Innovativ zu sein ist keine leichte Aufgabe. Mittlerweile benötigen größere Firmen deshalb häufig externe Hilfe, wenn es darum geht Gewohnheiten zu durchbrechen, „out of the box“ zu denken und wenig genutzte neuronale Trampelpfade zu anständigen Wegen auszubauen. Ganz anders die Startups dieser Welt: Oft sind sie ein wahrer Quell von inspirierenden, teils verrückten Ideen. Außerdem erlebt man in Startups etwas, was man in immer größer werdenden Firmen häufig immer weniger findet: Tatendrang.

Fraglich ist, ob innovative Ideen und Tatendrang für die Umsetzung von Innovationen und den unternehmerischen Erfolg eines Vorhabens ausreichen. Meine Überzeugung ist die, dass Ideen erst Mal nur Schall und Rauch sind. Etwas mit Substanz und echtem Wert entsteht erst, wenn irgendjemand ein Problem hat, welches tatsächlich so groß ist das er / sie die Idee bzw. die Lösung nicht nur benötigt, sondern auch bereit ist dafür einen Preis zu zahlen, der das Unternehmen befähigt Gewinne zu machen. Folglich bringt es nichts eine Idee umzusetzen bevor man mit Sicherheit weiß, dass ein Problem ein solches ist, dass es wert ist gelöst zu werden.

Wie findet man aber heraus, ob es sich um eine „umsetzungswerte“ Lösung handelt? Idealerweise bevor man Zeit und Geld investiert hat um sie umzusetzen? Nun, man muss seine Hypothese(n) testen. Die Mutigen dieser Welt sind hierzu bereit und versuchen schon im Vorfeld herauszufinden, ob ihre Annahmen stimmen oder nicht. Auch auf die Gefahr hin, dass sie ihnen um die Ohren fliegen, ihr Ego angeknickt wird und ihr Image darunter leidet.

Annahmen zu belegen oder widerlegen erfordert außerdem ein wissenschaftliches Vorgehen. Es bringt herzlich wenig, die Zielgruppe zu fragen, was sie von einer Idee hält oder ob sie ein Produkt kaufen würde. Wir Menschen sind nämlich absolut katastrophal darin unser Verhalten vorherzusagen. Das liegt vor allem daran, dass wir emotionale Wesen sind und unsere Entscheidungen auch auf Basis von Emotionen treffen. Das hat die Neurowissenschaften bereits erfolgreich belegen können: „Patienten, deren Emotionszentren im Kopf gestört waren, waren z.B. unfähig, bei Kartenspielen, die Gewinn oder Verlust von Geld zur Folge hatten, richtige Entscheidungen zu treffen“ (Emotional Boosting, S. 16, Hans-Georg Häusel, 2010). Unsere Emotionen sind daher die Regierung und unser Verstand der Regierungssprecher: Der Verstand hat keine Ahnung, warum wir etwas tun, ist aber gut darin unsere Taten zu begründen und zu rechtfertigen.

Wie kann man also seine Hypothesen bestätigen, wenn man die Zielgruppe nicht offen nach einer Idee oder ihrem Kaufverhalten befragen kann? Die Antwort hierauf liefert die Lean-Startup-Methodologie, welche auch dieses Jahr 115 Teilnehmer zwischen dem 1. und 3. August während dem 3. Lean Startup Machine Munich kennenlernen durften (ich war als Mentor vor Ort). An dem Wochenende ging es für zahlreiche Teams darum, eine Geschäftsidee so weit zu entwickeln, dass man einen echten Engpass auf der Kundenseite trifft und zu einem vielversprechenden Geschäftsmodell gelangt. Eines der teilnehmenden Startups war becoacht, dass sich bereits im zweiten Geschäftsjahr befindet.

Die Teilnehmer des Lean Startup Machine Munich kurz vor einer Präsentation

Die Teilnehmer des Lean Startup Machine Munich kurz vor einer Präsentation

becoacht wurde ursprünglich ins Leben gerufen in der Annahme, dass Sportler, die einen neuen Sport anfangen oder im alten besser werden möchten, an einem Online-Marktplatz für Sport besonders interessiert wären. Grundsätzlich hat sich gezeigt, dass dies auch der Fall ist und vor allem die Inhaber von Sportstudios an dem Angebot interessiert waren. Es gibt nur ein Problem: Die Masse der Sporttreibenden sucht (noch) nicht online nach Kursen oder Trainern, sondern findet über Kanäle wie Freunde und Vereine genügend Empfehlungen und Informationen. Das Wochenende diente dem Gründerteam also dazu ihr Geschäftsmodell grundsätzlich zu hinterfragen.

Während des Events lernten die Gründer nun eine Systematik kennen, um ihre anvisierte Zielgruppe zu befragen ohne sie unnötig zu beeinflussen und auf diese Weise mehr über das eigentliche Problem (nicht über die Idee!) herauszufinden. Die Gespräche brachten leider keine neuen Erkenntnisse. Allerdings lernten die Gründer durch ihre geschickte Befragung etwas neues: Die gängigen Vertragsbindungen und Mitgliedschaften der klassischen Fitness-Studios wurden sehr häufig als Ärgernis betrachtet, da sie inflexibel waren. Dieses Problem beschäftigte die Zielgruppe emotional viel mehr als das Finden von Kursen im Internet.

Diese Information führte dazu, dass eine neue Produktidee (basierend auf einem bestätigten Problem) entstand: Eine 10er Streifenkarte, die deutschlandweit Zugang zu verschiedenen Studios, Sportkursen und Sportgruppen bieten soll. Diese wurde dann zum Verkauf angeboten und noch binnen desselben Tages, haben fünf Kunden 90 EUR geboten, um die entwickelte Streifenkarte zu erwerben. Aufgrund der positiven Reaktionen wurde  daraufhin auch eine 3er Streifenkarte für einen niedrigeren Preis-Einstieg entwickelt.

Im Verlauf von insg. 48 Stunden hat es becoacht geschafft 67 Personen zu befragen und ein neues Produkt zu entwickeln, dass 17 Kunden kaufen wollten und dem Startup einen Umsatz von über 1.000 EUR beschert hätte. Anders als beim ursprünglichen Geschäftsmodell, konnte diese Idee außerdem sowohl die Anbieter- als auch Nachfrager-Seite überzeugen. Vor allem Hotels und deren Gäste zeigten ein hohes Interesse.

Der Clou an der Sache ist aber der, dass es die Streifenkarte noch gar nicht gibt. Sie war ja nur eine Idee. Das Gründerteam konnte den Nutzen dieser Idee aber anhand von den Kundenbefragungen validieren. Und weil die Zielgruppe ihr Kaufverhalten nicht vorhersagen kann, wurde eine Situation geschaffen, in der die Gründer es direkt untersuchen konnten: Sie haben ein fiktives Produkt entwickelt und zum Verkauf angeboten. Dadurch konnten sie erfahren, ob das Interesse tatsächlich real und mehr als nur Schall und Rauch war. Die Beweislage spricht für sich.

Bereits wenige Tage nach dem Wochenende arbeitete becoacht mit Hochgeschwindigkeit daran das Angebot der Streifenkarte umzusetzen, weiter zu verbessern und an die Bedürfnisse der Kunden anzupassen, wie sich hier leicht nachsehen lässt: http://beactive-karte.de. Für die Gäste von 5-Sterne-Hotels hat das junge Team sich auch schon was neues ausgedacht: http://beactive-karte.de/concierge. becoacht zeigt eindrucksvoll, dass der wichtigste Faktor bei der Umsetzung von Innovationen immer das Problem des Kunden ist. Und das man dieses auf ganz praktische Weise ermitteln kann, wenn man nur zuhört.

Wer sich im kommenden Jahr traut seine Geschäftsidee auf die Probe zu stellen und ggf. genauso ein vielversprechendes Geschäftsmodell wie becoacht zu erarbeiten, kann sich unter www.leanstartupmachine.com/cities/munich eintragen. Kommen genügend Anmeldungen zusammen, findet das Event statt und man hat ein Vorrecht auf stark rabattierte Earlybird-Tickets. Den Mutigen gehört die Welt – auf geht’s.

Ein Teil des becoacht-Teams beim Validieren der neuen Geschäftsidee

Ein Teil des becoacht-Teams beim Validieren der neuen Geschäftsidee