Wie man Ideen bewertet und auswählt

Wenn wir in Trainings, Workshops und Projekten Ideen entwickelt haben und an die Ideenbewertung und -auswahl gehen, setzen wir konvergierende Methoden ein, um die Anzahl der Ideen auf ein überschaubares Maß zu reduzieren. Häufig kommt der Einwand der Teilnehmer: „Aber dann gehen Ideen ja verloren!“ Viele Menschen fürchten, dass spannende Ideen durch das Raster fallen, wenn wir mit Denkwerkzeugen die Anzahl der Ideen schnell und radikal zusammenstauchen.
Die Reaktion ist verständlich, beruht aber auf einigen Missverständnissen, die ich in diesem Blogartikel aus der Welt schaffen möchte.

Divergieren schafft bewusst „zu viel“

Das erste Missverständnis beruht auf einem Mangel an Erfahrung mit dem divergierenden Denken. Wenn wir Ideen entwickeln – oder wie wir es nennen, „erkunden“ – schaffen wir ganz bewusst eine Anzahl an Ideen, die weit über das notwendige Maß hinausgeht. Der Grund dafür: Wir wissen vorher noch nicht, welche Ideen uns weiterbringen. Und wenn wir während dem Divergieren bereits anfangen, zu evaluieren und zu filtern, besteht die akute Gefahr, dass die Stimmung im Team kippt und das verspielte divergierende Denken durch das kritische konvergierende Denken ersetzt wird. Deswegen verschieben wir diese Diskussionen auf später.
Mit anderen Worten: Um sicherzustellen, dass wir für die spätere Diskussion eine gute Grundlage haben, erkunden wir weit mehr Ideen, als wir eigentlich brauchen und wollen. Nur weil für 60 Ideen auf einer Pinnwand haben, müssen wir nicht über 60 Ideen sprechen.

Pareto-Prinzip

Das zweite Thema ist das der Effizienz. Wenn wir beschließen, alle 60 Ideen bewerten zu wollen, um ja nichts Relevantes unter den Tisch fallen zu lassen, brauchen wir dafür Zeit. Im Team wird über einen Großteil der Ideen diskutiert werden, es wird verschiedene Meinungen geben, und es wird Differenzen geben. Ideen zusammenzufassen, zu clustern oder auch wieder herauszunehmen ist notwendig, dauert bei so vielen Ideen aber sehr lange.
Im Vergleich dazu kommen wir mit Werkzeugen wie der Teleskopmethode schnell zu einem Ergebnis. Und aus der Erfahrung heraus können wir sagen: Das Ergebnis weicht nicht stark von dem ab, wenn wir direkt geclustert und bewertet hätten. Bei der Teleskopmethode fallen sicher ein paar Ideen heraus, die es sonst in die nächste Runde geschafft hätten. Aber diese wenigen Ideen sind den massiven Zeitaufwand nicht wert, den wir sonst betrieben hätten. Und: Wir wollen gar nicht so viele Ideen wie möglich „retten“ oder mitschleifen, weil uns das nur ausbremst.

Effektives Ideen- und Innovationsmanagement

Das größte Missverständnis bei der Ideenbewertung ist die Annahme, dass wir so viele gute Ideen wie möglich mitnehmen wollen. Klar, wir brauchen gute Ideen. Und ja, wir brauchen am Ende sicher mehr als zwei oder drei davon. Aber das Ziel ist letztendlich die Umsetzung der Ideen. Mit Denkwerkzeugen kann man im Team sehr schnell (innerhalb weniger Stunden) eine enorme Anzahl an Ideen entwickeln. Die Frage ist, wer setzt sie danach um? Wenn wir alle zwei Wochen einen Ideenworkshop abhalten würden und alle Ideen mitnehmen, würden sich die Ideen irgendwann geradezu aufhäufen.
Das Ziel eines jeden Kreativprozesses – und das gilt auch für Prozesse aus dem Ideen- und Innovationsmanagement – muss sein, eine Anzahl an Lösungen zu finden, die mit den bestehenden Ressourcen auch umgesetzt werden kann. Und natürlich sollten die Ideen mit dem größten Potential darunter zu finden sein.
Konkret bedeutet das, dass man sich von der Angst freimachen muss, Ideen „zu verlieren“. Selbst wenn die eine oder andere gute Idee unter den Tisch fällt: Wer zu viele Ideen zur Umsetzung hat, der tanzt auf zu vielen Hochzeiten. Am Ende wird nichts richtig umgesetzt und Frustration macht sich breit. Am Ende von Kreativ- und Innovationsprozessen landet man immer wieder bei strategischen Entscheidungen. Diese legen nicht nur fest, was man machen möchte und sollte, sondern auch, was man nicht machen kann. Solche Entscheidungen sind manchmal schmerzhaft, aber notwendig für den Innovationserfolg.