Tagebuch eines Unternehmens in VUKA-Zeiten

Der zweite Teil unserer Reise

18.03.2020

Heute haben wir für glatte vier Stunden online gemeetet. Selbstverständlich waren da auch Pausen dabei, aber es war schon ganz schon lang. Da merke ich doch den Unterschied zum realen Treffen. Ich habe den Eindruck, dass das Sitzen vor dem Rechner auf ganz andere Weise schlaucht, als ein reales Treffen. Man muss sich mehr konzentrieren, man sitzt generell unbequemer, der Ton ist oft nicht ideal und man muss sich auf demselben Bildschirm auf unterschiedliche Inputs fokussieren (z.B. Videocall und geteilter Bildschirm). Außerdem sieht man sich selbst die ganze Zeit, was noch eine weitere zusätzliche Info für das Gehirn ist.

Wir starteten mit einem Check in. Das war sehr hilfreich für mich, da im virtuellen Raum zusätzliche Informationen wie Körpersprache oder Augenkontakt wegfallen. Außerdem ist mir aufgefallen, dass, wenn man sich live trifft, immer ein bisschen Small Talk stattfindet, bevor man ein Meeting startet. Im virtuellen Raum ist es eher üblich, dass man gleich loslegt. Es war schön, kurz von jedem zu hören wie es ihm oder ihr geht, wie die Lage uns persönlich gerade beschäftigt, und wie wir mit der Situation privat umgehen.

Dann haben wir da weitergemacht, wo wir neulich aufgehört haben. Heute waren auch Daniel und Nadine da, was es für mich runder gemacht hat. Jetzt sind wir alle auf demselben Stand. Wir haben weitere Informationen und Rechercheergebnisse vorgestellt und besprochen. Ein Punkt, der im Laufe des heutigen Meetings zentral wurde, war, zu beschließen ob, und wenn ja, in welcher Form wir Kurzarbeit beantragen. Um da hin zu kommen, sammelten wir als Erstes mögliche Fragestellungen, auf die wir Antworten, meist in Form von Ideen, haben wollen. Es kamen viele bunte Fragen auf, die es an der ein oder anderen Stelle sicherlich zu beantworten gilt. Wir starteten dann mit der Frage: Für welchen Zeitraum planen wir konkrete Maßnahmen?

Szenarien für eine unsichere Zukunft

Auf diese Frage entwickelten wir unterschiedliche Szenarien, die darstellen, wie sich die Lage durch die Krankheit und den daraus entstehenden wirtschaftlichen Konsequenzen weiterentwickeln.

Szenario 1:

Ähnlich wie in China, die waren 2 – 3 Monate außer Gefecht. Das würde für uns bedeuten, dass wir ab Mai / Juni mit Kunden sprechen könnten. Ggf. geht es erst im Juli wieder los. Wir wissen nicht, welche Angebote in welcher Form gefragt sind. Eine leichte Rezession wahrscheinlich.

Szenario 2:

Es bessert sich bis Ende April. Die Einschränkungen werden allerdings erst mit Verzögerung zurück genommen, z.B. Reisebeschränkungen. Das könnte bedeuten, dass die Einschränkungen erst im September / Oktober wieder aufgehoben sein werden.

Szenario 3:

Das Virus bessert sich und schlägt im Herbst wieder durch und es kommt zu einem neuen Ausbruch. Ein wirtschaftliche Rezession bis hinzu einer Weltwirtschaftskrise ist möglich.

Szenario 4:

Die Virussituation verbessert sich nicht und wir müssen das ganze Jahr mit Einschränkungen leben. Dazu kommt eine wirtschaftliche Rezession.

Szenario 5:

Zombie-Apokalypse. Falls wir nicht alle umkommen werden wir überleben, weiterkämpfen und eine neue Gesellschaft gründen!!!

Szenario 6:

Volle Kehrtwende, die Bevölkerung wird durchseucht, es werden nur noch die wirklich Kranken geschützt.

Szenario 7:

Es gibt noch in diesem Jahr einen Impf-Wirkstoff.

Szenario 8 (Hoffnung und Utopie):

Die Gesellschaft ändert sich komplett. Das ÖDP Wahlprogramm wird Realität. Es dreht sich zum Positiven.

Wie man an den Szenarien 5 und 8 sehr schön sehen kann, hatten wir trotz der ernsten Lage auch Spaß. Gerade in so einer Situation ist es für mich essenziell, den Humor nicht zu verlieren, oder ihn vor meinen Kollegen verstecken zu müssen. Da wir es gewohnt sind, zu divergieren, sind wirklich auch alle Gedanken aufgeschrieben worden, ohne Bewertung. Selbst wenn klar ist, dass die ein oder andere Option nicht weiterbearbeitet werden wird.

Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir uns voller guter Hoffnung jetzt erst einmal auf die ersten drei Szenarien fokussieren wollen, um alle weiteren Themen zu besprechen. Es ist uns eh allen klar, dass sich die Lage von Tag zu Tag, ja manchmal von einer Stunde zur nächsten ändern kann. Damit müssen wir umgehen.

Und nun?

Danach ging es ans Eingemachte. Wir sprachen an, wer sich vorstellen könnte in welchem Rahmen, ganz konkret wie viel weniger zu arbeiten, und damit eben auch weniger zu verdienen, um in Kurzarbeit zu gehen. Auch in diesem Moment, genau wie beim letzten Treffen, war mein Eindruck, dass sich jeder von uns frei, offen und ehrlich äußern konnte und geäußert hat. In diesem Moment verschwamm mal wieder die Grenze zwischen dem Beruflichen und dem Privaten jedes Einzelnen. Ich finde es so wertvoll, dass wir uns als ganzes Unternehmen damit auseinandersetzen, was es mit jedem einzelnen im Privaten auf finanzieller Ebene macht, wenn er oder sie weniger verdient. Was löst es rein praktisch aus? Habe ich dann noch genug, um die Miete zu zahlen? Was macht es mit mir auf emotionaler Ebene, wenn durch eine Kurzarbeit ein finanzielles Ungleichgewicht zwischen mir und meinem Partner entsteht? Was habe ich für fixe Verpflichtungen? Und so weiter, und so fort. Ich habe (mal wieder) das Gefühl, jeden Einzelnen von uns wieder etwas näher kennengelernt zu haben. Das ist schön und kompensiert die äußeren Umstände sehr.

Weitere Punkte sind offengeblieben. Die angesetzten vier Stunden verflogen dann doch im Nu. Nächten Montag geht es weiter.

Learnings aus der VUKA-Krise

Wichtige Learnings für mich aus dieser ersten komplett virtuellen online Session, bei der jeder wirklich vor seinem eigenen Rechner saß (aus privatem und aber auch beruflichem Interesse).

  • Ein Check- in ist essenziell, um ein Gefühl für die Grundstimmung im Raum zu bekommen.
  • Regelmäßige Pausen: dieses Mal haben wir nicht vorab abgeklärt, wie oft wir Pausen machen wollten. Wir haben sie bei Bedarf gemacht. Das möchte ich demnächst anders machen.
  • Ein Set-up mit mehr als einem Bildschirm ist sicher hilfreich, damit man seinen Fokus nicht immer bei allem gleichzeitig hat.
  • Ich möchte mir mal Gedanken darüber machen, wie man in Teams, die noch keine so tiefe Vertrauensbasis haben wie wir, einen ersten Schritt in die Richtung in einem online Setting schaffen könnte.

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