Morgens um 9:00 Uhr einstempeln abends um 17:00 Uhr ausstempeln, mittags 45 Minuten Pause und das jeden Tag. Private Mails dürfen Sie nicht checken, auf die Toilette gehen dürfen Sie dafür ohne zu fragen. Im Jahr gibt es 30 Tage Urlaub und mit spätestens 65 müssen Sie Rente.
Die aktuelle Ausgabe der Brand 1 bringt einige Beispiele von Menschen, die sich diese Art des Lebensstil-Designs (Tim Ferriss) nicht vorstellen können. Gut, das Beispiel war gerade etwas überspitzt. In vielen Unternehmen ist das viel lockerer, da dürfen Sie 60 Minuten Mittagspause machen, müssen weder ein- noch ausstempeln und dürfen / müssen dafür abends unbegrenzt länger bleiben. Auch nicht wesentlich attraktiver?

Einige Tendenzen deuten darauf hin, dass Unternehmen sich hier in der Zukunft umstellen müssen.

Mehr Flexibilität während der Arbeitsphase

Für viele jüngere Mitarbeiter ist dieses Korsett immer weniger attraktiv. Statt dessen wünschen Sie sich mehr Flexibilität und Freiheit. Viele möchten die so oft zitierte Weltreise nicht erst dann machen, wenn sie auf die 70 zugehen und womöglich körperlich nicht mehr in der Lage dazu sind, sondern mit Anfang 30. Hätten sie ja auch vorher machen können! Da war nur leider das Geld nicht da. Das Geld dafür haben sie jetzt, da sie gut verdienen.

Wenn es nicht eine längere Auszeit ist, dann wünschen sich viele ein flexibleres Arbeiten mit mehr Freiheit in Hinblick auf Arbeitszeit und Ort arbeiten. Das ist für Unternehmen natürlich schwierig umzusetzen, da Arbeits- beziehungsweise Anwensenheitszeit immer noch die einfachste Methode ist, Arbeit zu messen, auch wenn das bei vielen Tätigkeiten nicht sinnvoll ist.

Arbeiten bis in hohe Alter?

Menschen die eine Tätigkeit ausüben, die ihnen keine Freude bereitet, sehen sich den Ruhestand beim Eintritt in das Berufsleben herbei. Wie schrieb Reinhard Sprenger so schön: „Viele sind mit 18 gestorben und werden erst mit 80 beerdigt.“ Das ist meiner Meinung nach das eigentlich Schlimme: Nicht das lange Arbeiten, sondern eine Tätigkeit, die keine Freude macht.
Für andere, die Spaß an dem haben, was sie tun und es vor allem aus intrinsischer Motivation tun ist der Ruhestand der größte anzunehmende Unfall, bei dem einem quasi verboten wird, weiter etwas zu tun, das einem Spaß macht. Der Sohn von Richart von Weizsäcker beschrieb seinen Vater in einer Dokumentation auf Arte letzte Woche so: „Er ist wie ein Fahrrad, wenn es stehen bleibt, fällt es um.“

Wenn man den Berichten zum Thema glauben darf, werden wir in Deutschland länger arbeiten müssen, einmal deshalb weil wir immer älter werden und sich das Sozialsystem nicht mehr trägt, zum anderen weil es nicht genügend Junge gibt, die die Alten ersetzen können.

Neue Auszeit- und Ruhestandsmodelle in Unternehmen notwendig?

Im März hatte ich Gelegenheit bei einem Kunden einen Innovationsworkshop genau zu diesem Thema moderieren zu dürfen. Aufgrund der Geheimhaltungsverpflichtung darf ich keine spezifischen Details preisgeben. Für mich war es sehr spannend diesen Workshop zu moderieren, weil ich dieses Thema auch persönlich sehr interessant finde.

Organisationen haben es hier sicherlich nicht leicht: Hinsichtlich der Austrittsmodelle, gibt der Gesetzgeber ein relativ starres Regelwerk vor. Zusätzlich – und das ist gravierender – besteht in vielen Unternehmen eine Kultur, die neue Modelle nicht gerade erleichtern. Besonders bei Führungskräften gibt es oft Rollenvorstellungen, die es nicht gerade einfach machen, neue Modelle einzuführen. Zum Beispiel deshalb, weil es nicht dem Klischee des Leistungsträgers oder der Leistungsträgerin entspricht, wenn dieser plötzlich 6 Monate weg möchte oder weniger arbeiten möchte.

Trotz dieser Umstände bin ich begeistert, wie es der Gruppe gelungen ist, viele Möglichkeiten zu entwickeln, die sich auch umsetzen lassen.
Zwei Modelle, die nicht aus dem Innovationsworkshop stammen, möchte ich erwähnen.

Beispiel Arbeitszeitmodell: ROWE – Results Only Work Environment

In den USA wurde das Results Only Work Environment entwickelt, ein Arbeitszeitmodell bei dem es überhaupt keine festen Zeiten mehr gibt, weder hinsichtlich der Arbeitsdauer noch hinsichtlich der Anwesenheit. Zuerst eingeführt wurde es von Best Buy, um den hohen Fluktuationsraten der Mitarbeiter entgegen zu treten. Nun wurde dieses Modell auch in einer öffentlichen Verwaltung in den USA eingeführt.

Beispiel Lebensstil-Design: Stefan Sagemeister

Über das persönliche Modell des Designers Stefan Sagemeister habe ich schon einmal ausführlich berichtet (Artikel: Elementare Umformungen, den Lebensstil gestalten). Er hebt kurz gesagt die Dreiteilung des Lebens in die Phasen Ausbildung, Arbeit und Ruhestand auf, in dem er ähnlich wie Tim Ferris in seinem Buch 4 hour workweek die Ruhestandszeit in kleine Häppchen von einem Jahr zerlegt und diese über die Arbeitszeit verteilt. Sagemeister spricht von einjährigen Sabbaticals, Ferris von mehrmonatigen Mini-Ruheständen.

Ich kann mir vorstellen, dass bei vielen Leser beim durchlesen dieses Artikels, eine innere Stimme oft „ja, aber…“ gesagt hat. Einfach ist es sicher nicht, solche Modelle firmenweit oder persönlich umzusetzen, aber (!) es ist alles andere als unmöglich oder illusorisch.