Oft hören wir es: „Wir brauchen neue Ideen“, „Wir müssen das in Zukunft wirklich anders machen“. Besonders in Zeiten von unsicheren und sich schnell verändernden Märkten sei Innovation wichtiger denn je. In Unternehmen betont das Management immer wieder, wie wichtig neue und andere Ansätze seien und betont, dass neue kreative Ideen hoch willkommen seien. Wenn diese eingeforderten Ideen dann wirklich kommen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass diejenigen, die sie vorher eingefordert haben, die Ideen im wahrsten Sinne des Wortes zum Kotzen finden. Dies ist zumindest das Ergebnis einer Studie der Universität Pennsylvania, die bald veröffentlicht wird: „The Bias Against Creativity: Why People Desire But Reject Creative Ideas“.
In dieser mit über 200 Leuten durchgeführten Studie kam heraus, dass Menschen zwar explizit neue und originelle Ideen fordern, dann jedoch in der Tat nicht der Lage sind, die originellen Ideen als solche zu erkennen, sondern Assoziationen mit Übelkeit und Gift haben. Statt die neuen Ideen genauer zu betrachten, werden wieder die alt bekannten Vorschläge ausgewählt.
Wir müssen originelle Ideen als wertvoll anerkennen
Ein Fazit der Autoren der Studie: „Revealing the existence and nature of a bias against creativity can help explain why people might reject creative ideas and stifle scientific advancements, even in the face of strong intentions to the contrary. The field of creativity may need to shift its current focus from identifying how to generate more creative ideas to identify how to help innovative institutions recognize and accept creativity.“
Einerseits fordern wir Kreativität, andererseits lehnen wir kreative Ideen ab. Wichtig sei es daher für Organisationen Strategien zu entwickeln, Kreativität zu erkennen und zu akzeptieren.
Unser Gehirn versucht uns zu schützen und bringt uns dadurch in Gefahr
Die Gehirnforschung kann einiges dazu beitragen zu erklären, warum Menschen oft ablehnend gegenüber originellen Ideen reagieren. Jonah Lehrer hat in seinem Buch „How we decide“ diesem Thema mehrere Kapitel gewidmet. Ehemalige Teilnehmer eines unserer Kreativitätstrainings kennen, was nun folgt.
Das menschliche Gehirn verfügt über ein Gefahrenzentrum (auch Amygdala genannt), dessen Hauptaufgabe es ist, uns vor Gefahren zu schützen und unser Überleben zu sichern. Neue Informationen gleicht das Gehirn ständig mit bestehenden Erfahrungen ab, um zu erkennen, ob es sich dabei um eine mögliche „Gefahr“ handeln könnte. Dieser Abgleich passiert sehr schnell und unbewusst. Wenn eine neue Informationen (oder eine neue Idee) nicht mit unseren bestehenden Erfahrungen zusammen passt, erzeugt das Gehirn was wir als Bauchgefühl beschreiben würden, das hier etwas nicht stimmt. Je weiter eine neue Ideen von bestehenden Erfahrungen weg ist (je origineller eine Idee ist) desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Gefühl „hier stimmt was nicht“ besonders stark ausfällt. Dieses Gefühl kann sehr hilfreich und wichtig sein, besonders wenn es sich um bekannte Situationen handelt. Hier signalisiert und das Gehirn, dass etwas nicht stimmt und warnt und so vor möglichen Gefahren.
Im Hinblick auf neue und originelle Ideen ist diese Warnfunktion jedoch gefährlich, da neue Ideen per Definition nur unzureichend mit bestehenden Erfahrungen in Einklang zu bringen sind.
Statt neuen Ideen nur Probleme sehen
Ist dieser Warnmechanismus einmal aktiv, führt das dazu, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf den Teil der neuen Ideen richten, „der nicht stimmt“. Dies führt dazu, dass sich unsere Wahrnehmung einer originellen Idee nur auf die Probleme, die wir in einer Idee sehen verengt und wir Chancen und Möglichkeiten ausblenden.
Mit dem Appell der Forscher der oben vorgestellten Studie, Strategien zu entwickeln, die uns helfen, Kreativität zu erkennen und zu akzeptieren, hat sich die Kreativitätsforschung bereits beschäftigt. Eine sehr einfache, aber sehr wirkungsvolle Vorgehensweise, die wir auch in unseren Seminare vermitteln und die als Werkzeug in unseren Innovationsworkshops zum Einsatz kommt, ist es bei der Beurteilung einer Idee ganz bewusst zuerst nach dem Wert und den Chancen von neuen Ideen zu suchen, um die Wahrnehmung einer originellen Idee zu erweitern. „Probleme“ und „Gefahren“, die wir sehen werden als offenen Fragen formuliert, um im nächsten Schritt Ideen zur Lösung zu entwickeln.
Der Einsatz dieses Vorgehens hat mehrere Effekte:
Erstens, können wir so unsere natürliche Tendenz auf originelle Ideen einzuschlagen hinauszögern und bewusst auch andere Betrachtungsweisen einnehmen.
Zweitens, können „Probleme“, die es an neuen Ideen sicherlich geben kann konstruktiv bearbeitet werden, um die Erstidee systematisch zu verbessern.
So einfach das Vorgehen im Prinzip, desto – im wahrsten Sinne des Wortes – kontra-intuitiv ist es für viele Menschen. Das erklärt warum es neue Ideen oft so schwer haben, zeigt aber auch Strategien auf, wie jeder Einzelne und ganze Organisationen es schaffen können, Kreativität zu erkennen und am Leben zu lassen.
Teilnehmer unserer Seminare wissen auch, dass dies intellektuell schnell verstanden ist, jedoch nicht so einfach in der Umsetzung ist.