dem zwischenmenschlichen Bereich. Es geht darum, sich besser kennenzulernen, die Gruppendynamik zu steigern oder Konflikte zu adressieren oder zu lösen.
    Diese Kategorie von Ergebnissen ist grundsätzlich weniger geeignet für Online-Formate. Hier sind subtile Aspekte der Kommunikation relevant, die über den Online-Kanal meist verloren gehen.

Vor jeder Besprechung sollte also klar sein, was der Zweck der Besprechung ist, welche Kategorie von Ergebnissen wir erreichen möchten. Natürlich ist es denkbar, dass eine Besprechung mehrere Agendapunkte hat, die unterschiedlichen Kategorien zuzuordnen sind.

Weiterhin gibt es grundsätzliche Prinzipien für Besprechungen wie einander ausreden lassen, wirklich präsent zu sein oder das Konzept der Artful Participation (bei Interesse schreiben Sie uns ein Mail an info@creaffective.de, wir schicken Ihnen dann ein PDF-Kapitel aus unserem Buch Future Fit Company dazu zu).

Inhalte und Ergebnisse von Besprechungen sollten dokumentiert werden und für alle einsehbar sein. Wir von creaffective nutzen in unseren Tactical-Meetings (Kategorie 1) und Goveranance Meetings (Kategorie 2) spezielle Vorlagen in die wir alles eintragen und für alle auffindbar online ablegen. Dafür gibt es bei uns auch eine eigene Rolle des Secretary, die rotierend von einer Person ausgefüllt wird.
Zum Dokumentieren gehört auch, dass wir gemeinsam an Inhalten arbeiten können. Das kann persönlich in Form von Post-its und Flipcharts statt finden, oder online durch geeignete Software wie Google Docs, theoretisch Office 365 oder andere Konferenztools.

Last but not least sollte jede Besprechung von einem Facilitator moderiert werden, der sich um den Prozess der Besprechung und der einzelnen Agendapunkte kümmert und gegebenenfalls mit Moderationstechniken unterstützt. Ein Facilitator ist besonders für Online-Meetings relevant, um Struktur zu geben und die Redebeiträge zu koordinieren und sicherzustellen, dass alle teilnehmen und gehört werden.

Weitere Faktoren von Online-Meetings

Einige Kleinigkeiten können einen großen Unterschied für Online-Meetings machen:

Wenn sich zehn Personen aus zehn unterschiedlichen Orten zu einer Online-Besprechung einwählen gibt es potenziell zehn verschiedene Hintergrund- und Störgeräusche, die dann alle mithören müssen. Daher ist ein ruhiger Raum für die Teilnehmer wichtig oder zumindest sollten diese ihr Mikrophon stummschalten, wenn sie nicht sprechen.

Je mehr Personen an einer Online-Konferenz teilnehmen, desto herausfordernder ist die Koordination der Redebeiträge. Wir alle kennen das Phänomen, dass immer vier Personen gleichzeitig zu reden anfangen und sich dann gegenseitig ausbremsen, einfach deshalb, weil man einander nicht richtig sehen kann und sich nicht abstimmen kann. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten damit umzugehen, z.B. in dem der Facilitator die Redebeiträge steuert und er vorher z.B. über die Chatfunktion ein Signal bekommt.

Schließlich für Online-Meetings noch herausfordernder ist die Frage des wirklich präsent seins. Gerade wenn die Besprechung über den Computer statt findet, ist die Verlockung groß, Multitasking zu betreiben und nebenbei noch andere Programme offen zu haben. Leider hat Multitasking bei Menschen noch nie funktioniert.

Form follows function – auch bei Besprechungen

Grundsätzlich gilt, dass die Form der Besprechung dem Zweck angemessen sein sollte. Taktische Ergebnisse lassen sich hervorragend in Form von Online-Meetings erzeugen.
Kollaborative Ergebnisse können mit entsprechenden Dokumentationsvorlagen und dem richtigen technischen Setup auch gut funktionieren. Diese Art der Besprechung ist aus meiner Erfahrung jedoch deutlich anstrengender online durchzuführen.

Aus meiner Sicht nicht ideal sind Online-Besprechungen für gruppendynamische Ergebnisse. Hier fehlen einfach zu viele Sinneskanäle und Möglichkeiten, die im persönlichen Zusammentreffen möglich sind. Wenn es aber nicht anders geht, lassen sich natürlich auch hierfür Lösungen finden. Je nach Ausgangssituation werden diese anders ausfallen müssen.

Die Verbreitung des Corona-Virus ist nun für erst einmal eine Krise, vielleicht birgt diese aber auch Chancen für Arbeits- und Besprechungsmodelle.