Alle Modelle sind falsch, aber manche sind hilfreich. Aus der Kreativitätsschule des Design Thinking gibt es das Modell der drei Herangehensweisen oder drei Startpunkte der Innovation. Um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob eine Idee für ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung erfolgreich auf dem Markt sein kann, muss diese drei Kriterien entsprechen.

  • Technische Machbarkeit
    Eine Idee muss technisch überhaupt machbar sein, damit sie umsetzbar wird.
  • Wirtschaftliche Rentabilität
    Um Erfolg zu haben, muss sich – zumindest aus Sicht von profitorientierten Unternehmen – eine Idee irgendwann rechnen. Das heißt, ein Unternehmen muss damit Geld verdienen.
  • Verlangen von Nutzern
    Die Idee muss für späteren Nutzer attraktiv sein, in dem Sinne, dass es ein Nutzerbedürfnis gibt, welches die Idee befriedigt. Weil dies so ist, wird ein potenzieller Nutzer die Lösung mit hoher Wahrscheinlichkeit attraktiv finden.

Drei Kriterien als Ausgangspunkt für Innovation

Diese drei Kriterien kann man nicht nur als Kriterien zu Bewertung von Ideen sehen, sondern auch als Ausgangspunkt für Innovation. Als Unternehmen kann man von jedem dieser drei Punkte starten. Ein Unternehmen kann sich also fragen:

  • „Was wäre technisch noch machbar oder denkbar?“
  • „Was wäre wirtschaftlich rentabel?“
  • „Welche Bedürfnisse können wir noch besser befriedigen?“

Eigentlich sollten die anderen beiden Aspekte irgendwann eine Rolle spielen, egal von welchem Punkt aus man startet. Vertreter der Design Thinking Schule kritisieren, dass zu viele Unternehmen vor allem die technische Machbarkeit im Blick haben und viel Zeit darin investieren, was denn technisch noch denkbare wäre ohne den Nutzer im Blick zu haben. Die Gefahr dabei kann sein, dass Ergebnisse herauskommen, die nicht wirklich im Sinne des späteren Nutzers sind, die ihm dann aber irgendwie schmackhaft gemacht werden sollen. Dies kann ich aus Erfahrungen mit machen Kunden durchaus bestätigen. Unternehmen sind so auf die Innensicht fokussiert, dass der Nutzer oft sehr spät und in einem sehr fortgeschrittenen Stadium ins Spiel kommt.

Design Thinking geht bewusst den anderen Weg und beginnt mit den Nutzerbedürfnissen. Es geht also im Design Thinking darum, zuerst den Nutzer besser zu verstehen und dann zu überlegen, wie dieses Bedürfnis technisch machbar adressiert werden kann und wie die Lösung wirtschaftlich rentabel gestaltet werden kann.

Erweiterung um das Kriterium der eigenen Fähigkeiten

Eine sehr reale Gefahr beim Einsatz des Design Thinking ist es, dass Lösungen herauskommen, die zwar ein Nutzerbedürfnis adressieren, die wahrscheinlich wirtschaftlich rentabel sind, die auch technisch prinzipiell machbar sind, aber die vom ausgehenden Unternehmen nicht umgesetzt werden können. Dieses Problem tritt oft auf, wenn externe Agenturen und Beratungen – wie auch creaffective – für Kunden mit Hilfe des Design Thinking etwas entwickeln.

Im Zuge unserer Innovationsberatung haben wir mit vielen Unternehmen über ihre Erfahrungen mit Beratern und Agenturen gesprochen. Eine der häufigsten Rückmeldungen war in der Tat, dass von Agenturen vorgeschlagene Lösungen oft zentrale Rahmenbedingungen des beauftragenden Unternehmens nicht berücksichtigen und daher nicht umgesetzt werden können. Aus diesem Grund versuchen wir mit Kunden einen Co-Creation Ansatz zu fahren, um sowohl die interne als auch die externe Sicht im Prozess adäquat zu berücksichtigen und dieses Problem zu vermeiden.

In einem Gespräch mit André Krischke, Professor für Supply Chain Management an der Hochschule München, habe ich kürzlich über das obige 3-Kriterien Modell gesprochen. André hat dabei vorgeschlagen, das obige Modell um ein viertes Kriterium zu erweitern: Die unternehmenseigenen Fähigkeiten.

In der Innovationsmanagement-Praxis gibt es die Unterscheidung zwischen Market Pull und Technology Push als zwei Strategie-Ansätze, wie ein Unternehmen an Innovation heran gehen kann. Entscheidet man sich für den Technology Push, dann wären wir wieder beim obigen Ausgangspunkt der technischen Möglichkeiten. Der Technology Push Ansatz kennt dabei eine sogenannte Potenzial-Portfolio Matrix mit deren Hilfe man nach (1) der Zukunftsfähigkeit einer Technologie und (2) der Technologiebeherrschung durch das Unternehmen kategorisieren kann. Die vierte Kriterium der unternehmenseigenen Fähigkeiten umfasst nach meinem Verständnis den Aspekt der Technologiebeherrschung, berücksichtigt aber auch noch andere nicht-technologische Fähigkeiten. Damit unterscheidet es sich auch von der technischen Machbarkeit.

Der Nutzer sollte nach wie vor am Anfang stehen

Aus unserer eigenen Praxis mit Kunden würde ich dem Design Thinking zustimmen, dass der Ausgangspunkt der Innovationsüberlegungen der Nutzer und seine Bedürfnisse sein sollten. Dabei kann es sich auch um ein angenommenes Bedürfnis handeln, das im Moment noch gar nicht befriedigt werden kann, weil es noch keine technische Lösung dafür gibt. Man denke hier zum Beispiel an das Konzept von Tablets bevor es Tablets gab. Dann sollten die unternehmenseigenen Fähigkeiten gleichzeitig in den Blick kommen, da diese aus meiner Erfahrung zusammen mit den wahrgenommenen Nutzerbedürfnissen beeinflussen in welche Richtung innoviert wird. So erleben wir das immer wieder in unseren Innovation Camps, die wir im oben erwähnten Co-Creation Ansatz mit Kunden durchführen. An die so generierten Ideen werden dann die beiden Kriterien technische Machbarkeit und wirtschaftliche Rentabilität angelegt.

Auch dieses neue Modell ist nach wie vor sicherlich falsch, ich hoffe jedoch, dass es hilfreich ist!