In letzter Zeit ist Kreativität wieder in alle Munde. Die Wirtschaftswoche hat der Kreativität eine dreiteilige Serie gewidmet und das im Moment viel zitierte Buch von Richard Florida The Rise of the Creative Class spricht sogar von einer kreativen Klasse, die die Entwicklung der Gesellschaft entscheidend beeinflusst.
Doch was heißt Kreativität? Sprechen wir da wirklich alle von der selben Sache?

Im Open Directory Project wird Kreativität folgendermaßen definiert:
Kreativität bezeichnet die Fähigkeit intelligenter Lebewesen, neue und ungewöhnliche Lösungen für Problemstellungen zu finden. Voraussetzung für Kreativität ist die Fähigkeit, Dinge und Vorgehensweisen frei und neu kombinieren und entwickeln zu können. Ein wesentlicher Bestandteil ist oft die Fähigkeit, produktiv gegen Regeln zu denken und zu handeln (also: nicht nur zu kombinieren) und damit auch neue Regeln aufzustellen.

Ein aufschlussreiches Buch über Kreativität ist im Jahr 2005 von Rainer M. Holm-Hadulla erschienen: Kreativität – Konzept und Lebensstil.
Kreativität ist nach Holm-Hadulla das Zusammenspiel von (1) Begabung, (2) Motivation, (3) Persönlichkeit und den (4) Rahmenbedingungen des Denkens. Kreativität kann sich dabei in verschiedenen Domänen äußern und ist über diese Domänen nur begrenzt miteinander vergleichbar. Unterschieden werden die Bereiche Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst. Im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung ist Kreativität keineswegs auf die Kunst beschränkt, auch wenn sie dort am einfachsten sichtbar ist und sicherlich am ehesten ausgelebt werden kann. Auch – man glaubt es kaum – in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ist Kreativität möglich und nötig, denn nur durch kreatives Handeln entsteht Fortschritt.

Begabung

Ebenfalls im Gegensatz zur manchen Definitionen von Kreativität ist diese nicht unabhängig von Intelligenz, aber auch keinesfalls mit Intelligenz gleichzusetzen. Dennoch ist Intelligenz ein entscheidender Faktor für das Entstehen von Kreativität. Intelligenz wird definiert als eine geistige Fähigkeit, die das (1) Erkennen von handlungsrelvanten Eigenschaften und die (2) zielgerichtete Veränderung dieser Eigenschaften ermöglicht. Intelligenz steht dabei in engem Zusammenhang mit Denken und Problemlösen. Auch bei der Intelligenz gibt es keine einheitliche Intelligenz, die man entweder hat oder nicht hat, sondern man unterscheidet auch hier verschiedene Bereiche, in denen sich Intelligenz ausdrücken kann, u.a. sprachliche Intelligenz, logische Intelligenz, aber auch inter- und intra-personale Intelligenz.
Ohne Intelligenz ist es nur schwer möglich, bestehende Dinge neu zu kombinieren und damit kreative „Produkte“ hervorzubringen. Wenn man sich bekannte kreative Persönlichkeiten ansieht, wird man feststellen, dass diese auch ausgesprochen intelligent in Bezug auf ihre Domäne waren.
Ein weiterer Faktor, der hier eine wichtige Rolle spielt, ist Wissen. Erst mit einer soliden Grundlage an Wissen, können Menschen überhaupt erst neue Kombinationen und Wege erfinden. Um Neues schaffen zu können, muss zuerst das Vorhandene verstanden werden. Das erklärt, warum viele Wissenschaftler und Künstler erst im fortgeschrittenen Alter ihr kreatives Potenzial entfalten.

Motivation

Neben der Begabung spielt die Motivation kreativ sein zu wollen eine Rolle. Je höher diese ist, desto wahrscheinlicher wird sich die vorhandene Begabung auch entfalten können. Empirische Studien haben außerdem herausgefunden, dass besonders intrinsische Motivation Kreativität fördert, da intrinsisch motivierte Personen sich mit größerer Wahrscheinlichkeit intensiv einer Aufgabe widmen und dadurch eher auf kreative Lösungen kommen.

Persönlichkeit

Als wichtigsten Aspekt sieht Holm-Hadulla die Perönlichkeit. Eine kreative Persönlichkeit lässt sich durch das Akronym (Kurzwort, das aus zusammengerückten Anfangsbuchstaben gebildet ist, z. B. UNO) FASZNATION beschreiben.
D.h. eine kreative Persönlichkeit zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus:

  • Flexibilität innerhalb der jeweiligen Domäne. Diese wird in der Politik zwangsläufig geringer ausfallen, als in der Kunst.
  • Assoziatives Denken: Je stärker dieses ausgeprägt ist, desto mehr Denk-Möglichkeiten eröffnen sich (Assoziatives Denken wird z.B. durch das Mind Mapping sehr gefördert, durch die Vorgehensweise Schlüsselwörter auf Zweige zu schreiben und dadurch immer neue Assoziationen zu ermöglichen). Wichtig ist es dabei, eine Balance zwischen Träumerei und Spinnerei auf der einen Seite und der Realisierung und Umsetzung auf der anderen Seite zu finden. Auch dieser Aspekt wird oft bei Kreativität vergessen. Kreativität heißt nicht, lediglich kreative Ideen zu haben. Von Kreativität spricht man erst dann, wenn diese Ideen auch umgesetzt werden, was leider meist der schwierigere Teil ist.
  • Selbstvertrauen: Eine kreative Person benötigt ausreichend Selbstvertrauen, um seine Ideen auch umzusetzen und sich nicht von den Meinungen und Kommentaren der anderen entmutigen zu lassen.
  • Zielorientierung: Diese ist ganz wichtig, um dem Handeln eine Richtung zu geben. Die Ziele sollten am besten schriftlich festgehalten werden und trotz aller Visionen erreichbar und realistisch sein.
  • Intelligenz: Diesen Punkt habe ich unter Begabung bereits angesprochen
  • Nonkonformismus: Kreativität zeichnet sich immer dadurch aus, dass bestehende Denk- und Handlungsmuster verlassen werden und durch Neuschöpfung neue Muster entstehen. Dies setzt voraus, dass man bereit ist, gegen den Strom zu schwimmen.
  • Authentizität: Das Gefühl, selbstverantwortlich einen sinnvollen Beitrag zu leisten. Erlebt man sein Handeln nicht als sinnvoll und Möglichkeit sich selbst zu verwirklichen, ist es nur schwer möglich, seine Motivation über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten.
  • Transzendenz: Kreative Menschen werden nach Holm-Hadulla in ihrem Handeln von Werten getrieben, die über das eigene Ego hinaus gehen. Sie sind damit „über sich hinaus“.
  • Interesse: Eine Grundvoraussetzung für jedes kreative Handeln
    Originalität: Diese muss man zulassen, man kann diese allerdings nicht wollen oder wünschen.
  • Neugier: Die Eigenschaft immer wieder weitere Fragen zu stellen und Dinge zu hinterfragen. Neugier ist dabei flankiert durch Sicherheit in die eigene Person und durch Sicherheit der Rahmenbedingungen, in der eine Person lebt.

Rahmenbedingungen

Eine Person kann noch so motiviert sein und über die nötige Begabung verfügen, wenn die Rahmenbedingung es nicht zulassen, dann wird Kreativität sich nicht oder nur schwer entfalten können. Im Kontext von Unternehmen heißt dies z.B., dass Mitarbeiter die Freiheit haben müssen, neue Ideen nicht nur zu denken, sondern diese auch zu äußern, dass Ausprobieren und auch Scheitern möglich sein muss und nicht sofort mit negativen Sanktionen belegt werden. Aus vielen guten Ideen bleiben meist nur ein paar übrig, die dann wirklich erfolgreich umgesetzt werden können, leider weiß man das oft erst, wenn man damit gescheitert ist. Das heißt, vor allem ein positives Umfeld ohne Druck fördert Kreativität. Wird jemand unter Stress gesetzt, dann wird das Gehirn sich auf vorhandene Routinen konzentrieren, neue Ideen entstehen so garantiert nicht.

Im zweiten Teil werde ich der Frage nachgehen, wie der kreative Prozess aussieht und ob man Kreativität fördern und lernen kann.