Autoren: Thomas Schumacher , Dr. Alan Hansen
Creative business idea
Als Berater, Moderatoren und Coaches beobachten wir häufig, dass sich das Thema Innovation & Innovationsmanagement so gut wie ausschließlich auf Produktebene und damit meist nur in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen (F&E) abspielt. Ein Grund dafür ist sicher, dass mit Produktinnovationen die Hoffnung auf schnellen, direkt spürbaren monetären Nutzen verbunden ist. Vielen Produktideen, die zu Innovationen werden sollen, fehlt aber häufig der komplette „Unterbau“ damit sie am Markt oder im Unternehmen als Innovation wahrgenommen werden und erfolgreich sind. Eines der größten Missverständnisse im Innovationsmanagement ist die Tatsache, dass eine Produktidee, die zu einer erfolgreichen Produktinnovation werden soll, nicht nur in einem F&E Umfeld entwickelt wird, sondern darüber hinaus auch produziert, vermarktet, vertrieben, verteilt und verwaltet werden muss. Es reicht also bei Weitem nicht aus, nur einen optimierten Innovationsprozess im Unternehmen aufzusetzen und dabei die sozio-technischen Neben-, Rück- und Fernwirkungen außer Acht zu lassen. Es bedarf heute mehr als ein, aus technologischer Perspektive, innovativ erscheinendes Produkt auf den Markt zu bringen. Durch verschiedenste andere Innovationsarten lassen sich auch um das Produkt herum zusätzliche Mehrwerte für Kunden, Mitarbeiter und Stakeholder schaffen. Ein Unternehmen und dessen Erfolg hängen heute von vielen verschiedenen Faktoren ab, nicht nur vom Produkt allein. Die damit zusammenhängenden Innovationsarten sorgen nicht nur für die Basis und den Erfolg einer Produktinnovation, sie bieten zudem einen zusätzlichen Mehrwert für das Unternehmen, um es wettbewerbsfähig zu halten bzw. die Wettbewerbsfähigkeit weiter auszubauen.
Beispiele für andere Innovationsarten sind u.a.:

  • Strukturinnovationen: Strukturelle Innovationen tragen zu einer Verbesserung der Aufbau- und Ablauforganisation eines Unternehmens bei (deshalb werden sie auch häufig als Organisationsinnovationen genannt). Die Einrichtung eines Innovations-raums, Kommunikationsecken oder das Prinzip der offenen Türen („Open door policy“) ist ein Beitrag zu flacheren Hierarchien und Verbesserung der Kommunikation im Unternehmen. Ein weiteres Beispiel ist die Realisierung offener Büroräumlichkeiten mit flexiblen Arbeitsplätzen, Vertrauensarbeitszeiten und Think Tanks.
  • Prozessinnovationen: Die Innovationsarten können eine veränderte Abwicklung von Tätigkeitsfolgen, die Hervorbringung neuer Aktivitäten unter Nutzung anderer Prinzipien oder die Einbindung neuartiger technologischer Artefakte beinhalten. Beispiele für Prozessinnovationen sind die Einführung eines Kanban-Systems oder Online-Banking. In Kenya können Sie zum Beispiel mit Ihrem Mobiltelefon ganz einfach und schnell Geld versenden und empfangen. Ihr Telefon ist gleich-zeitig Konto und Geldbörse und optimiert somit Ihre Geldtransferprozesse.
  • Geschäftsmodellinnovationen: Die Innovationsart hat die wirtschaftliche Umsetzung neuer Geschäftsideen in Form neuer Geschäftsmodelle sowie die bewusste Erneuerung eines bestehenden Geschäftsmodells zur Befriedigung von Kundenbedürfnissen zum Gegenstand. Ein Beispiel für ein neues Geschäftsmodell ist „IKEA“, das die Grundstrukturen einer ganzen Branche revolutioniert hat, indem Teile der Wertschöpfungskette zum Kunden verlagert wurden (Transport und Zusammenbau). Oder die Hotelkette „Motel One“, die qualitativ hochwertige Standards in zentraler City-Lage zu einem günstigen Preis anbietet.
  • Soziale Innovationen: Eine soziale Innovation zielt auf eine Neukombination von sozialen Praktiken oder Verhaltensweisen ab mit dem Ziel, Probleme besser lösen oder Bedürfnisse besser befriedigen zu können. Beispiele für soziale Innovationen sind das Carsharing-Prinzip, Kommunikation über Social Media Plattformen, die Gründung einer Unternehmenssportmannschaft oder die Einrichtung eines Betriebskindergartens.

Um die Entwicklungspotenziale im Zusammenhang mit solchen Innovationsarten und damit verbundenen Ideen zu identifizieren und zu nutzen, zu verarbeiten und zu implementieren ist eine grundsätzliche Neupositionierung des Innovationsmanagements bzw. eine ganzheitlichere Betrachtung des Themas notwendig. Mit anderen Worten: Unternehmen müssen das Entstehen einer ganzheitlichen Innovationskultur fordern und fördern!
Vom einem abgekapselten, rein produktgetriebenen zum ganzheitlichen Innovationsmanagement
Wenn Unternehmen das Thema „Innovation“ in Unternehmen aus dieser ganzheitlichen und integrierten Perspektive betrachtet werden sie schnell feststellen, dass Konzepte wie Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP), Betriebliches Vorschlagswesen (BPW), Ideenmanagement und wie sie alle heißen, durchaus ihren Platz und ihre Berechtigung als Teile des Innovationsmanagements haben. Es fehlt jedoch häufig an einem Gesamtkonzept, das diese Teile miteinander verbindet und somit das kontinuierliche Entstehen von Innovationen aller Art fördert.
Es bedarf also einer systematischen Integration dieser Bausteine und einer entsprechenden Vernetzung untereinander. Zu Beginn eines Beratungsprozesses stellen wir oft fest, dass einige dieser Komponenten und entsprechende Prozesse im Unternehmen, zumindest in Ansätzen, bereits vorhanden sind. Das Problem bei der konsequenten Integration der Einzelkomponenten sind allerdings häufig über Jahre oder sogar Jahrzehnte entstandenen „Naturschutzparks“, „Fürstentümer“, Egoismen, Machtspielchen sowie die mangelhaft ausgeprägte Bereitschaft voneinander zu lernen und Wissen zu teilen. Die einst so motiviert am Whiteboard oder in Excel-Tabellen geplanten Innovationskonzepte und -lösungen werden nicht wirklich „gelebt“ – sie hängen häufig nur noch am Tropf der ursprünglichen Idee.
Ein weiteres Problem ist, dass sich F&E-Abteilungen gerne damit rühmen, die einzig wirklich wichtigen Innovationen für das Unternehmen voranzutreiben bzw. hervorzubringen. Die kleinen Ideen oder Verbesserungen, die vielen guten Vorschläge für Optimierungen der internen sozialen, strukturellen und prozessualen Abläufe spielen häufig, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle. Viel schlimmer noch: solche Veränderungsbestrebungen, die häufig auf „weiche“ Faktoren abzielen und keinen unmittelbar monetären Nutzen versprechen (können), werden von den vermeintlich wahren „Innovatoren“ gerne belächelt – Wertschätzung sieht anders aus. Eines scheinen viele Unternehmen noch nicht realisiert zu haben: Innovativ ist nicht nur das, was den (finanziellen) Ertrag steigert.
Innovativ ist, was motiviert und zufrieden macht!
Innovativ ist vor allem auch das, was soziale Bedürfnisse befriedigt, Prozessabläufe optimiert, die Motivation der Mitarbeiter steigert, das Zusammengehörigkeitsgefühl stärkt oder eingefahrene Geschäftsmodelle auf dem Prüfstand stellt. Der Nutzen einer Innovation muss nicht immer monetärer Natur sein, sondern kann durchaus viele weitere Facetten haben und damit auch die Voraussetzungen für mehr Produktinnovationen schaffen. Letztlich ist es ganz egal aus welchem Bereich und von welchem Mitarbeiter eine Idee kommt und wie sie geartet ist (ob groß oder klein, ob auf Produkte, soziale Gegebenheiten, Prozesse, Geschäftsmodelle etc. bezogen). Wichtiger ist in diesem Zusammenhang, dass jede Idee wertgeschätzt und dokumentiert wird. Eine Maßnahme ist z.B. der systematische Aufbau einer gemeinsamen Ideendatenbank, in der alle Ideen gespeichert werden und von dort zur Bearbeitung  in  verschiedene Prozesse weitergeleitetet werden, um zu einer Innovation werden zu können.
Entscheidungsträger in Unternehmen sind gefordert, die Vernetzung von den kleinen mit den großen Ideen (und den vielen verschiedenen anderen Kombinationsmöglichkeiten von Ideen)  sowie insbesondere den Menschen, die hinter diesen Ideen stehen (unabhängig von Rang, Position oder Tätigkeit) zusammenzubringen. Dadurch werden ungeahnte innovationstreibende Synergien freigesetzt. Gelingt es Unternehmen, solche „lebenden Innovationssysteme“ zu schaffen, werden die unzähligen verordneten Lean- und Kaizen-Workshops überflüssig, weil der Erneuerungs- und Innovationsgeist wie selbstverständlich tief in der DNA jedes einzelnen Mitarbeiters verankert ist.
Hierzu bedarf es aber nicht nur einer Befähigung der Beteiligten zur mehr Offenheit, mehr Kommunikation, mehr Kooperation und Kollaboration, sondern auch einer ganzheitlichen und integrierten Prozesslandschaft.
Wenn Sie mehr darüber wissen möchten freuen wir uns auf eine Nachricht von Ihnen auf www.hansenplus.de.
 
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