In einer Gruppe lassen sich bessere Problemlösungen finden als alleine. Oft, aber nicht immer. Wir alle haben schon Situationen erlebt, in denen sich eine Gruppe von Wissensträgern zusammen gefunden hat, um Ideen und Lösungen auf wichtige Fragen zu entwickeln und es ist nichts dabei herausgekommen.

David Perkins, Professor aus Havard und Initiator von Project Zero hat in seinem Buch King Arthur’s Round Table, genauer erklärt, warum Gruppen oft ineffektiv zusammen arbeiten und wie dies zum Nachteil von ganzen Organisationen und der Leistungsfähigkeit von Organisationen wird.

Die Hürden von effektiver Gruppenarbeit

Es gibt eine Reihe von Faktoren, die das Arbeiten in Gruppen erschweren:

  • Die Fünf-Personen Grenze:
    Zu zweit denkt es sich besser als alleine und zu dritt besser als zu zweit. Wenn wir von zwei und drei Personen sprechen ist diese Formel noch richtig, allerdings ist mit vier bis fünf Personen eine Grenze erreicht, wo dieser Mehrwert ins Gegenteil umschlägt. Im Englischen spricht die Wissenschaft hier vom Five-Brain-Backlash: „As the number of people in the conversation increases, even if there are no sharp rivalries in the group, the complexity of the conversations often swells to a point where it becomes counterproductive. Above about five people, the added value of another head often does not compensate for the added complication introduced by an extra head.“

    Eine Gruppe mit der optimalen Größe
    Eine Gruppe mit der optimalen Größe
  • Machtspiele:
    Machtspiele verhindern, dass Gruppen an der inhaltlich besten Lösung arbeiten. Nur vordergründig geht es um eine Diskussion auf der inhaltlichen Ebene. Das andere Extrem wird von Perkins als „galoppierende Demokratie“ bezeichnet. Hier wird jedes Minidetail durchgesprochen und versucht, demokratisch abzustimmen bzw. zu einem Konsens zu kommen, dem alle zustimmen können. Auch das kann Gruppen lähmen.
  • Dominanz von regressiven Interaktionsmustern:
    In vielen Gruppen dominieren was Perkins als regressive Interaktionsmuster bezeichnet. Im Gegensatz zu progressiven Interaktionsmustern hinterlassen regressive Interaktionsmuster vereinfacht gesagt ein negatives Gefühl bei den Teilnehmern einer Konversation in Hinblick auf die Zusammenarbeit zwischen den Gruppenmitgliedern und die Effektivität der Problemlösungen in einer Gruppe.
  • Bei Innovation: Schwierigkeit das vorhandene Wissen zu neuen Lösungen zu kanalisieren:
    Speziell bei kreativen Problemlösungen in Gruppen kommen noch weitere Aspekte hinzu, wie sie der kanadische Forscher Min Basadur herausgearbeitet hat. In den meisten Gruppen gibt es keine Trennung der Entwicklung und der Bewertung von Handlungsalternativen, was zu langwierigen „ja, aber…“-Diskussionen führen kann. Und in den meisten Gruppen gibt es keine gemeinsame Vorstellung eines Prozesses des kreativen Denkens oder überhaupt ein Bewusstsein, dass kreatives Denken einem Prozess folgen kann. Das führt dann dazu, dass zwar eine Gruppe von Experten im Raum sitzt, diese ihr Wissen jedoch nicht so nutzen können, dass neue Lösungen auf eine Frage möglich werden.

Pathologien von Gruppenbesprechungen

Aufgrund der oben beschriebenen Hürden kommt es dann schnell zu Pathologien der Gruppenarbeit (David Perkins). Drei Aspekte lassen sich hier besonders hervorheben:

  • Sprunghaftes Denken:
    Der Mensch denkt assoziativ und sprunghaft. Dies hat mit der Funktionsweise unseres Gehirns zu tun. Die Notiztechnik des Mind Mapping ermöglicht es einzelnen, diese Eigenheit des Denkens zu nutzen und festzuhalten. In Gruppen kann dieses sprunghafte Denken jedoch dazu führen, dass sich die Diskussion in einer Gruppe fast zufällig von Stöckchen auf Steinchen bewegt und durch immer neue Schlüsselbegriffe in Themen abschweift, die sich weit weg vom eigentlichen Thema einer Besprechung befinden. Was bei informellen Gesprächen beim Essen, während der Kaffeepause oder auf Partys durchaus gewünscht ist, führt bei Besprechungen in Unternehmen schnell zu unproduktiver Zeitverschwendung.
    Ich vergleiche das gerne mit einer Gruppe galoppierender Pferde, die man immer wieder einfangen muss und auf die Spur zurück bringen muss.
  • Festdisktieren:
    Ein weiteres von Perkins beschriebenes Phänomen, das ich immer auch wieder in Innovationsworkshops besonders mit Ingenieuren beobachte, ist das zu schnelle Festlegen und Festdiskutieren an einem Punkt. Anstatt erst einen Überblick über das ganze Thema zu erhalten, beißt sich die Gruppe am ersten „interessanten“ Thema fest und diskutiert dieses tiefgehend und ausführlich. Oft stellt sich allerdings heraus, dass dieses Thema gar nicht das wirklich relevante ist. Die Zeit wurde dann allerdings schon auf die Detaildiskussion verbraten.
  • Groupthink:
    Von Groupthink spricht man, wenn die Leute zu ähnlich denken, sei es weil die Teilnehmer eine Gruppe alle einen ähnlichen Hintergrund haben oder (was noch schlimmer ist), weil es eine dominierende Person gibt, der keiner der anderen Teilnehmer widersprechen möchte:
    „Groupthink, a negative archetype of interaction identified by social psychologist Irving Janis, involves people thinking too much alike. Groupthink fails to capitalize on the diversity of experience and perspectives in the group. It misses the complexity of the problem on the table and the opportunity to treat the problem richly…“
    Konsequenz von Groupthink ist, dass ein Thema nicht ausreichend genug beleuchtet wird und einseitige und falsche Entscheidungen getroffen werden. Ein immer wieder zitiertes Beispiel sind die Besprechungen des Kennedy-Kabinetts vor dem Schweinebucht-Debakel in Kuba.

Eine Lösung: Einsatz eine Facilitators

Eine Lösung für viele der oben angesprochenen Schwierigkeiten ist nach Perkins der Einsatz eines Facilitators (auf deutsch am besten als Prozessmoderator übersetzt). Ein Facilitator ist eine neutrale dritte Person, die nicht inhaltlich an der Besprechung beteiligt ist, sondern sich nur um den Denkprozess der Gruppe kümmert und durch das nicht beteiligt sein erst darum kümmern kann. Das heißt, der Facilitator ist nicht der Chef, der gleichzeitig noch ein wenig moderiert, sondern eine unbeteiligte Person! Ein Facilitator ist mehr als das deutsche Wort Moderator ausdrückt, da der Facilitator über Wissen zu Denkprozessen (wie zum Beispiel Creative Problem Solving) und Denkwerkzeugen verfügt, die er bei Bedarf einsetzen kann, um der Gruppe zu helfen, ihr Ziel möglichst effektiv zu erreichen.

Große Gruppe mit Facilitator während eines Innovationsworkshops
Große Gruppe mit Facilitator während eines Innovationsworkshops

Für spezielle Themen gibt es speziell ausgebildete Prozessmoderatoren, wie wir von creaffective es zum Beispiel für einen Innovationsworkshop oder einen Strategieworkshop sind. In unseren Workshops kann ein Facilitator mit bis zu 12 Personen sinnvoll arbeiten ohne das die Komplexität der Gruppe ein Niveau erreicht, an dem effektives Arbeiten unmöglich wird. Meine persönliche Erfahrung ist, dass besonders bei Innovationsworkshops die Gruppe sehr eng und strikt geführt werden muss, da wir sonst schnell wieder oben beschriebenen Pathologien sichtbar werden.
In einem vorherigen Artikel habe ich einen Prozess beschrieben, wir unser Kunde Bosch diesen für die Ausbildung von Facilitators zur Moderation von Innovationsworkshops einsetzt.