Wer regelmäßig zu den Themen Kreativität und Innovation liest, der hat in den letzten Jahren einen wahren Medienhype um die Methode Design Thinking feststellen können. Präsent in allen Zeitschriften und präsent auf allen Konferenzen wird Design Thinking als die Vorgehensweise zu mehr Innovation gepriesen.

Auch wir arbeiten in Projekten mit Design Thinking und geben auch Trainings dazu. Für viele Fragestellungen und vor dem Hintergrund, wie in vielen Unternehmen bisher Entwicklungsprozesse betrieben werden, ist Design Thinking sicherlich eine Bereicherung und kann großen Mehrwert schaffen.
Andererseits bekomme ich den Eindruck, dass Design Thinking als ein Allheilmittel für die Lösung aller Probleme gepriesen wird und ganz wie das Sprichwort vom Hammer als einzigem Werkzeug, dann als Methode zur Bearbeitung jeder Fragestellung zum Einsatz kommt.

Dass Design Thinking diesen Anspruch nicht erfüllen kann und daher viele enttäuschen wird, schrieb Bruce Nussbaum ein früher Verfechter von Design Thinking bereits vor einigen Jahren in seinem Artikel „Design Thinking Is A Failed Experiment. So What’s Next?„.

Design Thinking ist ein Modell eines kreativen Prozesses und damit eines von mehreren Modellen, wie zum Beispiel auch das ebenfalls aus den USA stammende Creative Problem Solving Modell oder die aus der ehemaligen Sowjetunion stammende TRIZ Methodik. Creative Problem Solving hat dabei eine deutlich längere Forschungshistorie und beruht seit seiner Entwicklung in den 1950er auf den gleichen Prinzipien, die auch heute das Design Thinking nutzt und die von den Design Thinkern angepriesen werden.

Gemeinsamkeiten der Modelle

Gemeinsam ist beiden Vorgehensweisen die strikte Trennung von divergierendem und konvergierendem Denken. Die Entwicklung von Optionen von der Bewertung mental zu trennen ist damit eine Grundvoraussetzung dafür, dass Kreativitätsprozesse wie Design Thinking und Creative Problem Solving sinnvoll zum Einsatz kommen können.

Ebenfalls gemeinsam ist beiden Ansätzen ein schrittweises Vorgehen auf der einen Seite und ein iterativer Ansatz auf der anderen Seite. Da bei jedem kreativen Prozess immer eine Menge Unsicherheit im Spiel ist, kann es notwendig werden, während des Kreativprozesses einen Schritt zurück zu gehen und nach Alternativen zu suchen. Beide Prozessmodelle können mit verschiedenen Techniken angereichert werden, die im Verlauf des Prozesses zum Einsatz kommen. Da Design Thinking und Creative Problem Solving in ihren Grundlagen sehr ähnlich sind, können fast alle Techniken auch in beiden Verfahren zum Einsatz kommen. Unser Buch Denkwerkzeuge der Kreativität und Innovation zeigt daher auch auf, wie, wann und wo Innovationstechniken in beiden Prozessen zum Einsatz kommen.

Die Unterschiede

Der größte Unterschied zwischen den beiden Modellen ist der Fokus: Design Thinking ist nutzerzentriert, Creative Problem Solving ist klientenzentriert oder auftraggeberzentriert. Design Thinking kommt historisch aus der Entwicklung neuer Produkte und stellt daher den Nutzer eines Produktes oder einer Dienstleistung und dessen Bedürfnisse in den Mittelpunkt und als Ausgangspunkt aller Überlegungen. Damit eignet Design Thinking sehr gut als Vorgehen zur Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen für die ein Nutzer eine große Rolle spielt. Die große Stärke des Design Thinkings ist dann auch die emphatische Beobachtung von Nutzern im Kontext der Nutzung eines Produktes oder einer Dienstleistung, um daraus Bedürfnisse abzuleiten.
Creative Problem Solving ist generischer und stellt den Auftraggeber und dessen Herausforderung in den Mittelpunkt und versucht Lösungen auf dessen Problem zu finden. Damit können auch Themen bearbeitet werden, für die es erst einmal keinen Nutzer gibt, der beobachtet werden muss und an dem alles ausgerichtet werden muss. Dass können zum Beispiel rein technische Herausforderungen sein, oder Fragen aus Marketing und Vertrieb, die für ein Produkt oder eine Dienstleistung relevant sind, bei welchen es aber nicht per se um einen Nutzer geht. Auch haben wir es oft mit Prozessthemen zu tun, bei welchen die Herausforderung ist bestimmte Prozesskosten zu erreichen oder zu senken. Auch hierfür ist Design Thinking nicht das Mittel der Wahl.

Aufgrund der starken medialen Aufmerksamkeit die Design Thinking erfährt, stelle ich manchmal fest, dass Kunden mit Anfragen auf uns zukommen, die sie mit Design Thinking bearbeiten möchten, obwohl der Prozess nicht das richtige Vorgehen dafür ist. Es ist allerdings unternehmensintern gerade en vogue, Design Thinking zu nutzen. Wenn wir daher offene Trainings in München anbieten oder Innovationsmoderatoren ausbilden, dann nutzen wir normalerweise das Creative Problem Solving Verfahren (oder mittlerweile eher das Systematic Creative Thinking als eine Weiterentwicklung), weil damit eine größere Bandbreite an Themen behandelt werden können.

Voraussetzungen für das Gelingen

Wichtig für beide Prozesse ist das Verständnis dafür, dass es nicht nur der Prozess ist, den man einfach anwenden oder abspulen muss und schon finden sich Lösungen. Damit Innovationsprozesse gelingen können, muss im Unternehmen auch eine Kultur vorhanden sein, welche die Anwendung der Prozessmodelle und deren Grundprinzipien im täglichen Tun zulässt. In unserem kostenlosen E-Book Innovationskultur entschlüsselt haben wir uns mit diesen anderen Faktoren beschäftigt.