In diesem Artikel des Glossars der Organisationsentwicklung geht es um die formale Struktur einer Organisation.

Im Post über Struktur habe ich zwei Arten von Struktur unterschieden:

  • die latente und informelle Struktur einer Organisation, die man auch als Kultur bezeichnet.
  • die manifeste, sichtbare und formale Struktur einer Organisation. Diese wird umgangssprachlich einfach nur als Struktur bezeichnet.

Im Gegensatz zur Kultur ist die formale Struktur also explizit und für alle in der Organisation erkennbar und sichtbar.

Besonders sichtbar wird die formale Struktur in Form des Organigramms. Dort werden die Zuschnitte von Bereichen und Abteilungen definiert, sowie formale Führungsrollen des Unternehmens festgelegt. Daraus ergeben sich Berichts- und Kommunikationswege. Das Organigramm schafft damit einen wichtigen Rahmen für weitere Entscheidungen in der Organisation.

Das Organigramm

Aus dem Organigramm lässt sich eine Menge herauslesen. Zum Beispiel:

  • nach welcher Logik sich eine Organisation untergliedert und Einfluss verteilt ist, z.B. nach Regionen, nach Funktionen, prozessübergreifend oder nach Prozessschritten oder in einer Mischform. Henry Mintzberg spricht hier von einer Superstruktur.
  • bei welcher Art von Themen / Aufgaben die Organisation viel oder wenig Abstimmungs- und Koordinationsbedarf erwarten kann, z.B. übergreifende Themen oder Querschnittsthemen
  • welche Konfliktlinien in der Organisation erwartbar sind
  • ob eine Organisation eine Rolle pro Person vorsieht, oder ein Modell von mehreren Rollen pro Person fährt (wie z.B. soziokratische oder holakratische Organisationen)
  • ob Entscheidungsmacht eher zentralisiert ist oder dezentral verteilt ist
  • welche informellen Gegenbewegungen und Workarounds erwartbar sind
  • welche Nebenwirkungen das Organigramm wahrscheinlich produziert

Der letzten Punkte weisen auf ein wichtiges Phänomen in Organisationen hin: Zu jeder formalen Struktur gibt es meist informelle Ausgleichsmechanismen, Gegenbewegungen oder Workarounds.

Wenn eine Organisation Veränderungen an der formalen Struktur vornimmt, dann ist mit einer zeitversetzten Anpassung und Gegenbewegung auf der informellen Seite zu rechnen.

Veränderung informellen Struktur erfolgt über die Formalstruktur

Nach der soziologische Systemtheorie ist eine Veränderung der Kultur nicht auf dem direkten Weg möglich, sondern immer über eine Änderung der formalen Struktur. Dies deshalb, weil die formale Struktur manifest ist, also sichtbar entschieden ist. Das sind neben dem Organigramm auch Aspekte, wie Ziele, Regeln, Personalentscheidungen und Metriken.

Wenn ein Unternehmen sich zum Beispiel ein unternehmerisches Verhalten der Mitarbeiter wünscht, dann ist es nicht zielführend am Mindset der Menschen herumschrauben zu wollen! Dadurch sind keine Veränderungen zu erwarten. Es gilt der Spruch: Das Verhalten der Menschen ist meist ein Ausdruck der Verhältnisse.
Wenn die Organisation unternehmerisches Verhalten fordert, dann ist es wichtig zu überlegen, welche Änderungen der formalen Rahmenbedingungen unternehmerisches Verhalten erwartbarer machen könnten. Das könnten dann zum Beispiel vereinfachte Vorgaben sein an Budgets zu kommen, mehr formalisierte Verantwortlichkeiten einzelner Rollen und Kriterien der Performance-Evaluation, die entsprechendes Verhalten belohnen.