Dank eines sehr inspirierenden TED Talks von Navi Radjou zum Thema „Frugale Innovation“, bin ich auf einen, meiner Meinung nach, absoluten Innovations-Hit gestoßen. In dem TED Talk, der insgesamt sehr spannend ist, werden verschiedene Beispiele genannt, wie seit einigen Jahren in Entwicklungsländern eine neue Art der Innovation entsteht. Dort werden neuartige und innovative Lösungen aus der Not heraus und mit teilweise sehr begrenzten Mitteln entwickelt. Zu diesem Thema schrieb unser Kollege Andreas Weiermann vor einigen Monaten auch schon einen Artikel in Bezug auf die indische Frugale Innovation namens „Jugaad“.

Aus Luftfeuchtigkeit Trinkwasser schaffen.

Wie Radjou, der auch Mitbegründer der Jugaad Bewegung ist, in diesem Vortrag darstellt, gibt es inzwischen viele kleine und nicht ganz so kleine Innovationen die den Alltag derer Menschen verbessern, deren Grundbedürfnisse teilweise noch nicht befriedigt sind und die nur wenige und prekäre Mittel zur Verfügung haben.
Eine solche Innovation ist das von UTEC, Universidad de Ingeniería y Technología (Universität für Ingenieurwesen und Technologie) in Lima (Peru) entwickelte Werbeplakat, dass ein reales und lebenswichtiges Bedürfnis der Bevölkerung Perus adressiert.
Lima ist mit ihren mehr als 7,6 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt weltweit, die in einer Wüstenregion gelegen ist. Wegen dieser geografischen Lage hat die Stadt mit extremem Wassermangel zu kämpfen. Dennoch ist, auch wenn es widersprüchlich erscheinen mag, das Klima relativ feucht und es besteht eine durchschnittliche Luftfeuchtigkeit von 98%.
UTEC hat es geschafft das Potential dieser außergewöhnlichen klimatischen Konditionen zu erkennen und daraus ein Produkt zu entwickeln, dass kostengünstig das Wasser aus der Luft filtert und daraus frei zugängliches Trinkwasser für die umliegende Bevölkerung erzeugt.
UTEC Plakat

Win-Win Situation zwischen Marketing und Sozialer Innovation.

Tatsächlich handelt es sich bei dem Plakat um ein Werbeplakat für die Universität selber, auf dem der Termin für den Zulassungstest beworben wird. Doch welch bessere Visitenkarte für eine Ingenieur und Technologie Universität könnte es geben, als die Erfindungen, die in ihrem Rahmen entstehen, auf diese Weise zu nutzen.
Die peruanische Werbeagentur Mayo DraftFCB gewann für diese Kampagne 2013 auch vier goldene und einen bronzenen Löwen bei der Verleihung der Cannes Lions, die weltweit bekannteste Veranstaltung der Werbebranche.
Auf diese Weise wurde eine Kampagne geschaffen, die den doppelten Nutzen hat, die Universität zu präsentieren und gleichzeitig Trinkwasser einer Bevölkerung zur Verfügung stellt, die in einer prekären Wassersituation lebt.

Frugale Innovation auch in Industriestaaten nutzen.

Ich finde den Ansatz, den Radjou am Ende seines Vortrags vertritt, sehr spannend: frugale Innovation, das heißt effizienter die Mittel nutzen, die wir zur Verfügung haben, um sowohl lokale als auch globale Probleme zu lösen, ist nicht nur eine Art der Innovation für Entwicklungsländer.
Es scheint selbstverständlich zu sein, dass man in den ärmeren Regionen der Welt auf diese „einfachen“ Lösungen kommen muss, weil den Menschen dort einfach nichts anderes übrig bleibt.
Doch warum können wir, in unserer hoch technologisierten Welt nicht auch die Augen und Ohren, und vor allem unsere Ideen offen für diese Art von Innovationen haben? Liegt es eventuell daran, dass es für uns schon so selbstverständlich ist, das Wasser aus dem Wasserhahn kommt, wenn wir ihn öffnen, dass wir garkeinen Gedanken mehr daran verschwänden, ob das existierende System nicht optimiert werden könnte? Macht uns unser Entwicklungsstatus auf gewisse Weise innovations-faul oder gar blind? Oder liegt es daran, dass sich durch diese Selbstverständlichkeit unsere Werte verschoben haben, dass wir glauben, dass das wichtigste Hab und Gut, das wir verlieren könnten unser Smartphone ist, weil wir Wasser z.B. nicht mehr genug wertschätzen?
Wie können wir auch in unserer Gesellschaft diese Herangehensweise und diese Haltung gegenüber Innovation und Entwicklung schaffen? Ich freue mich auf Ihre Gedanken und Kommentare.