Eine Kreativitätstechnik – Was ist das eigentlich?

In unseren Trainings zu Kreativität und Innovation verwirren wir manche Teilnehmer gerne dadurch, dass wir über Denkwerkzeuge sprechen und fast immer auf der Basis eines Prozesses arbeiten. Seit neuestem mit dem sogenannten „Systematic Creative Thinking“, das mein Kollege Florian vor ein paar Tagen in seinem Blog-Artikel vorgestellt hat. Manch einer stellt sich dann die Frage: Brauche ich das überhaupt? Für Kreativität braucht man doch einfach nur Kreativitätstechniken, wie die Bezeichnung das ja schon sagt. Unsere Antwort: Ja, man braucht diese Techniken, aber eben nicht nur. Schauen wir uns das Thema mal im Detail an.

Was genau ist das eigentlich, eine Kreativitätstechnik? Übliche Verdächtige sind unter anderem: Brainstorming, Brainwriting, 6-3-5-Methode, Erzwungene Verbindungen, Analogien, S.C.A.M.P.E.R., 6-Hüte-Modell, Design Thinking, Lean Startup und viele andere. Hinter all diesen Begriffen verstecken sich wertvolle Methoden, und alle haben irgendwo mit Kreativität oder zumindest mit Ideen zu tun. Aber wenn wir all diese Begriffe in einen Topf schmeißen, verschleiern wir die massiven Unterschiede. Ein sehr griffiges Beispiel kommt aus dem Buch von Jake Knapp zum Design Sprint von Google Venture. Dort schreibt er (und ich paraphrasiere ein wenig), dass der Design Sprint die bessere Alternative zum Brainstorming sei. Wie wir gleich sehen werden, ist Brainstorming aber nur ein einzelnes Werkzeug, Design Sprint dagegen ein fünftägiges Format mit integriertem Prozess. Ein ähnlicher Vergleich (in Form einer Frage) wäre: Ist eine Zündkerze besser als ein BMW?

Die Wissenschaft hinter der Kreativität

Wenn der Begriff „Kreativitätstechnik“ also dermaßen ausgeleiert wird, brauchen wir präzisere Begriffe. Hier kommt die Kreativitätsforschung zur Rettung. Dort wird nämlich viel von Divergierendem und Konvergierendem Denken gesprochen. Mit der Kreativität verbinden die meisten Menschen vor allem das Divergieren, durch das wir Optionen schaffen. Das würde bedeuten, dass Kreativitätstechniken in einer engeren Definition „Divergierende Denkwerkzeuge“ sind. Unter den oben genannten Beispielen ist alles von Brainstorming bis S.C.A.M.P.E.R. damit eine Kreativitätstechnik. Weil es aber auch Divergierende Werkzeuge gibt, die nicht direkt mit Ideen zu haben, ergänzen wir den Begriff: Es sind Divergierende Denkwerkzeuge zur Ideenentwicklung.

Was ist mit den anderen Beispielen? Das 6-Hüte-Modell dient der umfassenden Beleuchtung eines Themas und beinhaltet kreative Elemente, genauso aber auch analytische Aspekte. Es ist eine Methode zur Strukturierung von Diskussionen und zur Problemlösung. Design Thinking, Creative Problem Solving, Systematic Creative Thinking (die Basis für unser häufigstes Kreativitätstraining) sind allesamt Prozessmodelle, die ebenfalls einen Entwicklungsvorgang bzw. eine Problemlösung strukturieren. Lean Startup beispielsweise ist eine Methode des Rapid Prototyping, um Marktakzeptanz zu prüfen. Viele dieser Methoden beinhalten den Einsatz von Denkwerkzeugen oder profitieren sehr davon, besonders in der Gruppenarbeit. Aber der Vergleich von Zündkerze und Auto zeigt recht klar, dass wir von Methoden mit massiv unterschiedlichem Umfang und Anwendung sprechen.

Wozu die Unterscheidung?

Auf ganz praxisnaher Ebene muss eines klar sein, warum die obige Unterscheidung so wichtig ist. Einzelne Werkzeuge sind eben nur das: Einzelne Werkzeuge, losgelöst aus einer größeren Methode. Wenn zum Beispiel Brainstorming nicht funktioniert, dann liegt das vermutlich an der Art, wie man das Brainstorming durchgeführt hat. Wenn es funktioniert, die Ergebnisse uns aber trotzdem nicht weiterbringen, dann liegt es eher an der fehlenden Prozessstruktur. Anders formuliert: Wer die falschen Fragen stellt, liefert mit Kreativitätstechniken automatisch die falschen Antworten (oder, was Peter Drucker sogar einmal als „gefährlich“ bezeichnet hat: Die richtigen Antworten auf die falsche Frage). Auch hier hilft vielleicht ein Vergleich zum Auto: Durch mehr Kreativitätstechniken kann ich die Leistung meines kreativen Outputs massiv hochschrauben, ähnlich wie ein stärkerer Motor in meinem Auto. Nur: Was bringt mir der stärkere Motor, wenn ich in die falsche Richtung fahre?

Auch der Schritt danach, das Konvergieren, ist essentiell. Was soll ich mit 100 Ideen, wenn ich nicht in der Lage bin, danach zu bewerten, auszuwählen und Enscheidungen zu treffen? Ich muss gezielt einzelne Ideen ausarbeiten, vertesten und dann umsetzen, sonst war die kreative Arbeit nicht mehr als eine nette Übung. Und auch hier helfen wieder entsprechende Denkwerkzeuge.

Deswegen die Unterscheidung in Denkwerkzeuge, die entweder divergierend oder konvergierend sind, und eine Prozessstruktur dahinter. Wir beschränken uns in unseren Trainings nicht darauf, eine Sammlung einzelner Kreativitätstechniken (also Werkzeuge) zu vermitteln, sondern integrieren sie in ein Prozessmodell – egal ob es sich dabei um Creative Problem Solving, Design Thinking oder das neue Systematic Creative Thinking handelt.

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