Anfang der Woche (am 5. und 6. November 2013) fand die 15. Innovationstagung veranstaltet durch Management Circle in München statt.
Wir von creaffective waren das erste Mal als Aussteller mit einem eigenen Stand dabei und konnte viele interessante Kontakte knüpfen, viele bereichernde Gespräche führen und auch einigen der spannenden Vorträge lauschen.
Ich selbst war circa die Hälfte der Zeit an unserem Stand und die andere Hälfte als Zuhörer in den Vorträgen. Einige meiner Eindrücke möchte ich schildern.
Geschäftsmodellinnovation nimmt an Bedeutung zu
Innovation wird oft vor allem als Neuerung im Bereich der Technik verstanden, die dann in neue Produkte mündet. Dieses Innovationsverständnis ist nicht falsch, aber einseitig. Innovation kann auf weit mehr Ebenen statt finden als auf der Produktebene. Prof. Gassmann von der Universität St. Gallen erläuterte in seinem Vortrag, dass es für viele Unternehmen heute essenziell ist, über Innovation auch auf der Ebene des Geschäftsmodells nachzudenken. Ein Geschäftsmodell beinhaltet immer ein Produkt, aber eben auch andere Elemente, wie die Kundengruppen, die Art wie ein Produkt zum Kunden kommt und wie dann Ertrag erzeugt wird. Von einer Geschäftsmodellinnovation spricht man, wenn an mindestens zwei dieser Schrauben gleichzeitig gedreht wird. Mit seinem gleichnamigen Buch „Geschäftsmodelle entwickeln“ haben Gassmann und sein Team den Versuch unternehmen, die Entwicklung von Geschäftsmodellen zu einem Handwerk werden zu lassen, das sich verschiedener Werkzeuge bedienen kann. Die im Buch beschriebenen Muster zusammen mit anderen Ansätzen der Geschäftsmodellentwicklung haben sich für creaffective in der Moderation von Innovationsworkshops und im Rahmen von Innovationsprojekten mit dem Kunden als sehr hilfreich erwiesen.
Business Modelling ist nicht gleich New Business
Lutz Mehlhorn, früher Vice President New Business bei Henkel hat in seinem Anschlussvortrag geschildert, wie Geschäftsmodellinnovation bei Henkel betrieben wurde / wird. Basierend auf dem Open Innovation Gedanken wurden zwei Beispiele (Wash and Coffee, und ein Unternehmenswäscheservice) vorgestellt, wie Henkel zusammen mit einem weiteren Unternehmenspartner neue Dienstleistungen und Geschäftsmodelle entwickelt und pilotiert.
Haupthürden aus Mehlhorns Sicht bei der Schaffung von (semi)-radikalen Angeboten sind die bestehende Komplexität von Konzernen, gefolgt von Widerständen der bestehenden Strukturen gegen das Neue und Fremde. Wer einen Open Innovation Ansatz mit einem Partner verfolgt, müsse außerdem darauf achten, dass die Kultur der Partner zueinander passe, wie im Falle von bsh und Henkel. Eine wichtige Unterscheidung, die viele vergessen zu treffen ist die Trennung zwischen Business Modeling und New Business. Das Business Modeling ist die Reagenzglasphase, in der es vor allem um das Lernen und Testen von Hypothesen geht. Unter New Business versteht Mehlhorn die Eingliederung des Neuen in bestehende Geschäftsprozesse. Oft würden beim Business Modeling schon die gleichen Kriterien angelegt, wie bei einer späteren Eingliederung, mit allen unangenehmen Folgen.
Lean Innovation
Marcel Scacchi von Zühlke Management Consultants stellte in seinem Vortrag die Prinzipen der Lean Innovation vor, vor allem an Beispielen aus der Health Care Industrie. Die aus der Produktion von Toyata bekannten Prinzipien lassen sich auch auf Innovation übertragen und in einem Lean Innovation Cycle (Manage – Execute – Adapt) darstellen und beherzigen.
Besonders gut sichtbar werde dies bei der sogenannten frugalen Innovation, bei der es darum geht, mit extrem begrenzten Mitteln Bedürfnisse zu erfüllen, die bisher nur mit höherem Aufwand bewerkstelligt werden konnten. Viele Beispiele aus dem Gesundheitssektor lassen sich hierbei in Indien finden. Dort führten der Druck und das Umfeld zu einem Mindset, das frugale Innovation möglich mache, anders als hier in Europa.
Ein weiteres Prinzip, dass sich in diesem Zusammenhang nutzen lasse ist das Schwächeren-Prinzip. Wie bei David gegen Goliath gehe es nicht darum, im Rahmen der bestehenden Regeln gegen den Stärkeren zu gewinnen, sondern indem die Spielregeln verändert würden. Dies könne auch der Schwächere tun, in dem er zum Beispiel ein neues Geschäftsmodell schaffe, bei dem nach anderen Regeln gespielt werde.
Rulebreaker nicht gleich Querdenker
Um Regelveränderung und Regelbruch ging es auch im Vortrag von Sven Gábor Jánszky, vom 2b AHEAD ThinkTank.
Anhand einiger Beispiele, unter anderem aus der Schifffahrts- und Apothekenbranche zeigte er auf, wodurch sich regelbrechende Innovatoren auszeichnen. Regelbrecher unterscheiden sich nach Jánszky von den Querdenkern, weil Regelbrecher mit viel Hartnäckigkeit die Regeln verändern und dabei durchaus vielen Menschen auf die Füße treten, die sich über den Status Quo definieren und angegriffen fühlen. Zentral für Regelbrecher ist, dass sie bewusst ihr eigenes Geschäftsmodell angreifen. Denn wenn sich Firmen davor scheuen, ihr eigenes Geschäftsmodell anzugreifen, dann wird es früher oder später jemand anders tun und dann umso härter. Jánszky riet den Zuhörern besonders aus Großunternehmen sich nicht der Tankermetapher zu bedienen und das Unternehmen als schwer steuerbares Schiff zu sehen. Statt dessen sollten sie sich als Flottenadmiral begreifen, der über viele Schiffe verfügt, manche größer und manche davon kleiner. Ein Unternehmen hat verschiedene Geschäftsbereiche, die wie eigene Schiffe betrachtet werden sollten. Der Großteil der Schiffe dürfe ja ruhig weiter gerade ausfahren, gleichzeitig sollte der Admiral allerdings auch ein paar kleine und wendige Schnellboote in andere Richtungen schicken und das eigene Geschäftsmodell angreifen.
Innovation in Indien: Lokalen Teams Verantwortung übertragen
Aufgrund von Visums-Schwierigkeiten nur per Skype zugeschaltet war Tathagat Varma, VP Strategic Process Innovations der Firma [24]7 Innovation Labs. Auch in diesem Skype Interview kam das Thema noch einmal auf die frugale Innovation, die dann oft zu reverse Innovation wird, d.h. eine Lösung, die ursprünglich für einen low-cost Markt entwickelt wurde, wird erfolgreich in einen hochpreisigen Markt z.B. in Europa oder USA eingeführt. Hier gibt es aus Indien und China viele Beispiele. Interessant ist dabei, dass nicht die lokalen Firmen in Indien und China die Umkehrinnovatoren sind, sondern meist westliche Unternehmen, die vor Ort für den lokalen Markt innovieren und die Ergebnisse dann zurück bringen können und damit im positiven Sinne ihr eigenes Geschäft angreifen.
Für mich sehr spannend war eine Frage, die Tathagat Varma am Ende gestellt wurde: Wie man denn mit der hohen Fluktuation und dem Know-How Abfluss aus den Firmen in Indien umgehen könne? Dies sei für westliche Firmen ja oft ein Problem. Die Antwort die viele darauf zu geben versuchen ist es, noch etwas mehr Gehalt zu zahlen. Die Antwort die Tathagat Varma gab, deckt sich sehr mit den Forschungsergebnissen von Teresa Amabile zum Thema Motivation zu Kreativität (siehe hier): Das Gehalt ist ein Hygienefaktor. Menschen dürfen nicht das Gefühl haben ungerecht entlohnt zu werden. Dann allerdings ist Geld kein Treiber mehr. Vielmehr sei es wichtig, den lokalen Entwicklungsteams in Indien Verantwortung und Entscheidungsmöglichkeiten zu geben, ein Projekt voranzutreiben. Wenn dies gegeben sei, dann würden sich die meisten Menschen mit viel Engagement für ein Unternehmen einsetzen. Diese inneren Motivatoren konnte Amabile zumindest für den Westen in ihrer groß angelegten Progress-Principle Studie bestätigen. Es geht als auch hier wieder darum, Menschen nicht zu demotivieren, motiviert sind die Menschen grundsätzlich erst einmal.
Lean Startups als Vorbild für etablierte Unternehmen
Lean ist in aller Munde, so gibt es Lean Innovation und auch die Lean Startup Methode. In der Literatur sind die Vordenker hier Eric Ries und Steve Blank mit ihrer Methodologie des Customer Development und Lean Startup Methode. In einem der Fachforen im Rahmen der Innovationstagung sprachen Dr. Oliver Mack vom xm:institute in Wien, Lukas Fittl, von Spark59 und USERcycle und Bernd Litzka von der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mbH aus Wien über die Erfolgsfaktoren von Startups und die Übertragung auf etablierte Unternehmen.
Wichtig für den Erfolg eines Startups seien unter anderem das Team und die Technologie. Zentraler sei es jedoch, ob ein Team wirklich ein evidentes Problem richtig erkannt und definiert hat und dafür eine praktikable Lösung anbieten kann. Das heißt erfolgreiche Startups sind nicht technikgetrieben sondern problemgetrieben. Auch weniger wichtig sei ein schön durchdefinierter Stage-Gate-Innovationsprozess, wie er in etablierten Unternehmen so gerne zum Einsatz kommt, sondern ein Vorgehen, dass es einem Team ermöglicht sehr schnell und flexibel zu lernen. Genau diese Möglichkeit bietet das Lean Startup vorgehen. Was SCRUM und agile Entwicklung für interne Sicht sind, stellt das Lean Startup Modell für das Geschäftsmodell und die Außensicht dar.
Zentrales Element der Lean Startup Methodik ist es, sehr schnell und einfach zu Hypothesen zu testen, zu lernen und den Kurs zu korrigieren. Statt eines großen Entwicklungszyklus gibt es viele kleine, die sehr schnell und oft hinter einander geschaltet werden. Wichtig ist es, nach jeder Schleife zurück zu blicken und auszuwerten, was man gelernt hat und welche Veränderungen daraus erfolgen.
Innovation ist kein reines F&E Thema
Leider nur zu Hälfte mitbekommen habe ich den Vortrag von Dr. Eberhard Veit, Vorsitzender des Vorstandes der FESTO AG. Besonders eingeprägt hat sich hier bei mir, wie stark Veit die Rolle der Menschen, ihrer Talente und Kompetenzen für Innovation betont hat. Klar spielt Technologie eine Rolle, die Basis ist allerdings das Engagement der Mitarbeiter: „Innovation muss mitarbeitergetrieben sein.“ Für ihn ist damit auch klar, dass Innovation keine reine Domäne der F&E Abteilung ist, denn Innovation findet auf vielen Ebenen statt und jeder Bereich und jeder Mitarbeiter hat das Potenzial dazu beizutragen.
Umfragen am creaffective Stand
Neben den Gesprächen mit Besucher am Stand haben wir auch zwei Aktionen unter den Kongressteilnehmer gestartet. Eine Aktion zur Frage, wie man eine innovationsfreundlichere Kultur im Unternehmen schaffen könnte und eine Umfrage zu den größten Hürden der Innovation im Unternehmen.
Die Ergebnisse möchte ich abfotografiert hier zur Verfügung stellen. Interessant für mich war zu sehen, dass es den meisten Teilnehmern leichter viel die Hürden zu benennen als Ideen zu finden.