In der gestrigen Ausgabe des Handelsblatts (1.3.2010) ist ein ökonomischer Gastkommentar von Fredmund Malik erschienen: „Fünf Irrtümer stehen vielen Innovationen im Wege“. In diesem Kommentar legt der St. Gallener Professor fünf Irrtümer dar, denen zu viele Unternehmen aufsäßen und deshalb oft mit Innovationsprojekten scheiterten.
Diese Irrtümer sind:
- Innovation entsteht in Forschungslaboren und Entwicklungsabteilungen.
Dies sei nicht so, im Gegenteil „Innovation hingegen muss kompromisslos vom Markt her definiert werden … Die Schlüsselfrage muss vielmehr lauten ‚Was wäre zu tun, und was ist erforderlich, um diese Entwicklung, Erfindung oder Entdeckung erfolgreich in den Markt zu bringen?'“ - Kreativität sei wichtig
Dahinter stecke die falsche Annahme, dass „es im Unternehmen einen Mangel an Ideen“ gebe. Das Problem sei nicht der Mangel an Ideen, sondern der Mangel an realisierten Ideen. - Nur kleine Unternehmen seien innovativ.
Laut Malik sind kleine Unternehmen zwar gute Sprinter, d.h. sie kommen schnell bis zur Prototyp-Phase, aber dann sieht es oft schlecht aus. Das liege daran, dass diese kleinen Unternehmen schlecht finanziert und schlecht geführt seien. - Innovation habe vorzugsweise mit Hochtechnologien zu tun.
Auch hier gebe es viele Möglichkeiten zu Innovation in nicht technischen Feldern. - Zum Innovieren brauche man einen bestimmten Persönlichkeitstyp, „nämlich, den initiativen, kreativen, unternehmerischen und risikofreudigen Pionier.“
Das sei der größte Irrtum, denn die meisten Pioniere waren vor allem Menschen die ihr Handwerk beherrschten und sich durch systematische Arbeitsweise auszeichneten und genau das könne man von Ihnen lernen.
Der Kommentar legt sicherlich den Finger in die eine oder andere Wunde und enthält viele aus meiner Sicht richtige Argumente. Meine zweideutige Überschrift zeigt, dass ich diesen Irrtümern nicht völlig zustimmen kann.
Irrtum 1: Innovation entsteht in Forschungslaboren und Entwicklungsabteilungen
Herr Malik schreibt, dass Innovation kompromisslos vom Markt definiert werden muss. Wenn Innovation als das Einführen eines neuen und nützliches „Produktes“ in einen Marktverstanden wird, dann kann Innovation per Definition nur vom Markt als solche definiert werden. Der Markt entscheidet, ob es sich um eine Innovation handelt oder nicht, da er die Nützlichkeit beurteilt. Die große Frage aus meiner Sicht ist, ob Unternehmen bei der Schaffung von Innovation ausschließlich – oder kompromisslos wie Malik schreibt – aus der Sicht des Marktes heran gehen sollten. Das bekannte Zitat von Henry Ford zeigt, dass der Markt nicht unbedingt eine spätere Innovation erkennt oder auch nur fordert. Die meisten Marktteilnehmer bewegen sich mental im Paradigma des bisher bekannten.
Ich habe einige Innovationsworkshops moderiert, wo man sich von der anderen Seite her genähert hat und wo es sehr viel Sinn macht in Entwicklungsabteilungen einmal zu überlegen, wie etwas wirklich neues Aussehen könnte. Allerdings – und da hat Herr Malik völlig recht – muss dann möglichst schnell die Marktakzeptanz getestet werden und die Sicht des Marktes eingebunden werden. Daher ist es richtig, sich dann zu fragen, wie eine Entwicklung erfolgreich in den Markt gebracht werden kann.
Irrtum 2: Kreativität ist für Innovation nicht wichtig
Hier sitzt Herr Malik einem Irrtum über Kreativität auf, dem leider viele aufsitzen. Kreativität wird in seinem Kommentar reduziert auf das Generieren von Ideen. Diese Sicht ist zwar verbreitet, aber greift viel zu kurz und entspricht nicht dem, was die Kreativitätsforschung in den letzten 50 Jahren hervorgebracht hat. Kreativität ist die Fertigkeit ein neues und nützliches materielles oder immaterielles Ergebnis hervorzubringen. Kreativität ist nicht beschränkt auf das divergierende Denken, d.h. dem Entwickeln von Optionen.
Kreativität ist unter anderem auch ein Prozess der beginnt mit der Definition einer sinnvollen Ausgangsfrage und der diese Frage beantwortet, in dem ein neues und nützliches Ergebnis geschaffen wird. Dazu habe ich bereits dutzende von Artikel hier veröffentlicht. Die Entwicklung von Ideen ist nur ein Element, das divergierende Denken ein Aspekt davon. Genauso wichtig ist die andere Seite, nämlich das Auswählen und weiter entwickeln dieser Ideen hinzu belastbaren Lösungen. Hier genau krankt es aus meiner Erfahrung in vielen Unternehmen. Diese bleiben im Stadium der Ideen stehen, wobei Idee definiert wird als ein möglicher Ansatz ein Problem zu lösen. Und genau deshalb sind die von Malik abgelehnten Kreativitätstrainings und Kreativitätstechniken so wichtig, weil es hier darum geht von einer Idee zur einer realisierbaren Lösung zu kommen. Hier wiederum stimme ich völlig zu. Günter Faltin hat es in seinem Buch Kopf schlägt Kapital schön beschrieben. Das Ideenkind muss weiter entwickelt werden und nicht lediglich als gegeben hingenommen werden.
Irrtum 3: Nur kleine Unternehmen sind innovativ
Ich stimme zu, dass dem nicht so sein muss. Dennoch gehen viele große Unternehmen genau den Weg, für Innovationsprojekte Ausgründungen zu schaffen, die sich vorbei an den großen und komplexen Organisationsstrukturen schneller bewegen können. Es ist durchaus so, dass große und gewachsene Strukturen Innovation nicht unbedingt förderlich sind. Nach Malik seien kleine Unternehmen außerdem oft nicht ausreichend finanziert. Wenn wir uns im Hochtechnologie-Paradigma befinden, das Malik selbst als Irrtum Nr. 4 bezeichnet, dann ist dieses Argument sicher richtig. Um nochmal auf Faltins Buch Kopf schlägt Kapital zurück zu kommen. Innovation außerhalb des Hochtechnologiefeldes braucht oft erstaunlich wenig Kapital, wenn man genug Zeit in die Entwicklung der Ideen steckt. Hier wiederum braucht es die Kreativität.
Irrtum 4: Innovation hat vorzugsweise mit Hochtechnologien zu tun
Ich stimme völlig zu, das dem nicht so ist. Innovation ist lediglich die Einführung eines neuen und nützlichen Ergebnisses in den Markt und das ist nicht auf Hochtechnologie beschränkt.
Irrtum 5: Innovation braucht einen bestimmten Persönlichkeitstyp
Laut Malik muss dieser nicht unbedingt initiativ, kreativ und unternehmerisch sein, sondern vor allem sein Handwerk beherrschen und systematisch sein.
Die meisten Innovation sind keine Einzelleistungen sondern Teamleistungen! Hier zeigt die Forschung sehr klar (vgl. Min Basasur, Gerard Puccio), dass für die kreative Lösung eines Problems unterschiedliche Präferenzen braucht. Dazu gehört sehr wohl und ausdrücklich der initiative, entwickelnde und unternehmerische Geist. Dieser alleine wird aber womöglich in der Phase der Erstideen stecken bleiben. Deshalb braucht es genauso einen optimierenden, weiter entwickelnden Typus und am schließlich einen umsetzenden und organisatorisch starken Typus. Diese Kombination macht es.
In meinen Innovationsworkshops zeigt sich immer wieder, dass der systematische Fachkenner zwar notwendig aber definitiv nicht hinreichend ist.