Die meisten Berufstätigen verbringen Zeit in Besprechungen. Manche davon lohnen sich, manche sind im Nachhinein unbefriedigend. Ich möchte zwei Arten von Besprechungen unterscheiden:

  • Als Info-Besprechung bezeichne ich ein Treffen, bei dem die Teilnehmer zu verschiedenen Inhalten auf den neusten Stand gebracht werden.
  • Für diesen Artikel wichtiger sind die sogenannten Problemlöse-Besprechungen. Im Gegensatz zur Info-Besprechung müssen auf eine Fragestellung Lösungen erarbeitet und Entscheidungen getroffen werden.

Traditionelle Besprechungen – Angriff und Verteidigung

Puccio und Talbot haben in einer interessanten Studie einmal untersucht, wie solche Problemlöse-Besprechungen oft ablaufen. Illustriert wird dies in Bild 1.
Dies passiert dabei oft nach folgendem Muster:

  1. Eine Person schlägt eine Idee zur Lösung des Problems vor. Dies birgt gewisse Risiken, denn jetzt kommt meist Schritt 2.
  2. Die Ideen wird unmittelbar bewertet: „Das ist eine gute Idee, weil…“, „Das ist keine gute Idee, weil…“. Möglicherweise muss sich der Ideengeber nun für seinen Vorschlag rechtfertigen und diesen gegen Kritiker verteidigen.
  3. Nach einiger Diskussion wird entschieden, ob diese Idee nun weiter verfolgt wird oder nicht.
    Dieses Muster wiederholt sich nun einige Male mit neuen Ideen. In der genannten Studie waren dies im Durchschnitt fünf Durchgänge, bis ein Konsens gefunden wurde, oder sich jemand durchgesetzt hat oder die Besprechung ergebnislos vertagt wird.
  4. Nun folgt die Umsetzung der gefundenen Lösungen

Besonders die Schritte 2 und 3 ist in diesen traditionellen Besprechungen oft zäh und langwierig. Das Ergebnis nicht immer befriedigend, aber ein Kompromiss.

Von creaffective moderierte Innovationsworkshops sind im Prinzip eine lange über mehrere Tage dauernde Problemlöse-Besprechung. Wenn diese Workshop nach obigem Muster ablaufen würde, hätte ich wahrscheinlich keinen einzigen Kunden mehr. Nicht nur, dass diesen traditionellen Besprechungen nach diesem Muster sehr ermüdend sein können, die Wahrscheinlichkeit, dass neue Lösungen von hoher Qualität dabei herauskommen ist nicht sehr hoch. Das Ziel von einem Innovationsworkshop als auch vieler Problemlöse-Besprechungen ist jedoch genau das.

Besprechungen mit kreativen Grundprinzipien

Nicht jede Besprechung muss den Umfang und die Komplexität eines Innovationsworkshops haben. Mit einigen theoretisch einfachen Veränderungen können in Unternehmen häufig ablaufende Besprechungen jedoch erheblich an Qualität und Produktivität gewinnen. Der Schlüssel dazu ist die Einhaltung kreativer Grundprinzipien, genauer gesagt, die strikte Trennung (1) der Entwicklung von Optionen und (2) der Bewertung von Optionen (in der Fachsprache spricht man hier von divergierenden und konvergierendem Denken). Jede dieser beiden Phasen läuft nach bestimmten Spielregeln ab. Für diesen Artikel beschränke ich es darauf, dass diese beiden Phasen getrennt werden. Wie genau diese Phasen ablaufen ist Gegenstand meiner Kreativitätstrainings und lässt sich nur schwer rein schriftlich erklären.

Eine Besprechung unter Einhaltung dieser Prinzipien läuft dann ähnlich wie Abbildung 2 ab.

  1. Eine Idee wird vorgeschlagen. Alle Teilnehmer stellen Bewertungen vor erst zurück. D.h. Es wird noch nicht über die Idee diskutiert.
  2. Der Vorschlag wird für alle sichtbar aufgeschrieben und festgehalten.
  3. Diese ersten beiden Schritte werden solange wiederholt, bis ausreichend Optionen vorhanden sind, z.B. 30 Mal. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass man, um gute Optionen zu bekommen vor allem viele Optionen entwickeln muss.
    Was heißt nun “bis ausreichend“?
    Einmal kann man nach Menge gehen. Ein weiteres Kriterium, das ich gerne anlege ist zu sehen, ob die Teilnehmer bereits gelacht haben. Wenn eine Gruppe zu einem Punkt kommt, an dem Humor entstehen kann ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass neue Vorschläge genannt werden und eine Atmosphäre herrscht in der Neues entstehen kann.
  4. Erst jetzt, wenn alle Vorschläge auf dem Tisch liegen, geht es in die Auswahl und Bewertung der Ideen. Im Gegensatz zum traditionellen Muster hat eine Gruppe nicht lediglich an einigen wenigen Ideen herum diskutiert, sondern viele Optionen entwickelt. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass qualitativ hochwertige und interessante Optionen entstehen. Aus den vielen Optionen werden nun die vielversprechendsten ausgewählt und besprochen.
  5. Als letzter Schritt erfolgt die Umsetzung des gefundenen Ergebnisses.


Das Besondere an dieser anderen Art Besprechungen durchzuführen ist, dass die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht wird neue und qualitativ hochwertige Optionen zu entwickeln, dadurch dass erst einmal viele Optionen entwickelt werden. Genauso wichtig ist, dass die Atmosphäre von einer Diskussion im „ja, aber…“-Stil hin zu einem „ja, und…“-Stil wechselt.

Ein Muster für mehr Innovation

In meinen Trainings kommt bei der ersten Vorstellung dieses Prinzips oft der ausgesprochene oder unausgesprochene Einwand, dass die Organisation mit dem bisherigen Muster doch auch funktioniert hat und erfolgreich war.
Ja, kein Zweifel. Auch nach dem traditionellen Muster werden Probleme gelöst. In einem Umfeld in dem Innovation und neue Lösungen wichtig sind, wird jedoch ein Unternehmen, dass das zweite Vorgehen ernst nimmt, seine Fähigkeit zu Innovation stärken und verbessern und damit die Wahrscheinlichkeit erhöhen, einen Mitbewerber zu überholen. Am Ende eines Kreativitätstrainings besteht dieser Zweifel nicht mehr.