Die Fakten: Es gibt in jedem ICE einen speziellen Bereich mit bahn.comfort-Plätzen. Diese sind nach den Werbebroschüren der Deutschen Bahn für Kunden mit bahn.comfort-Status gedacht, wenn diese nach einem Sitzplatz im ICE suchen. Die letzten Monate Bahnfahrt haben mir gezeigt, dass diese Plätze von den Fahrgästen als „nicht besetzt“ interpretiert werden und sofort besetzt werden, auch wenn es z.B. in einem Wagon noch wirklich nicht reservierte Sitzplätze gibt. Die speziellen Plätze für bahn.comfort-Kunden sind dann wertlos, weil der spezielle Status der Sitze von allen ignoriert wird. Dass es sich bei den meisten Personen, die diese Plätze belegen, ebennicht um bahn.comfort-Kunden handelt, sieht man bei der Fahrkartenkontrolle.
Theoretisch (für mich wirklich nur theoretisch) könnte man zwar mit seiner Bahncard wedeln und die Leute zum Verlassen des Sitzplatzes auffordern. Ich muss gestehen, mir fehlt dazu die Chuzpe, weil ich keine Lust habe, mit anderen über mein „Recht“ zu diskutieren oder zu streiten, und viele böse Blicke zu ernten. Pech gehabt könnte man sagen. Such dir halt einen anderen Platz! Ich glaube, dass die Deutsche Bahn ihren bahn.comfort-Kunden einen großen Gefallen täte und für höhere Kundenzufriedenheit bei diesen Kunden sorgen würde, wenn hier eine andere Lösung geschaffen würde.
Soviel zu den Fakten aus meiner Sicht.
Es handelt sich hierbei um ein typisches Beispiel für ein offenes Problem: Das grobe Ziel ist bekannt (bahn.comfort-Kunden sollen diese Plätze wirklich nutzen können), aber der Weg zu diesem Ziel ist nicht eindeutig vorgegeben.
Was ist das Problem?
Für Probleme mit offenem Ende lässt sich, wie Leser dieses Blogs wissen, ein Prozess der kreativen Problemlösung anwenden (siehe Bild).
Der Schritt der nun relevant ist, heißt Herausforderungen formulieren. Dieser Schritt ist dazu da, erst einmal das richtige Problem zu definieren. Dieser Schritt muss vom Eigentümer des Problems (also der Deutschen Bahn) mit ausgeführt werden. Die folgenden Ausführungen beziehen sich daher nur auf meine beschränkte Sicht. Die Deutsche Bahn sollte diesen unbedingt wiederholen. Für die Moderation eines entsprechenden Innovationsworkshops, in dem wir das Problem definieren und lösen, stehe ich natürlich gerne zur Verfügung :-)
Eine Methode, die uns hilft, Problemfragen zu generieren ist Aussagenstarter.
Anbei mögliche Problemfragen, die sich aufgrund der obigen Fakten stellen lassen:
- Wie könnten wir die bahn.comfort-Sitze so gestalten, dass Leute mit entsprechendem Status diese nutzen können?
- Wie könnten die bahn.comfort-Sitze so reserviert sein, dass diese nicht von Kunden ohne den entsprechenden Status besetzt werden?
- Wie könnten wir die Reservierung der bahn.comfort-Plätze so gestalten, dass bahn.comfort-Kunden einen Nutzungsanspruch geltend machen können?
- Wie könnten wir die bahn.comfort-Plätze so gestalten, dass diese nicht von Kunden ohne bahn.comfort-Status besetzt werden?
- Wie könnten wir die bahn.comfort-Plätze so gestalten, dass Kunden mit bahn.comfort-Status ihren Anspruch darauf leichter geltend machen können?
Aus diesen Möglichkeiten wähle ich die letztere:
Wie könnten wir die bahn.comfort-Plätze so gestalten, dass Kunden mit bahn.comfort-Status ihren Anspruch darauf leichter geltend machen können?
Frage klar? – Ideen entwickeln
Wenn die Frage einmal richtig definiert ist, ist der nächste Schritt in einem kreativen Problemlöseprozess, Ideen zur Lösung zu entwickeln. Ein paar Ideen möchte ich sammeln, vielleicht ist ja etwas für die Deutsche Bahn dabei. Die Auswahl und Bewertung, sowie die Weiterentwicklung hinzu umsetzbaren Lösungen muss unbedingt von der Deutschen Bahn erfolgen, dazu fehlt mir das Hintergrundwissen.
Nun geht es also los, ich nehme mir 20 Minuten und entwickle mit dem Einsatz verschiedener Kreativitätstechniken und unter Beachtung der Grundregeln der Ideenfindung ein paar Ideen zur Lösung:
Wie könnten wir die bahn.comfort-Plätze so gestalten, dass Kunden mit bahn.comfort-Status ihren Anspruch darauf leichter geltend machen können?
- Groß „nur für Kunden mit bahn.comfort-Karte“ auf die Sitze schreiben
- Die Plätze grundsätzlich als reserviert markieren und bahn.comfort-Kunden die Möglichkeit geben, irgendwo im Zug eine Reservierungsnummer auszulösen
- Den Kunden am Bahnhof die Möglichkeit geben mit Ihrer Bahncard am Automaten eine Sitzplatzreservierung in der bahn.comfort-Zone auszulösen
- bahn.comfort-Kunden erhalten vom Zugpersonal einen Platz zugewiesen
- Die Sitze als reserviert markieren und einen Kartenslot einbauen, wodurch die Reservierung frei gegeben werden kann
- Die bahn.comfort-Sitze mit Barcodescannern ausstatten, die über die Bahncard zu einer Sitzplatzreservierung führen
- Die Sitze als reserviert markieren, die Reservierung bei jedem Zughalt aktualisieren. Gleichzeitig steht eine Person des Zugpersonals beim Zughalt in der bahn.comfort-Zone und weist entsprechende Kunden auf Wunsch einen Sitzplatz zu
- Den ganzen bahn.comfort-Wagon ganz ans Ende des Zuges setzen und den Zutritt nur durch Vorzeigen einer entsprechenden Karte erlauben
- Die bahn.comfort-Sitze anders einfärben
- Größere Schilder anbringen, dass es sich um bahn.comfort-Sitze handelt
- Einen Türsteher einführen für den bahn.comfort-Bereich
- Die Schaffner beim Kontrollieren der Fahrkarten anweisen zu prüfen, ob es sich um bahn.comfort-Kunden handelt
- Am Eingang des bahn.comfort-Wagons einen Automaten aufstellen, an dem diese Kunden eine Reservierung auslösen können
- Ein System entwerfen, dass bahn.comfort-Kunden irgendwo im Zug einen Sitzplatz zuweist
- In der Nähe des bahn.comfort-Sitzes eine Halterung für die Bahncard anbringen, in der die Bahncard eingesteckt wird, so dass gleich sichtbar ist, wer bahn.comfort-Status hat und wer nicht. Dadurch fällt es leichter, einen Platz zu reklamieren.
- Sitzplätze werden blockiert, bis diese über eine bahn.comfort-Nummer ausgelöst werden
- bahn.comfort-Kunden können bei Betreten des Zuges eine SMS schicken mit der ICE Nummer und der Wagennummer. Darauf hin wird eine Reservierung ausgelöst und an den Kunden zurück geschickt.
- Bahncards und Sitze mit RFID-Chips ausstatten, um eine Reservierung im bahn.comfort-Bereich anzuzeigen
- Sitze, die nicht von bahn.comfort-Kunden besetzt sind, sondern von Kunden ohne bahn.comfort-Status oben in der Reservierungsanzeige farblich kennzeichnen
- Bei jedem Zughalt eine Durchsage im bahn.comfort-Wagen machen, dass die Sitze für bahn.comfort-Kunden reserviert sind
- Schaffner werden angewiesen für bahn.comfort-Kunden einen Platz zu suchen
- Die Anzahl der bahn.comfort-Plätze erhöhen
- Den bahn.comfort-Wagen ähnlich wie die DB Lounge zugangsbeschränkt machen
- An die bahn.comfort-Sitze irgend einen Gegenstand mit Schloss anbringen, der nur von bahn.comfort-Kunden entfernt werden kann
- Ähnlich wie im Flugzeug kurze Durchsagen bringen, die auf bahn.comfort-Sitze hinweisen
- Auf die Sitze ganz groß eine bahn.comfort-Gravur anbringen
- Ggf. freimachen auf die Sitze schreiben und dem bahn.comfort-Kunden beim Besteigen des Wagens einen Platz zuweisen
- Ein bahn.comfort-Hütchen auf die Sitze legen
- Die Sitzfläche ungemütlich machen, so dass die Sitze unattraktiv werden und bahn.comfort-Kunden mit einem Sitzkissen ausstatten
- Die Sitze mit Drucksensoren ausstatten und den Sitz anfangen lassen zu piepsen, wenn keine bahn.comfort-Karte eingeschoben wird
- Die Sitze mit schwachen Stromschlägen versetzen, die erst beim Einführen einer bahn.comfort-Karte unterbrochen werden
- bahn.comfort-Kunden mit einem Schlüssel ausstatten, der den Zugang zu den Sitzen ermöglicht
Jetzt war ich alleine. Mit einer Gruppe von 6 – 7 Leute bestehend aus Bahn-Vertretern und Kunden könnte man in 20 Minuten locker 150 Ideen entwickeln, wie das Problem wohl gelöst werden könnten.
Vielleicht sind ja unter den bestehenden schon Ansätze dabei, liebe Deutsche Bahn? Diese sollten nun systematisch bewertet und verbessert werden, damit wir am Ende zu einem Portfolio von ein paar wenigen umsetzbaren Lösungen kommen. Einige Denkwerkzeuge, die hierbei zum Einsatz kommen könnten, habe ich auf diesem Blog bereits vorgestellt.