Dass der Wechsel der Perspektive hilft, um ausgetretene Pfade zu verlassen und auf neue Gedanken zu kommen, ist in der Theorie vielen Menschen und vielen Organisationen bekannt. Leider wechseln wir die Perspektive zu selten, auch weil es Aufwand bedeutet und teilweise unbequem ist. Dabei liegen die Vorteile auf der Hand: Der Wechsel der Perspektive führt zu:

  • anderen Sichtweisen auf das gleiche Problem
  • neuen Gedanken, durch einen anderen Kontext
  • neuen Ideen, dadurch dass wir gezwungen sind unsere Blickrichtung zu verändern
  • besseres Verständnis für eine andere Position und damit die Möglichkeit, besser mit anderen zu interagieren und zusammen zu arbeiten
  • besseren Lösungen, die mehr als nur eine Sichtweise berücksichtigen und damit eine höhere Erfolgschance haben
  • und sicherlich einigem anderen mehr.

Ich habe mich entschlossen, dem Thema einen Artikel zu widmen, weil es in vielen unserer Kreativitätstrainings und Innovationsworkshops, die „menschliche“ Themen und Fragen der Zusammenarbeit in Organisationen zum Thema haben, als eine favorisierte Lösung auftaucht. Interessant ist dann für mich zu sehen, dass der eigentlich bekannten Idee des Perspektivenwechsels, dann neues Leben und neue Details eingehaucht werden, die es dann ermöglichen die Ideen bei unseren Kunden auch umzusetzen.

Möglichkeiten des Perspektivenwechsels

Praktische Möglichkeiten die Perspektive zu wechseln gibt es viele. Einige davon sind bereits bei unseren Kunden zum Einsatz gekommen, oder wir von creaffective haben selbst Erfahrungen damit gesammelt:

Job-Rotation

Das Vorgehen der Job-Rotation organisationsintern wird in großen Unternehmen gerne bei Trainees eingesetzt, die so in kurzer Zeit verschiedene Unternehmensbereiche kennen lernen können, um sich dann auf einen Schwerpunkt festzulegen. Spannend ist dieses Vorgehen aber auch besonders für die etablierten Mitarbeiter, die bereits in einer Spezialisierung sind. Oft bildet sich dann leider ausgeprägtes Abteilungsdenken oder Tunnelblick heraus. Bei einem unseren Kunden wurden in einem Innovationsworkshop ein Konzept entwickelt, um interne Verwaltungsprozesse zu beschleunigen. Problem war in der Vergangenheit, dass die einzelnen Abteilungen, den Engpass immer in der jeweils anderen Abteilung gesehen haben. Teil des Konzeptes war es, für zwei Wochen einige Mitarbeiter gegenseitig auszutauschen, um ein Verständnis für die Vorgänge in der anderen Abteilung zu bekommen.

Bei einem chinesischen Kunden hat sich in einem Workshop das Management bereit erklärt einige Tage (in Begleitung) die Arbeit der Kundenbetreuer an der Front zu übernehmen, um die dort auftretenden Herausforderungen wirklich zu verstehen.
Ein interessantes Beispiel aus der Literatur ist der Fall der Marketingabteilungen von Google und Procter und Gamble. Diese haben vor einigen Jahren gegenseitig Vertreter der jeweiligen Marktingabteilung zum jeweils anderen Unternehmen geschickt, um die Arbeitsweise der Kollegen aus einer völlig anderen Branche zu erleben. Im Buch „The Innovator’s DNA“ ist beschrieben, wie die Google Leute durch ihre andere Sicht eine Marketingaktion von P&G verändert und bereichert haben.

Praktikum beim Kunden

Stefan Merath schlägt in seinem Buch „Der Weg zum erfolgreichen Unternehmer“ vor, Praktika bei seinen Kunden zu machen. Dies können kurze Aufenthalte von einigen Tagen oder einer Woche sein, um beim Kunden mitzulaufen und die Bedürfnisse des Kunden wirklich zu verstehen. Während dieser Praktika erhält man Einblicke in die Arbeit des Kunden und macht Beobachtungen, die zu einer Vielzahl von Impulsen führen können, die Angebote für die Kunden zu verbessern. Auch dies ist sehr einfach umzusetzen, wird aber nur selten praktiziert.

Im Design Thinking ist dieses Vorgehen in kürzerer Form auch als shadowing bekannt. Auch hier geht es darum, durch das aufmerksame Beobachten eines Nutzers über einen längeren Zeitraum, Einsichten für neue Lösungen zu bekommen.

Gemeinsam ist beiden Vorgehen, dass man Dinge beobachtet und Einsichten gewinnt, die man durch direktes Fragen oder Interviewen eines Kunden oder Nutzers nicht bekommen würde.

Kreativitätstechnik Tragbarer Think Tank

Nicht ganz so effektiv, wie das tatsächliche Praktium, dafür aber auch nicht ganz so aufwändig ist die Kreativitätstechnik des tragbaren Think Tanks, die wir gerne in unseren Innovationsworkshops verwenden. Hierbei identifiziert eine Gruppe eine „bekannte Person“, eine „Koryphäe“ (egal ob noch lebend oder nicht), die interessante Ideen zur Lösung einer vorliegenden Frage haben könnte. Voraussetzung ist, das die Leute so viel über die Person wissen, dass sie sich im nächsten Schritt in diese Person hinein versetzten können und das Problem aus der Perspektive der gewählten Person betrachten können. Dieser mentale Perspektivenwechsel bringt oft sehr interessante Ideen, die erst möglich wurden, als die Teilnehmer ihrer eigenen Sicht verlassen haben. Die starke Identifikation mit der gewählten Person und seiner Denkweise hilft dabei. Dieses Vorgehen kann man mit mehreren bekannten Personen wiederholen. Daher der Name tragbarer Think Tank, den jeder Mensch mental dabei haben kann.

Ich erinnere mich noch an eine Gruppe bei einem Kunden, die nach einer Fusion mit einem Unternehmern aus einem anderen Kulturkreis, den Dalai Lama mental zu Rate gezogen hat, um auf Ideen zu kommen, wie man das gegenseitige Verständnis erhöhen könnte. Mit sehr spannenden Ergebnissen.

Als Externer spannend zu sehen ist es, wie ein Vorgehen, das grundsätzlich allen irgendwie bekannt war, eine ganz neue Dynamik und Akzeptanz erhält, wenn eine Gruppe von Leute das Vorgehen selbst in einem kreativen Problemlöseprozess für ihre Herausforderung als sinnvoll anerkannt hat. Durch diesen neuen Kontext war die Akzeptanz eine andere und etwas was vorher abgelehnt worden wäre, wurde umgesetzt.