Meine moderierten Innovationsworkshops finden fast ausschließlich in Firmen und anderen Organisationen statt. Kürzlich habe ich einen Vortrag zu Methoden der strukturierten kreativen Problemlösung vor dem Managerkreis einer parteinahen Stiftung gegeben. In der anschließenden Diskussion kam die Frage auf, in wie weit der von mir geschilderte Prozess der kreativen Problemlösung auch in der Politik zum Einsatz kommen könne.

Probleme mit offenem Ende erfordern kreative Problemlösung
Grundsätzlich lassen sich Verfahren der strukturierten kreativen Problemlösung auf alle Probleme mit offenem Ende anwenden, d.h. Fragestellungen, bei denen der Weg zu einer Lösung nicht klar ist oder die Lösung selbst noch unklar ist. Bei geschlossenen Problemen gibt es eine Standardprozedur zur Lösung des Problems, sobald man dieses einmal definiert hat, z.B. die Reparatur eines kaputten Fahrradreifens. Viele Fragestellungen im politischen Prozess sind offene Probleme, die Themen Opel-Verkauf und Finanzkrise allgemein sind Beispiele dafür.

Unter Politik verstehe ich hierbei den Prozess zwischen politischen Gegnern und den damit verbundenen Interesses- und Zielkonflikten (engl. politics, in Abgrenzung zu polity und policy). Staatliche Institutionen an sich sind durchaus offen und interessiert an Innovation. Besonders im militärischen Bereich gibt es traditionell Programme für Ideenfindungsworkshops und Trainings zur innovativen Problemlösung. Offen kommuniziert wird dies z.B. vom Verteidigungsministerium in Singapur. Mit Politik meine ich hier allerdings etwas anderes.

Die Besonderheiten des politischen Prozesses

Politik und „politische Spielchen“ gibt es in jedem Unternehmen, allerdings selten in Reinform, wie in der Politik. Was zeichnet diese aus?

  1. 1.In der Politik gibt es oft eine Fokussierung auf bestimmte Positionen, die wiederum Ergebnis von parteiinternen Abstimmungsprozessen sind. Im Gegensatz zu Interessen beharren Positionen auf einer bestimmten festgelegten Aussage, z.B. „Wir wollen einen Mindestlohn“. Ein Interesse könnte z.B.folgendermaßen formuliert werden „Wir möchten eine bessere Bezahlung für Menschen mit niedrigen Löhnen ermöglichen“. Für die zweite Aussage gibt es auch noch andere Möglichkeiten als den Mindestlohn. Die Fokussierung auf Positionen macht es schwer, andere Lösungsmöglichkeiten anzudenken, anders sieht es bei Interessen aus.
  2. Zumindest in der öffentlichen Darstellung verbindet man mit Parteien und Personen bestimmte Rollen und Aussagen. Dies wiederum erschwert es, bei einer Problemlösung in alle Richtungen zu denken, da oft automatisch sofort ein Abgleich mit den bisherigen Aussagen statt findet. Die Bahnen innerhalb derer gedacht werden kann sind bereits sehr festgelegt. Damit wird divergierendes und konvergierendes Denken vermischt, was die Formulierung neuer Lösungen erschwert.

Einsatzmöglichkeiten in der Politik
Ich denke, ein Einsatz von kreativen Problemlöseprozessen kann auch in der Politik sehr hilfreich sein, allerdings müssen die Voraussetzungen stimmen:

  • Es muss die Bereitschaft da sein in verschiedene Richtungen zu denken, auch außerhalb bestehender Parteipolitik. Keine hidden agenda.
  • Es muss die Motivation bestehen, bei einem Problem wirklich zu handeln und Veränderungen herbei zu führen.

Klingt alles selbst verständlich, ist es aber keineswegs.

Das bedeutet natürlich nicht, dass dabei alle bisherigen Grundsätze aufgegeben werden müssen. Diese werden sich als Kriterien in der Bewertung von gefundenen Lösungen sicherlich wieder finden. Die Suche nach neuen Lösungen ist allerdings grundsätzlich erst einmal ergebnisoffen. Es ist viel leichter eine „verrückte“ Idee „realistisch“ zu machen, als eine langweilige Idee mit Leben zu füllen.
Ein weiterer Aspekt, wo Verfahren der kreativen Problemlösung sehr hilfreich sein können, ist bei der Problemdefinition. Oft kann ein leicht veränderter Problemfokus bereits viele Knoten lösen und scheinbar unüberwindbare Interessensgegensätze (nicht Positionen) vereinen, indem ein Problem so formuliert wird, dass sich bei einer Lösung verschiedene Interessen befriedigt würden.

Besonders interessant wäre meiner Meinung nach der Einsatz von Prozessen der innovativen Problemlösung, wenn es sich um nicht öffentliche interne Treffen handelt, bei denen ein geschützter Raum vorhanden ist – zumindest zu einem gewissen Grad –, der es den Teilnehmern ermöglicht sich „frei“ zu äußern.