Der amerikanische Soziologe Richard Florida hat im letzten Jahr ein viel beachtetes Buch über die kreative Klasse veröffentlicht.
Seine These lautet, dass sich entwickelte Länder heute in der Phase der sogenannten Kreativ-ökonomie befinden oder in diese kommen, in der Kreativität einen wichtigen und immer größer werdenden Anteil der ökonomischen Ressourcen darstellt. Die Leistungsfähigkeit eines Wirtschaftsraumes hängt nach Florida in zunehmendem Maße davon ab, wie es ihm gelingt, kreative Köpfe anzulocken. Dabei spielen nicht Länder eine Rolle sondern eher Regionen oder Städte.
Er zeichnet damit einen Gegenentwurf zu „The world es flat“, indem er behauptet, dass besonders heute im Zeitalter des Internets und der örtlichen Unabhängigkeit gerade Orte und bestimmte kreative Zentren eine entscheidende Rolle spielen. Nach Florida ist es nicht egal, wo auf der Welt man sich befindet, die moderne Kommunikation und das scheinbare Kleinerwerden der Welt sind nicht genug. Kreative Köpfe ziehen dort hin, wo sie dass für sie beste Umfeld finden und andere Kreative treffen. Beispiele für solche Zentren sind das Silicon Valley, London, Paris und Tokyo. In der Wirtschaftswoche (Ausgabe 41/2006) erschien der Artikel „Globale Hotspots“, in dem diese kreativen Zentren verdeutlicht wurden. Satellitenbilder mit Nachtaufnahmen bestimmter Regionen und die Höhe der Wirtschaftskraft dieser Region wurden grafisch auf Karten abgetragen, um so die kreativen Zentren der Welt sichtbar zu machen.
Die kreative Klasse
Den Begriff der Kreativität fasst Florida dabei ziemlich breit. Für ihn zählen alle Kopfarbeiter zu dieser Klasse, innerhalb derer es noch einmal einen Kern der wirklich kreativen Vordenker und Innovatoren gibt.
Entscheidend für die Anziehungskraft von Orten sind die drei Ts: Technologie, Talent und Toleranz.
Ohne das Vorhandensein von Hochtechnologie ist heute im ökonomischen Sinne nur wenig Wachstum und Entwicklungspotenzial möglich. In empirischen Studien versucht Florida zu verdeutlichen, dass sich alle wirtschaftlich starken Regionen durch eine hohe Konzentration von Hoch-Technologie auszeichnen. Talentierte Menschen und ein tolerantes Umfeld alleine schaffen zwar möglicherweise viel kreatives Potenzial, dass sich allerdings nicht in wirtschaftliche Stärke umsetzen lässt, wie Florida auch am Beispiel Berlin erklärt.
Begabte Menschen – Talent – sind ein weiterer Faktor, der es erst ermöglicht, Technologie auch zu nutzen und weitere Innovationen anzukurbeln. Talentierte Menschen werden sich bewusst einen Ort suchen, an dem sie ihr Potenzial ausleben und entwickeln können.
Am ausführlichsten geht Florida auf die Toleranz ein, die er empirisch mit einem Gay-Index einem Melting-Pot-Index und einem Bohemian-Index nachweist. Diese drei Indices sind ein Anhaltspunkt wie tolerant ein Ort ist. Von diesem toleranten Umfeld wird die kreative Klasse angezogen.
Floridas These lautet, dass Orte wieder mehr den je an Bedeutung gewinnen und sich die kreative Klasse den Ort aussucht, an dem sie leben möchte, der ein stimulierendes Umfeld bietet. Die Menschen reisen also nicht dem Job hinterher, sonder umgekehrt, sie wählen den Ort und suchen sich dann einen Job.
Diese kreativen Zentren, die mit allen drei Ts gesegnet sind entwickeln dann eine Sogwirkung auf andere und locken weitere Kreative an.
Gesellschaft der losen Verbindungen
Das Leben in der kreativen Gesellschaft als eine Gesellschaft der schwachen Verbindungen (weak-ties-theory) bezeichnet werden. D.h. im Gegensatz zur Theorie des Sozialkapitals von Putnam zieht die Gesellschaft ihre kreativen Impulse aus den relativ schwachen und losen Verbindungen zwischen den Menschen. Dadurch sind die Eintrittsbarrieren in Gruppen niedrig und die Zirkulation von Ideen und die Flexibilität entsprechend hoch. Diese „Quasi-Anonymität“ sorgt dafür, dass sich verschiedene Ansichten und Einflüsse schnell durchmischen, was viele kreative Impulse freisetzt.
Floridas Buch liefert viele interessante Einsichten und Erklärungsansätze über das entstehen kreativer Zentren, die sich in der Empirie zu bestätigen zeigen. In letzer Zeit ist in den Zeitungen immer mehr über den Einfluss von sogenannten globalen Städten wie New York, Shanghai oder Paris zu lesen, die – sollten die Autoren recht behalten – immer mehr an Bedeutung gewinnen und dafür ganze Staaten in den Hintergrund rücken. Auch in den USA scheinen viele Florida zuzustimmen: Im Moment wird dort heiß diskutiert ob und wie der harte (und intolerante) Kurs der Regierung talentierte Menschen davon abhält, in die USA zu kommen.