In einem Telefonat mit einem Kunden vor einigen Wochen kamen wir im Gespräch auf „radikale“ oder nicht-inkrementelle Innovation. Dabei wurde die Frage aufgeworfen, ob es dafür spezielle Kreativitätstechniken gäbe, die dabei hilfreich sein können. Ja, die gibt es. Im Rahmen von unseren Innovationsworkshops können diese auch zum Einsatz kommen, um besonders originelle Ideen zu entwickeln.
Diese Ideen zu entwickeln ist für diesen Kunden, wie für die meisten Firmen, jedoch eine vergleichsweise einfache Aufgabe. Die größere Herausforderung wird die Ausarbeitung und Umsetzung dieser Idee vor dem Hintergrund der Organisationsstruktur des Kunden sein. Die meisten Unternehmen (Apple wird zur Zeit immer wieder als ein erfolgreiche Ausnahme zitiert) sind aufgrund ihrer Organisationsstruktur „fundamental inkompatibel“ mit radikaler Innovation. So bezeichnen es zumindest die Autoren des sehr lesenswerten Buches „The Other Side of Innovation„. Einige Erkenntnisse dieses Buches möchte ich in diesem Artikel vorstellen.

Unternehmen sind Effizienzmaschinen

In ihrer Gründungsphase dreht sich in vielen Start-ups alles um die Umsetzung und Einführung einer innovativen Idee. Da es keine bestehenden organisationalen Strukturen und Traditionen gibt, kann sich alle Energie auf die Umsetzung dieser Ideen konzentrieren. Oft verläuft diese Phase relativ ungeordnet, es gibt viel Freiheit und (fast) alles ist möglich.
Nach der Einführung des ersten innovativen Produktes oder Services beginnt jedoch die nächste Phase der natürlichen Evolution von Unternehmen. In einem Vortrag eines Venture Capital Unternehmens, den ich besucht habe, sagte der Redner dazu, dass sich das Start-Up häuten müsse. In dieser Phase geht es darum, aus der innovativen Idee zuverlässig und wiederholbar Profit zu generieren. Es geht nun darum, Effizienz in den Laden zu bringen. Dazu werden standardisierte Prozesse und Regeln eingeführt, um diese Effizienz zu gewährleisten und die Cashcow entsprechend zu melken. Es bildet sich nach den Autoren von „The Other Side of Innovation“ die sogenannte „Performance Engine“ heraus. Diese sorgt nun dafür, dass das Brot und Butter Geschäft zuverlässig läuft und Umsätze generiert werden. Mit zunehmender Größe eines Unternehmens steigt auch die Komplexität der Organisation; Regeln und Prozesse nehmen zu und Machtzentren bilden sich heraus.
Diese Art der Organisation ist inkompatibel mit radikalerer Innovation die per Definition nicht zuverlässig wiederholbar ist und sich außerhalb aller bestehenden Praktiken befindet. Dies erklärt auch, warum es besonders für größere Unternehmen mit gewachsenen Strukturen so schwer ist, diese Art der Innovation hervorzubringen. Gleichzeitig, so Vijay Govindaraja in einem Interview bei Havard Business Review, braucht die Welt große Unternehmen, um die großen Herausforderungen anzupacken, da meist die großen Unternehmen über das notwendige Kapital, Know How und die passende Infrastruktur verfügen.

Zwei Arten von Innovation: Routinemäßig und schwierig

Es gibt so viele Kategorien von Innovation, wie es Wissenschaftler gibt, die dazu forschen. Govindaraja und Trimble unterscheiden für ihr Buch lediglich zwei Arten: Routinemäßig und schwierig. Ihre Innovationskategorisierung nimmt dabei die Innensicht eines Unternehmens ein und nicht die des Marktes. Auch bei der Definition von Innovation bleiben die Autoren sehr allgemein: „An innovation is any project that is new to you and has an uncertain outcome“ (S. 5).

Unternehmen mit einer Performance Engine haben gute Karten, wenn es darum geht, routinemäßige Innovation hervorzubringen. Routinemäßig heißt dabei, dass auf bestehende Prozesse und Strukturen in einem Unternehmen zurückgegriffen werden kann und die Innovation innerhalb der bestehenden Strukturen realisiert werden kann. Dazu gehören kontinuierliche Verbesserungsprozesse und zum Beispiel die Entwicklung der nächsten Generation eines Produktes, aufbauend auf den bisherigen Modellen. Dabei geht es meist darum das Bestehende geringfügig zu verändern und begrenzt zu erweitern. Darin sind gewachsene Unternehmen sehr gut.
Schwierige Innovation ist eine Innovation die nicht mit bestehenden Strukturen und Prozessen abgebildet werden kann. Ein Beispiel ist die Entwicklung von Elektroantrieben für Automobile, für die es neben der noch nicht ausgereiften Technik auch meist nicht die passenden Strukturen im Unternehmen gibt. Nun müssen plötzlich ganz andere Abteilungen und Experten mit einander sprechen, die bisher nicht zusammen gearbeitet haben und möglicherweise vor dem Hintergrund der bestehenden Arbeit keinerlei Anlass sehen miteinander zu sprechen.
Das Problem lässt sich auf die Menschen und deren Gewohnheiten herunterbrechen. Auch das menschliche Gehirn ist eine Effizienzmaschine und es ist schwer, eingefahrene Denkbahnen und liebgewonnene Gewohnheiten zu verändern. Deswegen scheitern viele innovative Ideen bei der Umsetzung in Unternehmen und nicht deshalb, weil die Idee an sich nicht machbar wäre.

Ein spezielles Team mit anderen Regeln und Strukturen

Es ist nicht unmöglich, radikale Innovation in etablierten Unternehmen hervor zu bringen. Das Miteinander zwischen Effizienz und Innovation in einem Unternehmen ist machbar, wenn auch nicht überall im Unternehmen. Das wäre auch gar nicht erstrebenswert, da kein Unternehmen nur vom Bestreben nach radikaler Innovation überleben kann.
Eine Möglichkeit, diese organisationalen Barrieren zu umgehen, ist es einen „Container“ zu schaffen, der nach anderen Regeln und anderen Bewertungsmaßstäben funktioniert als die etablierte Organisation. Dabei kann es nicht darum geht einen kleinen David zu schaffen, der gegen den großen Goliath kämpft, da der Innovationscontainer Ressourcen, Know How und Unterstützung der Effizienzmaschine benötigt. Dies zu organisieren ist mit vielen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten verbunden.
Wie dies gelingen könnte und was die Forschung in den letzten Jahren in Zusammenarbeit mit Unternehmen herausgefunden hat, beschreibt das Buch.