Quelle: Flickr, Fredi Vallina

Wenn ich mich lieber an jedes andere Fleckchen Erde wünsche, als den Meetingraum, in dem ich gerade besonders originelle und innovative Ideen für das neue Produktportfolio generieren soll, baue ich selbst Hürden für meine Kreativität. Die Meetingkultur wird schnell leiden. Es ist kein großes Geheimnis- wer sich für eine Sache nicht begeistern und motivieren kann, wird darin auch nicht sehr erfolgreich sein. Egal in welchem Lebensbereich.

Oft spielen viele Faktoren eine Rolle, weshalb Mitarbeiter nicht bei der Sache sind und neue Ideen sich im letzten Winkel des Kopfes verstecken. Unsere Praxis zeigt, dass es meist gar nicht konkret um die Inhalte geht – wie eigentlich naheliegen würde.

Überquellender Terminplan: Überfüllte Köpfe verstopfen Kreativität

In den meisten Fällen ist der Grund für eine schlechte Meetingkultur schlicht und einfach ein Stress- und Zeitproblem. Folgendes Szenario hat der eine oder andere sicher schon einmal selbst erlebt: Ein Meeting wird einberufen. Aus verschiedensten Gründen benennt der Chef einen Mitarbeiter, der ihn vertreten soll. Da der so nachgerückte Mitarbeiter möglicherweise kurzfristig erkrankt ist, wird am Vorabend eine Vertretung der Vertretung bestimmt.

Der „Unglücksrabe“, sagen wir Max, ist inhaltlich nicht mit dem Stand der Dinge vertraut und muss gezwungenermaßen sämtliche Termine für den Tag kurzfristig absagen. Anstatt gedanklich bei der Gruppe und neuen, innovativen Ideen zu sein, kreisen die Gedanken von Max andauernd um sein Tagesgeschäft und die Wut, fremdbestimmt an diesem Ort zu sein. „Ich muss Herrn Maier noch Bescheid geben, dass der geplante Termin um 14:00 Uhr ausfällt. Wann soll ich nur das Angebot fertigstellen? Wenn ich heute schon wieder eine Nachtschicht einlege, bekomme ich Probleme mit meiner Frau.“ Der Gedankenloop ist endlos. In den sparsam bemessenen Pausen hetzt Max zum Telefon und versucht alle Bälle in der Luft zu halten- um wenigstens das nötigste für diesen Tag bewerkstelligt zu bekommen. In der „Kreativzeit“ der Gruppe ist er so gebannt von seinen Gedanken, dass er sich im Autopiloten artikuliert und sich den Zugang zu wirklich neuen Ideen abschneidet.

Der Kampf gegen das Tagesgeschäft

Nun. Genau während diesem inneren Kampf der Teilnehmer mit sich selbst, soll die Gruppe ihr gesamtes Innovationspotential für das nächste Jahr zeigen. Mehr als dieser eine Termin für das neue Produktportfolio kann schließlich nicht angesetzt werden. Noch mehr Zeit, die für das Tagesgeschäft fehlt, wo kommen wir denn da hin?

Wenn nun Max, Julia, Andreas, Sandra und Laura in dem Meeting eine ähnliche Arbeitsbelastung haben, können Sie sich ausrechnen, wie viele vielversprechende Ideen generiert werden. Auch mit den besten Kreativitätstechniken ist das Dilemma vorprogrammiert. Und das ist kein Einzelfall.

Natürlich ist dieses Szenario recht überspitzt formuliert, aber ich kann aus meinem praktischen Berufsalltag als Moderatorin und Coach für Kreativität und Innovation bestätigen, dass oft ein großer Anteil an Teilnehmern nur körperlich anwesend ist.

So wichtig das Tagesgeschäft, das Brot- und Buttergeschäft für ein Unternehmen ist, so wichtig ist der Umstand, den Mitarbeitern Luft für Innovation und Kreativität zu lassen.

Abhilfe schaffen

Neben einer bewussten Entscheidung einer Firma, ihre Mitarbeiter zu entlasten und Kreativzeiten zu schaffen, gibt es verschiedene weitere Möglichkeiten in einem solchen Setting trotzdem bewusst anwesend zu sein. Es macht keinen Sinn, die ursprünglichen Termine zu verpassen, und beim eigentlichen Termin nichts beizutragen.

Techniken aus dem MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction) können helfen, mich aus dem Autopiloten zu befreien und bewusst in diesem Moment anwesend zu sein. Sich nur auf eine einzige Sache zu konzentrieren.

Ebenso hilft ein gutes Unternehmensklima oder eine gute Führungskultur, die bewusst auf dieses Thema eingeht. Das könnte darin bestehen, mit einer kurzen Runde zu starten, die wir „Check-in“ nennen. Wie geht es mir gerade, worum drehen sich die Gedanken in meinem Kopf. Schnell kann ich einmal Ausgesprochenes beiseite legen. Eine klare Regel zum Laptop- und Handygebrauch hilft ebenso. Alle Handys kommen in eine Kiste auf dem Tisch, ich stelle für die Zeit meiner Abwesenheit einen Autoresponder ein.

Am wichtigsten ist, sich der Situation zunächst bewusst zu werden. Dann kann Sie geändert werden und die immer wieder kreisenden Gedanken nehmen langsam ab. Versuchen Sie es einfach das nächste Mal. Denn das nächste Kreativmeeting kommt bestimmt.