Wer braucht Innovation?
Innovation wird als Buzzword durch die Gegend geschmissen, als ob es alle wirtschaftlichen Probleme lösen könnte. Ist Innovation das Heilmittel schlechthin? Wenn Wettbewerb die Triebfeder der Wirtschaft ist und sich Unternehmen durch neue Produkte und Dienstleistungen, Prozesse und Geschäftsmodelle von der Konkurrenz absetzen, dann ist Innovation weniger ein Heilmittel als ein Eckpfeiler des freien Markts. Dass der Begriff erst jetzt so stark thematisiert wird, liegt vermutlich an der enormen Beschleunigung der technologischen Veränderung und der Möglichkeiten.
Innovation ist also kein „Geheimtipp“, mit dem man besser wirtschaftet, sondern eine Grundvoraussetzung, um erfolgreich im Markt zu bleiben. Gleichzeitig verfolgen Unternehmen, wenn sie in irgendeiner Form innovativ tätig sind, unterschiedliche Ziele. Und wie bei jedem Vorhaben ist es unerlässlich, sich über seine Ziele im Klaren zu sein, bevor man loslegt.
Die Maschine tunen
Die erste Zielsetzung ist der täglichen Verbesserung von Arbeitsabläufen und Prozessen. Sie wird häufig noch nicht mal unter dem Begriff Innovation wahrgenommen und fällt eher in den Bereich „kreative Problemlösung“. Auch Methoden des Qualitätsmanagements wie Six Sigma sind hier anzusiedeln.
Dabei ist das Potential enorm: Das Kerngeschäft beruht auf effizienten, effektiven Abläufen. Wer hier Möglichkeiten der Verbesserung nutzt, kann die „Performance Engine“ tunen. Schwierig wird es, wenn Prozessänderungen bürokratische Abstimmung erfordern und mit eventuellen Compliance-Richtlinien in Konflikt geraten. Daher tun sich Konzerne mit dieser Art der Innovation eher schwer. Organisationssysteme wie Agiles Projektmanagement und Holacracy setzen im Prinzip bei diesem Thema an. Die Struktur baut auf selbst-organisierten Teams auf und nutzt gibt Kanäle und Prozesse für die Identifikation und Beseitigung von Ineffizienzen.
Produktinnovation
Die Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen, egal ob nutzer- oder technologiezentriert, ist das, was meistens unter Innovation verstanden wird. Die Ziele: Eine stärkere Position im Wettbewerb, die Erschließung neuer Kundengruppen, bessere Margen auf die Produkte.
Ein Fokus auf diese Art der Innovation ist legitim und wichtig, weil es den Profit des Kerngeschäfts erhöht und die Überlebenschancen im Markt erhöht. Produktinnovation ist einigermaßen gut skalierbar; man kann Kosten-/Nutzen-Rechnungen aufstellen und in gewissen Grenzen vorherplanen. Das einzige Problem: Wenn das Kerngeschäft wegbricht, weil das Geschäftsmodell durch disruptive Innovation angegriffen wird, hilft auch Produktinnovation nicht.
Erneuerung der Geschäftsmodelle
Geschäftsmodellinnovation ist ein schwieriges Feld für etablierte Unternehmen. Man muss sich aus seiner Komfortzone herausbewegen und Wissen und Erfahrung sammeln, bevor man wirklich „Fahrt aufnehmen“ kann. Außerdem kann diese Form der Innovation nur sehr begrenzt innerhalb des bestehenden Kerngeschäfts betrieben werden. Kultur, Strukturen und Prozesse des Kerngeschäfts sind auf die etablierten Geschäftsmodelle gemünzt. Alternative Denkweisen werden automatisch bekämpft wie ein eindringender Virus, der den Blutkreislauf (in dem Fall die Effizienz des Kerngeschäfts) bedroht.
Die grundlegende Herangehensweise für die Entwicklung von innovativen Lösungen funktioniert prinzipiell bei allen diesen Arten der Innovation. Prozesse wie Creative Problem Solving und Design Thinking lassen sich auf verschiedene Herausforderungen anwenden. Selbst Konzepte wie Lean Startup, die in der Entstehung an die Entwicklung von Geschäftsmodellen geknüpft waren, sind auf Produkte allgemein übertragbar. Gleichzeitig erfordern die oben beschriebenen Anwendungen von Innovation unterschiedliche Umfelder und Strukturen. In einem starren, bürokratischen System ist tägliche Kreativität kaum möglich. In feste Prozesse gegossene Innovationsprozesse, wie sie bei der Weiterentwicklung von (beispielsweise) Automodellen zum Einsatz kommen, sind zu stark im momentanen Kerngeschäft verwurzelt, als dass sie sich auf Geschäftsmodelle anwenden ließen.
Die Lektion aus alldem ist also: Wer dauerhaft erfolgreich innovieren möchte, der muss sich Gedanken machen, welche Bereiche der Innovation er vorantreiben möchte. Und für jeden dieser Bereiche müssen bestimmte Voraussetzungen geschaffen werden, damit Innovationsversuche nicht an internen Hürden scheitern.