Die aktuelle Ausgabe des Wirtschaftsmagazins brand eins trägt den richtigen Titel: „Gute Nachrichten. – Schwerpunkt Unternehmer“. Ricard Matthieu hat in seinem Buch „Happiness“ die Idee einer Zeitung ausschließlich für gute Nachrichten vorgestellt, meinte dann aber gleich einschränkend, dass diese dann wohl keiner lesen wolle. Ich sehe es genau anders herum, ich kann die ausschließlich negativen Artikel nicht mehr lesen und freue mich daher sehr über eine komplette brand eins Ausgabe, die sich nur mit guten Nachrichten beschäftigt.

Krise oder Chance – eine Frage der Wahrnehmung
In meinen Kreativtrainings beginne ich zum Einstieg gerne mit einigen Wahrnehmungsübungen, die (noch einmal) bewusst machen, welche Bedeutung unsere Wahrnehmung für unser Handeln und für die „logischen Entscheidungen“ hat, die wir auf der Wahrnehmung aufbauen. Obwohl die beobachtbaren und messbaren Fakten, die gleichen sind, können diese von zwei Menschen ganz unterschiedlich wahrgenommen werden und in der Folge völlig andere Handlungen auslösen. Die Wahrnehmung ist wie die Brille auf die Welt. Ich nenne das simple Beispiel vom Schwarzseher, der sich einseitig auf die Probleme fokussiert und einem anderen Menschen, der mehr auf die Chancen und Möglichkeiten achtet. Beide werden sehr unterschiedlich handeln, obwohl sie die gleichen Fakten vor sich haben. Das bewusste Bewerten von Ideen durch gezielte Steuerung der Wahrnehmung ist ein wichtiges Element bei der Entwicklung neuer Lösungen.

Zumindest aus den Medien – brand eins ist eine positive Ausnahme – habe ich den Eindruck, als würden wir uns im Moment ausschließlich an den Problemen und Gefahren festbeißen. Diese einseitige Fokussierung auf das Negative führt dann fast zwangsläufig zu einem mindset (die einseitige Überbetonung eines Aspektes auf Kosten von anderen vorhandenen Aspekten), das alle positiven Aspekte und Potenziale ausblendet. Damit ich nicht missverstanden werde: Ich will keine Schönfärberei betreiben und vorhandene Schwierigkeiten einfach ignorieren.

Brand eins zeigt Beispiele, welchen positiven Möglichkeiten und Chancen der gegenwärtige Auftragsrückgang vieler Unternehmen auch ermöglicht. Z.B. bietet die jetzt ruhigere Zeit, die Möglichkeit an wichtigen strategischen Entscheidungen für die Zukunft zu arbeiten, neue Ideen zu erarbeiten und Bestehendes weiter zu verbessern.

Sonst hieß es ja immer, „wir haben keine Zeit, neue Lösungen zu entwickeln, da das Alltagsgeschäft uns voll in Beschlag nimmt“. Nun sollte es doch etwas mehr Luft geben, wichtige strategische Entscheidungen für die Zukunft anzugehen, die sonst zwar immer als wichtig, aber als weniger dringend als das Abarbeiten von Aufträgen angesehen wurde. Laut brand eins haben viele Unternehmen jetzt andere Gründe, die Chance, etwas mehr Zeit zum Nachdenken zu haben, nicht zu nutzen.

Prozessoptimierung – auch für den kreativen Prozess
Johann Soder von SEW-Eurodrive erklärt im Interview, wie sein Unternehmen die Zeit jetzt für die Optimierung bestehender Prozesse nutzt, um dann noch besser für die Zukunft gerüstet zu sein. Im Gegensatz zu den Produktionsprozessen, die in der Vergangenheit bereits sehr viel Aufmerksamkeit erhalten hätten, betrachte SEW-Eurodrive nun verstärkt Forschungs- und Entwicklungsprozesse, die bisher eher vernachlässigt wurden und nun optimiert und in bestimmten Aspekten auch „knallhart und straff“ organisiert werden könnten.

Prozesse kann man optimieren. Die meisten Unternehmen denken dabei an Produktions- und Vertriebsprozesse, SEW-Eurodrive beschäftigt sich nun mit F&E-Prozessen. Ich behaupte, dass es sich sehr lohnt, einen noch viel grundlegenderen und allgemeineren Prozess zu optimieren, der aus meiner Erfahrung selten auf dem Radar ist, ja oft noch nicht einmal als Prozess erkannt wird: Der Kreativprozess Einzelner und Teams.

Auf Probleme und Herausforderungen mit offenem Ende neue Lösungen zu entwickeln, ist ein kreativer Prozess. Dieser lässt sich wie andere Prozesse auch analysieren, gezielt steuern und optimieren. Viele Teams arbeiten beim Nachdenken nach neuen Lösungen nach keinem expliziten Prozess oder in einer nicht optimalen Abfolge ihrer Prozessschritte. Hier sind große Steigerungen möglich, um in kürzerer Zeit neue und funktionierende Lösungen für Probleme und Herausforderungen zu entwickeln.

Im Gegensatz zur den von Johann Soder angesprochenen straffen Prozessen in der Forschung und Entwicklung, sind Modelle der kreativen Problemlösung flexibler, offener, aber dennoch strukturiert. Ein Beispiel eines solchen Verfahrens ist der Creative Problem Solving Prozess, mit dem ich meine Workshops moderiere.
Unten stehende Grafik zeigt die drei Komponenten und eine detaillierte Sicht der Stufen von Kreativprozessen.

Strukturiert zu neuen Lösungen – die Schritte der Optimierung
Allgemein gesprochen würde ich folgende Schritte zur Verbesserung von Kreativprozessen in Organisationen vorschlagen.

  1. Verständnis schaffen
    Wie gesagt, aus meiner Erfahrung – sowohl im Rahmen von Vorträgen, als auch bei Moderationen und Trainings – ist vielen Menschen ein expliziter Prozess der Kreativität nicht bekannt. Viele verstehen Kreativität als ein unstrukturiertes und chaotisches Etwas, dass einen per Zufall ereilt. Die Kreativitätsforschung hat uns gezeigt, dass Kreativität ein sehr bewusster und strukturierter Prozess sein kann und dass man die dafür notwendigen Denk- und Verhaltensweisen erlernen kann.
  2. Status quo analysieren
    Vor konkreten Maßnahmen kann man eine Bestandsaufnahme, ob und wie sich Kreativität jetzt entwickeln kann. Hierzu kann das Modell der 4Ps herangezogen werden. Innerhalb einzelner Teams kann man mit Hilfe von Instrumenten (z.B. Foursight) die Problemlösepräferenzen der Teammitglieder messen, einerseits, wiederum um Verständnis zu schaffen, andererseits, um konkrete Maßnahmen abzuleiten.
  3. Veränderungen einführen
    Änderungen können an drei der vier Elemente des 4P-Modells ansetzen, Person, Prozess und Klima. Möglichkeiten dazu sind gezielte Trainings zur kreativen Problemlösung oder das Erarbeiten von Lösungen auf bestehende Herausforderungen in moderierten Workshops, die auch die Vermittlung der eingesetzten Verfahren und Techniken zum Ziel haben können. Eine Unterscheidung der Bergriffe Workshop und Training habe ich kürzlich vorgenommen. Trainings machen besonders bei Führungskräften Sinn, die aufgrund ihrer Position das Gelernte in die Teams tragen können. Moderierte Workshops mit einem zusätzlichen Schwerpunkt auf Vermittlung von Fähigkeiten machen besonders bei Gruppen Sinn, die danach in dieser Konstellation weiter arbeiten.