Wer A sagt muss auch B sagen? Führt eine Veränderung der Ablauforganisation mit agilen Methoden unweigerlich zu einer Veränderung der hierarchischen Strukturen?

Für mein aktuelles Buch zum Thema Innovationspraktiken in selbstorganisierten Unternehmen habe ich bereits zwölf Unternehmen interviewt und besucht, um besser zu verstehen, wie diese mit agilen Methoden und Systemen der Selbstorganisation arbeiten.
Dabei ist mir aufgefallen, dass in der öffentlichen Diskussion zum Thema Agilität zwei Dinge nicht getrennt werden, die aus meiner Sicht jedoch separat betrachtet werden sollten. Einmal sprechen wir vom Einsatz agiler Methoden wie SCRUM, OKRs (Objectives and Key Results) und im weitesten Sinne Design Thinking. Auf der anderen Seite gibt es Systeme der Selbstorganisation wie Holakratie (engl. Holacracy) und Soziokratie oder eigens entwickelte Formate. Beides wird gerne unter dem Schlagwort der Selbstorganisation und des agilen Unternehmens subsumiert.

Für mich fehlt die fundamentale Unterscheidung zwischen einer Veränderung des Unternehmens in der Ablauforganisation oder Projektorganisation und der Veränderung in der Aufbauorganisation.
Die Projektorganisation beschreibt, wie Operatives auf Teamebene behandelt wird. Die Aufbauorganisation skizziert die Struktur eines Unternehmens und die Frage der Verteilung von Macht und Managementaufgaben.

Die meisten Unternehmen, die mit agilen Methoden experimentieren, beginnen mit dem Einsatz agiler Methoden in der Ablauforganisation. Das heißt, sie nutzen SCRUM, Kanban, OKRs etc. Dabei bleibt meist die Aufbauorganisation erst einmal unberührt.

Quelle: Pixabay.com

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Unternehmen, die mit Holakratie oder Soziokratie arbeiten, verändern die grundlegende Aufbauorganisation. Das hat deutlich weitreichendere Konsequenzen. Denn dann geht es generell um die Frage, wie Macht verteilt wird und wer, wann, welche Entscheidungen genau treffen darf. Außerdem hat eine Veränderung der Aufbauorganisation fast immer auch eine Veränderung der Ablauforganisation zur Folge. Momentan ist die Ablauforganisation in Unternehmen ja immer an eine hierarchische Aufbauorganisation angepasst.

Auf der anderen Seite werden Unternehmen, die sich jetzt Agilität auf die Fahnen schreiben und mit Methoden in der Projektorganisation experimentieren bald mehr wollen. Nach den Aussagen meiner Interviewpartner kommt mit Scrum und Co. relativ bald auch der Punkt, an dem die Beteiligten in der Folge auch über eine Veränderung der Aufbauorganisation sprechen möchten. Dies kann gerade in großen Organisationen schnell zu Spannungen und Frustration führen. Führungskräfte, die in einem hierarchischen System sozialisiert sind und es sich dort eingerichtet haben, sehen sich nun mit Forderungen nach Veränderungen konfrontiert. Die Konsequenz ist meist, dass die agilen Veränderungen an Grenzen stoßen und weiterführende Schritte vom Immunsystem der Organisation neutralisiert werden.
In vielen kleineren Organisationen kann sich hier jedoch eine Dynamik entwickeln, die schnell zu Veränderungen in der Grundlegenden Struktur der Firma führt.

Aus meiner Sicht sollten diese beiden Ebenen von Selbstorganisation gleich zu Beginn im Blick sein.

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