Der Zusammenhang zwischen Facilitation und Führung

Der Begriff Facilitation ist im Deutschen schwer wiederzugeben, wird häufig aber einfach als Moderation übersetzt. Dabei gibt es im Englischen auch den Begriff „Moderator“ für jemanden, der Diskussionen und Meetings begleitet. Ein Facilitator hingegen begleitet nicht nur, sondern steuert ein Meeting oder einen Innovationsworkshop durch Methodendesign und –anwendung. „To facilitate“ bedeutet nicht zuletzt, etwas zu „ermöglichen“ oder zu „erleichtern“. Facilitator ebnen den Weg für ein Team, sie schaffen produktive Diskussionen, sie zeigen Möglichkeiten auf, wenn der Arbeitsfluss ins Stocken gerät.

Moderne Führungsstile

Wenn man sich diese Beschreibung durch den Kopf gehen lässt, fällt eine starke Parallele zu modernen Führungsstilen auf. Beeinflusst durch amerikanische Denkweisen ist ein Bild moderner Führungskräfte entstanden, die „visionär führen“ und dem Team den Weg frei machen. Eine Führungskraft dieser Art gibt nach wie vor Ziele vor, hat aber hauptsächlich die Aufgabe, unterstützend zur Seite zu stehen, wenn es Probleme gibt. Und: Eine moderne Führungskraft muss nicht über mehr fachliche Expertise verfügen als das Team.
Hier zeigt sich bereits eine deutliche Parallele zum Facilitator: Die fachliche Kompetenz liegt beim Team, nicht beim Facilitator und auch nicht bei der Führungskraft. Die Fähigkeit, Teamprozesse so zu unterstützen, dass jedes Teammitglied seine oder ihre Kompetenz voll ausspielen kann, ist für Facilitator und Führungskräfte gleichermaßen wichtig.
Natürlich entspricht die Rolle eines Facilitators nicht automatisch der einer Führungskraft. Im agilen Umfeld beispielsweise gibt es eine Trennung zwischen dem SCRUM-Master, der methodisch begleitet, dem Product Owner, der die Verantwortung für das Projekt trägt, und dem Teamleiter, der als „klassische“ Führungskraft fungiert. Da sich der Fokus der jeweiligen Rolle unterscheidet, ist diese Art von Trennung notwendig.

Von Facilitation lernen

Spannend für Führungskräfte ist die Frage, was man vom Prozess der Facilitation lernen kann. Der größte Mehrwert von Facilitation für das Führungsverhalten liegt in der besseren Anleitung des Teams. Will man als Facilitator eine Gruppe von Mitarbeitern durch die Anwendung eines Denkwerkzeugs führen, muss man natürlich sowohl das „Wie?“ als auch das „Warum?“ der Methode erklären. Ohne gemeinsames Verständnis mangelt es an Unterstützung und Engagement seitens der Mitarbeiter. Der entscheidende Teil der Anleitung ist es aber, Input und Output eines Werkzeugs klar zu definieren. Der größte Fehler, den man als Facilitator machen kann, ist es, dem Team keine klare Vorstellung vom gewünschten Ergebnis zu geben. Denn der Output eines Werkzeugs ist für den weiteren Verlauf des Prozesses essentiell. Stimmt der Output nicht, haben sowohl die Gruppe als auch der Facilitator ein Problem. Der Fehler liegt dann aber ganz klar beim Facilitator, denn dessen Aufgabe ist es ja gerade, dem Team ein produktives Arbeiten zu ermöglichen.
Bei Führungskräften verhält es sich ähnlich. Da Führungskräfte immer in irgendeiner Form Arbeitspakete verteilen, sind sie in einer ähnlichen Position wie der Facilitator im Workshop. Wenn eine Führungskraft nicht in der Lage ist, das gewünschte Ergebnis eines Arbeitsauftrags klar zu formulieren, muss der Mitarbeiter improvisieren und mit Hilfe von „Trial&Error“ arbeiten. Das Ergebnis kann dann natürlich stark von den Wünschen der Führungskraft abweichen, was Nachbesserung und damit zusätzliche Kosten bedeutet. Wird der Mitarbeiter dann auch noch für das schlechte Ergebnis verantwortlich gemacht, sinkt dauerhaft die Motivation.

Klare Anleitung oder Mikromanagement?

Die klassische „Lösung“ dieses Problems ist das Mikromanagement. Man schaut dem Mitarbeiter ständig auf die Finger, um möglichst früh Korrekturen in der Arbeit übernehmen zu können. Gerade hier kann Facilitation-Erfahrung weiterhelfen. Ein guter Facilitator steht natürlich auch während der Teamarbeit weiterhin als Ansprechpartner zu Verfügung. Der Mehrwert eines Facilitators erschließt sich ja gerade aus dem eingebrachten Methodenwissen. Viele Denkwerkzeuge zielen zwar auf einen finalen Output ab, sind aber in mehrere logische Zwischenschritte unterteilt. Werden diese nicht erklärt, wird es für das Team schwer, den gewünschten Output zu erreichen.
Als Führungskraft muss man sich also die Frage stellen, inwieweit man das prozessuale Vorgehen erklären muss oder soll. Die freie Wahl der Arbeitsweise kann eine Quelle der Motivation sein, vor allem bei erfahrenen Mitarbeitern. Gleichzeitig kann eine Unterstützung der Arbeitsprozesse eine Erleichterung darstellen, wenn man dadurch leichter an ein hoch gestecktes Ziel kommt. Die Quintessenz ist aber diese: Je präziser das gewünschte Ergebnis formuliert ist, desto mehr Freiheit kann man dem Team lassen. Hat man die Ziele klar definiert und für alle verständlich gemacht, tun sich Mitarbeiter auch leichter damit, gezielt Fragen zur Vorgehensweise zu stellen. Der Mehraufwand, der durch diese saubere Definition der Ziele entsteht, spart hinterher eine gewaltige Menge an Zeit und Nerven, da bereits beim ersten „Versuch“ eine gute Passung zwischen gewünschtem und tatsächlichem Ergebnis vorhanden sein wird.