Immer wieder lese ich Artikel in (Fach-)Zeitschriften die behaupten, dass Brainstorming nicht funktioniere. Dabei werden immer wieder wissenschaftliche Studien zitiert, die angeblich zeigen, dass Brainstorming nicht funktioniere und dass die Anzahl der Ideen einer Gruppe höher sei, wenn die Leute einzeln arbeiteten und man dann die Einzelergebnisse zusammenzähle oder sogar, dass eine Person alleine mehr Ideen generieren könne als eine Gruppe von Leuten. Nun ist kürzlich wieder eine solche Studie erschienen (Collaborative Fixation: Effects of Others’ Ideas on Brainstorming, NICHOLAS W. KOHN and STEVEN M. SMITH, Applied Cognitive Psychology, 25: 359–371 (2011)) und wieder einige Artikel erschienen, die wiederholen, dass Brainstorming nicht funktioniere. Wir alle haben es schließlich schon einmal erlebt: Wir saßen in einem „Brainstorming“ und es ist so gut wie nichts dabei herum gekommen. Auch viele Teilnehmer in einem unserer Kreativitätstrainings berichten am Anfang des Trainings, dass es ihnen bereits schon so ergangen ist.

Brainstorming funktioniert – wenn man es richtig gestaltet

Am Ende des Trainings bestätigen dann alle Teilnehmer, was Profis im Feld der Ideenentwicklung schon lange sagen: Brainstorming funktioniert sehr wohl, man muss es allerdings richtig durchführen.

Was ist eigentlich Brainstorming? Brainstorming ist eine von Alex Osborn entwickelte Gruppentechnik bei der auf unstrukturierte Weise Ideen zu einer vorher definierten Frage angehäuft werden und die gewissen Regeln folgt. In der von Osborn definierten Technik wird die Gruppe außerdem von einem Facilitator / Prozessmoderator geleitet. In obigen Satz zeigt sich zusammenfasst, das ganze Dilemma, warum sogenannte Brainstormings oft nicht funktionieren und warum auch die Ergebnisse der Brainstormings in der oben zitierten Studie zustande gekommen sind.

Wie sind die Wissenschaftler vorgegangen? Für die Studie wurden Erstsemestler eines Psychologiekurses genommen, die um den Kurs bestehen zu können, an einer solchen Studie teilnehmen müssen. Vier Studenten bilden eine Gruppe, wobei jeder für sich vor einem Computer sitzt und seine Ideen schweigend in einen Instant Messanger eintippt. Die Studenten wurden explizit darin gehindert sich gegenseitig zu sehen. Immerhin gab es eine kurze Erklärung der Brainstorming regeln. Dann wurde die Frage „Wie könnten wir unsere Universität verbessern?“ vorgegeben.

Weiter unten werde ich diese Ausgangssituation diskutieren.

Ergebnis des Experiments: Die Teilnehmer in der Gruppe erlebten ein „Produktivitätsdefizit“ gegenüber der Nominalgruppe und erlitten eine kognitive Fixierung, d.h. die Ideen anderer Teilnehmer der Gruppe führten dazu, dass sich die Teilnehmer auf diese Ideen fokussierten und weniger neue und andere Ideen generierten, sondern Ideen, die den bisherigen sehr ähnlich waren.

Wie ein Brainstorming richtig durchgeführt wird und zu Ergebnissen führt

Die Beobachtung der kognitiven Fixierung ist sehr ernst zu nehmen, denn diese kann tatsächlich auftreten, auch wenn das Brainstorming ansonsten gut vorbereitet ist. Das Produktionsdefizit im obigen Experiment verwundert mich überhaupt nicht:

Die Gruppe war untrainiert und höchst wahrscheinlich begrenzt motiviert (Studenten, die verpflichtend an einer Studie teilnehmen müssen), die Teilnehmer saßen alleine vor dem Computer und es gab keinen Facilitator. Die Frage war sehr abstrakt formuliert und es gab keinerlei weitere Hintergrundinfos dazu.

Wie man Brainstormings erfolgreich gestaltet:

  • Die Ideale Gruppengröße sind 5 – 8 Personen.
  • Die Teilnehmer kommen von unterschiedlichen Hintergründen.
  • Die Teilnehmer haben Interesse am Thema und sind motiviert am Brainstorming teilzunehmen.
  • Es gibt einen professionellen Facilitator, der die Gruppe durch den Prozess führt.
  • Die Regeln des divergierenden Denkens werden vorher kurz trainiert und vom Facilitator immer wieder überwacht und wiederholt.
  • Alle Teilnehmer haben die Möglichkeit gleichzeitig zu schreiben und zu sprechen.
  • Die Brainstormingfrage wird vorgestellt und es gibt Kontextinformationen.
  • Teilnehmer haben die Möglichkeit, vor dem Brainstorming Fragen zu gestellten Aufgabe zu stellen.
  • Es finden eine Aufwärmübung statt, um die Teilnehmer in einen Brainstorming-Modus zu bringen.
  • Das Brainstorming findet in einem stimulierenden Umfeld statt.Brainstorming ist so eingesetzt eine gute Methode, um Ideen aus einer Gruppe herauszubekommen. In unserem Innovationsworkshop ist Brainstorming allerdings nur eine von mehreren Techniken, um Ideen zu entwickeln. Mit anderen Techniken und vor allem mit Hilfe des Facilitators lässt sich dann auch die oben angesprochene kognitive Fixierung verhindern.Wenn Brainstorming so eingesetzt wird, dann führt es auch zu Ergebnissen und zwar zu Ergebnissen, die ein Einzelner alleine oder die Summe von Einzelnen nur schwer erreichen können. Dies lässt sich auch in Studien nachweisen. Eine solche erschien bereits im Jahr 2005 (A Reexamination of Brainstorming Research: Implications for Research and Practice, Scott G. Isaksen and John P. Gaulin, Gifted Child Quarterly 2005 49: 315):Unmoderierte Gruppen erreichten in einem Brainstrorming nach Abzug der redundanten Ideen, 23 Ideen und damit weniger als die Nominalgruppe. Gruppen mit Facilitator erreichten 143. Und dies lediglich beim Einsatz einer Technik: „However, no individual generating ideas alone outperformed the real interacting group. Further, the two real brainstorming groups using facilitators generated an average of 126.5 nonredundant ideas per group compared to 58 for the nominal group. The two real brainstorming groups using Brainwriting produced an average of 208 nonredundant ideas per group. This represents a 400–600% improvement on fluency, clearly illustrating the impact of having a trained facilitator.“ (S.9)

    Fazit: Brainstorming funktioniert. Damit es funktioniert muss es allerdings richtig durchgeführt werden. Dies ist in den meisten Laborstudien nicht der Fall. Zugegeben, ist dies auch in sehr vielen Gruppensituationen in Unternehmen nicht der Fall. Daher lässt sich nachvollziehen, wie Menschen zur Auffassung kommen, dass Brainstorming nicht funktioniert.