Gestern hat mich eine Frage erreicht, die ich nun anonym vorstellen möchte:
„Ich mache mir zur Zeit Gedanken über die Bewertbarkeit von Kreativität und dachte mir, dass Sie vielleicht einige Ideen haben oder Literatur dazu empfehlen können.
Die Definitionen zielen meist auf den Aspekt -Neu- ab. Aber für einen Bewertungsbogen kann das doch nicht ausreichen, um eine Idee bzw. die Lösung eines Problems als kreativ einzustufen.
Genauer gesagt möchte ich eine Gruppe von Leuten befragen, wie oder ob sie ein Design-Produkt als kreativ bewertet.
Vielleicht haben Sie einen Vorschlag nach welchen Kriterien und Fragen man eine Bewertung durchführen könnte.
Ich bin mir zudem nicht ganz sicher, ob man z.B. auch eine Trennung zwischen Idee und Umsetzung vornehmen kann bei der Bewertung. Wenn diese Trennung möglich ist – ist dann die Person die beides (Idee und Umsetzung) gemacht hat nur kreativ, wenn beides als kreativ bewertet werden kann, oder auch schon wenn nur ein Aspekt als kreativ gilt?“
Das ist eine sehr spannende Frage, über dich bis jetzt noch wenig wissenschaftlich recherchiert habe.
Wenn Sie Kreativität im Rahmen eines wissenschaftlichen Vorgehens bewerten wollen sehe ich zwei Schritte: Zuerst muss der Begriff Kreativität konzeptionalisiert werden, d.h. Sie benötigen eine für Ihre Arbeit gültige Definition von Kreativität.
In einem zweiten Schritt müsste das Konzept der Kreativität operationalisiert werden, d.h. Sie müssen Messkriterien festlegen, anhand derer Sie entscheiden, ob etwas als kreativ einzustufen ist, oder nicht.
Definition von Kreativität.
In früheren Posts habe ich mich mit dem Kreativitäts-Konzept von Prof. Holm-Hadulla beschäftigt, der sich mit den Bestandteilen und Voraussetzungen von Kreativität befasst, nicht aber mit deren Messung und Bewertung. Am Anfang von Teil 1 dieses Posts habe ich eine Definition von Kreativität gebracht:
Kreativität bezeichnet die Fähigkeit intelligenter Lebewesen, neue und ungewöhnliche Lösungen für Problemstellungen zu finden. Voraussetzung für Kreativität ist die Fähigkeit, Dinge und Vorgehensweisen frei und neu kombinieren und entwickeln zu können. Ein wesentlicher Bestandteil ist oft die Fähigkeit, produktiv gegen Regeln zu denken und zu handeln (also: nicht nur zu kombinieren) und damit auch neue Regeln aufzustellen.
Auch in dieser Definition schwingt wieder das Neu-sein mit, aber ich denke nur weil etwas neu oder anders ist, ist es noch nicht als kreativ zu bezeichnen, aber das ist Definitionssache. für viele Menschen ist dieses Kriterien neu und anders bereits ausreichend, um etwas als kreativ einzustufen. Wenn ich mich nun entschließe, das rote Licht der Ampel durch ein blaues Licht zu ersetzen, dann ist das zwar neu und ungewöhnlich, nicht aber kreativ.
Was in der obigen Definition auch anklingt, – und das ist meines Erachtens besonders wichtig – das, was die kreative Handlung hervorbringt, muss nicht nur neu oder ungewöhnlich sein, es vor allem einen Mehrwert gegenüber Bestehendem bieten. Hierzu könnten Bücher von Edward deBono (z.B. lateral thinking) sehr hilfreich sein, der dazu sehr viel geschrieben hat.
Was ein Mehrwert ist, ist höchst subjektiv und wird sich nur selten mit objektiven Kriterien feststellen lassen. Wenn ich Ihre Frage richtig verstehe, geht es ja auch darum einen vergleichbaren Fragekatalog zu entwickeln, mit dessen Hilfe die subjektive Einschätzung zur Kreativität eines Produktes erfasst werden kann.
Anhand dieser Kriterien (neu/ungewöhnlich und Mehrwert schaffend) würde ich Kreativität konzeptionalisieren. Ich bin mir selbst noch nicht ganz sicher, wie trennscharf neu und ungewöhnlich sind und ob man diese Kriterien trennen müsste. Wenn etwas neu ist, dann wird es wohl auch als ungewöhnlich bezeichnet werden. Wenn etwas ungewöhnlich ist, muss es nicht unbedingt neu sein, aber vielleicht in einem bestimmten Kontext schon.
Anhand dieser Kriterien könnte man das mittels eines Fragebogens (jetzt einmal aus der Hüfte geschossen) auch abfragen, indem man Menschen bittet das Designprodukt anhand der Kriterien neu/ungewöhnlich und Mehrwert schaffend zu bewerten. Interessant wäre es dann auch noch zu erfahren, warum etwas als ungewöhnlich eingestuft wird und wo die Befragten die Mehrwert des Produkts sehen.
Vielleicht haben ja andere Leser noch Meinungen, Wissen und Literaturempfehlungen.
Trennung von Idee und Umsetzung
Bei der Trennung von Idee und Umsetzung kommen wir noch einmal in ganz andere Gewässer. Grundsätzlich glaube ich, dass Ideen nicht danach bewertet werden, ob diese kreativ sind, sondern, ob diese einen Mehrwert bieten und ob diese umsetzbar sind. Wie gesagt, ich glaube, Kreativität ist kein Selbstzweck, niemand wird sagen, ich möchte eine kreative Lösung. Es geht vielmehr darum, dass die Lösung einen Gewinn im Vergleich zu anderen darstellt und das lässt sich eben oft durch eine kreative Lösung erreichen. Einige Ansätze zur Ideenbewertung habe ich in meinem Post über Brainstorming beschrieben.
Ideen sind zwar immer nett, nützen aber wenig, wenn sie nicht umgesetzt werden. Besonders die Umsetzung ist dabei das Schwierige. Möglicherweise stellt sich bei der Umsetzung heraus, dass das alles gar nicht so funktioniert, wie in der Idee angedacht und heraus kommt etwas völlig anderes. Deswegen glaube ich, dass das Endprodukt, also die Umsetzung danach bewertet werden sollte, ob es kreativ ist oder nicht.