Nun sind sie fast wieder vorbei: meine drei Wochen hier in Taiwan. Durch das andere Umfeld hier ist mir ein Kontrast zu Deutschland besonders aufgefallen: Die Wahrnehmung der Kreativität, was Kreativität ist und was Kreativität mit Business zu tun hat.

Die taiwanische Wirtschaft ist sehr stark geprägt durch die Chipindustrie und die Forschung an und Entwicklung von Lösungen für die High-Tech Industrie. Technische Innovationen sind für Unternehmen hier sehr wichtig, besonders, da viele Firmen versuchen, neben dem traditionellen OEM-Geschäft, bei dem fast alles vom Kunden vorgegeben wird, auch eigene Produkte und Marken zu entwickeln.

Bei meinen Gesprächen mit Unternehmen vor Ort ist mir besonders aufgefallen, welch positive Bedeutung das Wort Kreativität hier besitzt. Meine Ansprechpartner sowohl aus HR als auch aus den Fachabteilungen betonen immer wieder, wie wichtig es sei, kreatives Denken und ein kreatives mindset zu schaffen. Dies besonders, da dies in der chinesischen Unternehmenskultur bisher nicht besonders wert geschätzt wurde. Das Problem hier ist, wie man die Lücke schließen kann, zwischen schriftlich und mündlich vorgetragenen Erklärungen, mehr Kreativität und dadurch mehr Innovation zu fördern und konkreten Handlungsmöglichkeiten für die Mitarbeiter. „Wir müssen innovativer sein“ ist schwer zu greifen und noch schwerer in konkrete Handlungen zu überführen. Dies gilt für Deutschland genauso.
Ein Ansatz, für den ich dann in Spiel komme, ist das Verständnis von Führungskräften für Kreativität zu verändern bzw. zu schaffen und unter anderem in Trainings zu zeigen, wie Führungskräfte durch ihr Handeln in ihrem Teams Kreativität und das Erschaffen von neuen und nützlichen Ergebnissen gezielt fördern und unterstützen können. Denn Führungskräfte sind der zentrale Ansatzpunkt für Veränderung.

Negative Assoziationen mit Kreativität in Deutschland?
In Deutschland ist mir aufgefallen (und dies habe ich letzte Woche auch zur Diskussion bei xing gestellt), dass viele Menschen in Unternehmen eher negativ auf das Wort Kreativität reagieren. Woran dies genau liegt, darüber kann ich (und die Diskussionteilnehmer in xing) nur spekulieren:
Der Gebrauch des Wortes als leere Worthülse und schlichte Unwissenheit der Leute mögen eine Rolle spielen.
Bei uns in Deutschland wird Kreativität von vielen allerdings eher mit künstlerischer Ausdrucksfähigkeit oder Künstlern allgemein gleichgesetzt. Für die Unternehmenswelt scheint Kreativität in den Köpfen dieser Menschen allerdings weniger relevant. Das heißt bei vielen besteht keine Assoziation zwischen Kreativität und Innovation sowie der Leistungsfähigkeit von Unternehmen. Think again!

Alle sind Teil der Kreativwirtschaft
In meinen Workshops und Trainings in Deutschland mache ich die Erfahrung, dass die Notwendigkeit für Kreativität von allen anerkannt wird, nachdem wir ein gemeinsames Verständnis dafür entwickelt haben, was Kreativität ist und wann diese gebraucht wird.

Kreativität ist nicht in einem Satz zu definieren, Modelle wie das 4P-Modell geben uns jedoch Hinweise, wie wir uns der Kreativität nähern können.
Meine persönliche Arbeitsdefinition lautet: „Kreativität ist das Schaffen von Neuem das Nutzen bringt“

Wann ist Kreativität relevant? Kreativität ist immer dann relevant, wenn es sich nicht um eine Fragestellung handelt, zu deren Lösung es eine vordefinierte Standardroutine gibt, die man einfach abarbeiten kann.
Immer wenn bei einem Problem nicht genau klar ist, wie die Antwort aussieht, oder wie genau wir zu einer Lösung kommen, brauchen wir Kreativität. Die Wissenschaft spricht hier von Problemen mit offenem Ende.
Diese Situation tritt im Großen und im Kleinen fast ständig und überall auf.
Evident wird das besonders, wenn es um große Fragestellung wie die Entwicklung neuer Dienstleistungen / Produkte und Prozessen geht, wo viele Leute beteiligt sind. Besonders hier ist es dann besonders schwierig, weil Routinen, bestimmte Verhaltensweisen und Hierarchien Kreativität erschweren.

In diesem Sinne ist eigentlich fast jedes Unternehmen Teil der Kreativwirtschaft, da es Probleme mit offenem Ende fast überall gibt. Richard Florida hat in die kreative Klasse in seinem Buch rise of the creative class deshalb auch so gut wie alle Büroarbeiter mit eingeschlossen.