Unternehmen lassen sich erfahrene Mitarbeiter einiges kosten. Erfahrung basiert auf Wissen und einer Ansammlung von vergangenen Erlebnissen. Dies führt im Gehirn zu gewissen Denkgewohnheiten, Denkroutinen und „Instinkten“, die den Erfahrenen Situationen meist schnell und zuverlässig beurteilen lassen. Ein erfahrener Mensch kann so wesentlich schneller Verknüpfungen zu bereits Bestehendem erstellen und aus einem breiteren Repertoire an passenden Handlungsmöglichkeiten auswählen.

Dies ist definitiv hilfreich in Situationen, wo es eine bekannte Lösung auf ein Problem gibt oder in welchen vergangene Erlebnisse eine große Rolle spielen. So kann zum Beispiel ein erfahrener Automechaniker im wahrsten Sinne des Wortes hören, wo etwas am Motor nicht stimmt, einfach dadurch, dass er in seinem Leben bereits so viele Motoren des gleichen Typs gehört hat und spürt wo das Problem ist, ohne dass er sagen kann, warum das so ist. Jonah Lehrer hat in seinem Buch „How we decide“ schön beschrieben, was dabei im Gehirn passiert:

Ein wichtiger Mechanismus der zum Einsatz kommt ist, dass unser Gehirn ständig Vorhersagen macht, basierend auf bestehenden Erfahrungen, und diese Vorhersagen mit dem tatsächlichen Ereignis abgleicht. Wenn diese Vorhersagen nicht eintreffen, dann kann dies entweder daran liegen, dass die Vorhersage an sich falsch ist (was im positiven Falle zum Lernen aus Fehlern führen kann) oder dass an der Situation „etwas nicht stimmt“ (wie im Falles des Automechanikers). Dieser Abgleich funktioniert schneller, als wir bewusst darüber nachdenken können. Für den Fall, dass erwartetes und eingetretenes Ereignis nicht passen, erzeugt das Gehirn ein negatives Gefühl. Dem Automechaniker kann dies helfen, zu sagen, dass etwas nicht stimmt und vielleicht sogar zu sagen, wo etwas nicht stimmt.

Innovation als nur begrenzt kompatibel mit Erfahrungen

Innovation ist per Definition etwas Neues, das nicht vollständig mit bestehenden Erfahrungen kompatibel ist. Je höher der Radikalitätsgrad Innovation desto größer ist oft das Nicht-Übereinstimmen, mit dem was wir wissen.
In diesen Situationen kann (muss jedoch nicht) die viele Erfahrung eines Menschen statt eines Vorteils ein Nachteil sein. Bei einem Abgleich des Neuen mit den Erfahrungen muss es zu einem Konflikt kommen. Unser Gehirn erzeugt dann dieses Gefühl, dass „etwas nicht stimmt“. Nun ist es schnell passiert, dass der „Experte“ das Neue als nicht machbar, nicht möglich oder sonst wie untauglich aburteilt, weil es nicht zu den bestehenden Erfahrungen passt.
Vijay Govindarajan und Chris Trimble beschreiben in ihrem Buch „the other side of innovation“, was dies für Innovationsteams in Unternehmen bedeuten kann: „Many businesspeople aspire to be rational, data-driven, and deliberate as possible in every action. Nonetheless, everyone has habits, biases, behaviors, and thought patterns that have become second nature. These instincts are, of course, grounded in experience. If something has worked for you in the past, you are likely to keep doing it. Experience is usually an asset for advancement within the Performance Engine [die auf Effizienz und Tagesgeschäft ausgelegte Standartorganisation], but it can be a liability for a Dedicated Team [spezielles Team, das sich mit Innovationprojekten beschäftigt]. Innovation initiatives are, by nature, deliberate departures from the past. The lessons of experience are therefore less relevant.“ S. 56
Wir sind diesem oft fast automatischen Verhaltens unseres Gehirns jedoch nicht sklavisch ausgeliefert. Es gibt bewusste Denkstrategien, um gegenzusteuern. Gelingt dies, dann kann Erfahrung auch bei Innovation ein großer Vorteil sein, der sich für das Neue nutzbar machen lässt.