Als Stereotyp für kreative Menschen müssen oft Künstler herhalten. Das Cliché von Künstlern ist dann ebenfalls oft, dass diese leicht bis mittelschwer chaotisch sind und vor allem auf die Inspiration zur Kreativität warten. Gleichzeitig verbinden wir mit Strukturiertheit eher weniger das Thema kreativ sein. Ich bin überzeugt davon, dass Kreativität und Struktur keine Gegensätze sind. Im Gegenteil: Struktur ist eine große Unterstützung für Kreativität! Ich habe in der Vergangenheit versucht, mich mit Künstlern und deren kreativen Schaffensprozessen tiefergehender zu beschäftigen. Bei den Künstlern (Twyla Tharp, Steven Pressfield, Haruki Murakami) die etwas geschrieben haben über die Art, wie sie arbeiten, wurde schnell offensichtlich, dass diese sehr diszipliniert und strukturiert sind. Es wurde beim Lesen auch klar, warum Disziplin und Struktur für Kreativität hilfreich sind, egal ob bei Künstlern oder Nicht-Künstlern.
Warum empfehle ich nun jedem, der kreativ arbeiten möchte, sich und seinen Tag zu strukturieren und zum Beispiel mit festen Zeiten oder Zeitintervallen zu arbeiten?
Zeit für Kreativität
Einerseits ist Kreativität etwas, dass man nicht erzwingen kann. Gleichzeitig erhöht eine bestimmte und geschützte Zeit während der ich kreativ sein möchte, die Wahrscheinlichkeit, dass ich tatsächlich kreativ bin. Das heißt ganz konkret, dass es hilfreich ist, sich im Kalender Zeit zu reservieren für kreative Arbeiten und Tätigkeiten. Wann die beste Zeit dafür ist, muss jeder selbst für sich herausfinden. Ob es sich immer um die gleiche Zeit handelt, zum Beispiel jeden morgen von 9 – 11 Uhr oder verschiedene Zeiten, ist auch abhängig davon, ob jemand so souverän mit seiner Zeit umgehen kann. Im Idealfall wird es ein festes Ritual und Geist und Körper gewöhnen sich an den kreativen Rhythmus. Ein weiterer Aspekt hier ist, dass ich vermutlich nie Zeit für Kreativität haben werde, wenn ich mir diese nicht reserviere. Es wird immer noch etwas dazwischen kommen, das gerade erledigt werden sollte. Ich erlebe dies gerade selbst mit meinen geplanten Buchschreibetagen für mein aktuelles Buchprojekt.
Lästiges loswerden
Neben Tätigkeiten, die wir gerne tun, gibt es auch Dinge, die uns lästig sind. Lästige Dinge haben zwei unangenehme Folgen: Wir tendieren dazu, sie aufzuschieben und sie belasten uns mental. Eine zeitliche Struktur kann mich auch dabei unterstützen, diese lästigen Dinge gezielt aus dem Weg zu räumen und den Kopf dann frei zu haben für andere Inhalte, zum Beispiel kreatives Arbeiten. So wie ich mir Zeit für kreatives Arbeiten reserviere, kann ich mir Zeit reservieren, die lästigen Tätigkeiten zu erledigen.
Weniger Unterbrechungen
Es gibt ein schönes Zitat mit unbekanntem Urheber: “Writing is 1% inspiration, 99% not getting distracted by the internet.“ Kreativität lebt zwar einerseits von zufälligen Eindrücken und Inspirationen, gleichzeitig braucht Kreativität auch Zeiten der Konzentration ohne Unterbrechungen. Unterbrechungen gibt es leider im Zeitalter von always-online immer mehr statt weniger. Seien das eingehende E-Mails, das Smartphone oder einfach nur Kollegen, die gerade etwas benötigen. Auch hier gibt es sehr hilfreiche strukturierende Methodiken wie zum Beispiel die Pomodoro Technik (https://de.wikipedia.org/wiki/Pomodoro-Technik), die mit festen Zeitintervallen arbeitet. Während eines Pomodoros geht es darum, sich nur auf eine Sache zu konzentrieren für einen Zeitraum von 25 Minuten und dabei nichts anderes zu machen. Nach 25 Minuten erfolgt dann eine kurze Pause, bevor es zum nächsten Pomodoro geht. Für mich persönlich führt diese Methode dazu, dass ich wesentlich produktiver bin als wenn ich über Stunden „vor mich hinwurstle“.
Im Idealfall kann diese Struktur oder der Einsatz von strukturierenden Methoden zu einer Gewohnheit werden, so dass ich nicht mehr darüber nachdenken muss.
Zum Thema Gewohnheiten der Kreativität habe ich mich kürzlich auch mit Julia Hager von der Universität Regensburg unterhalten (siehe Video).