Kreatives-Kind-als-Erfinder
„Wie bekomme ich Menschen dazu, kreativ zu sein?“ ist eine Frage, die uns im Geschäftsumfeld sehr häufig begegnet. Wenn es darum geht, dass sich Mitarbeiter Methoden und Werkzeuge aneignen, dann führt der Weg häufig über ein Kreativitätstraining oder eine ähnliche Schulung. Damit verknüpft ist häufig ein ganz anderes Thema, nämlich das der Motivation. Dementsprechend hören wir fast ebenso häufig die Frage: „Wie kann ich meine Mitarbeiter motivieren, kreativ zu sein?“
Da ohne Motivation selbst Routinearbeit zur Qual wird, ist es nicht verwunderlich, dass ein Mangel an Motivation die kreative Arbeit nicht gerade fördert. Aber was, wenn jemand von sich aus nicht motiviert ist, kreativ zu arbeiten? Kann man jemanden überhaupt extern zur Kreativität motivieren? Oder noch grundlegender: Kann man Menschen überhaupt extern motivieren? Letzteres ist ein großes Thema in der Geschäftswelt und wird kontrovers diskutiert. Gleichzeitig hört man aber häufig, dass Kreativität doch Spaß bringt und glücklich macht. Wenn dem so ist, dann brauche ich doch auch niemanden dazu motivieren. Ich schaffe Freiraum und die Motivation kommt von alleine. Oder etwa nicht?

Macht Kreativität glücklich?

Ein interessanter Aspekt, der gerne vergessen wird, ist die Frage, wann man überhaupt kreativ werden muss. Dass Kreativität glücklich macht, hört man häufig, zum Beispiel in Artikeln wie diesem hier, die kreative Beschäftigung als Ausgleich zum Arbeitsalltag anpreisen. Wie sieht es aber aus, wenn man während der Arbeit kreativ werden soll, möchte oder muss? Ein Kernelement des kreativen Arbeitens ist die kreative Problemlösung. Und hier tut sich auch schon eine Erkenntnis auf. Denn Probleme führen nicht zu mehr Glückseligkeit. Im Umkehrschluss heißt das: Wer keine Probleme hat, müsste eigentlich weniger motiviert sein, kreativ zu werden.
Ein Blick auf erfolgreiche Unternehmer bestätigt das. Viele Innovationen entstehen aus der Unzufriedenheit mit dem Status-Quo. Es gibt ein bestimmtes Produkt nicht, das mir den Alltag erleichtern würde? Dann baue ich eben eines. Und wenn es gut wird, verkaufe ich es. Ich sehe ständig, wie andere Menschen sich mit einem Problem herumquälen? Dann löse ich das Problem für sie und verlange dafür Geld.

Leidenschaft durch Leidensdruck

Die Verknüpfung von Unzufriedenheit und kreativer Problemlösung ist nicht so ungewöhnlich, wie man auf den ersten Blick vielleicht meinen möchte. Tatsächlich ist sie sogar in einem deutschen Begriff angelehnt, der häufig in Bezug auf Kreativität, Innovation und auch Kunst und Musik verwendet wird: Leidenschaft. Wer unzufrieden oder frustriert ist; wer häufig Probleme sieht und Bedürfnisse erkennt; wer den Drang nach Veränderung und Verbesserung spürt, der wird kreativ aktiv. Leidenschaft für ein Thema entsteht fast immer durch eine Art Leidensdruck. Die Arbeit an neuen Ideen, an Produkten, Geschäftsmodellen oder eben auch künstlerischen Projekten ist kein Zuckerschlecken. Nur wer wirklich will, der hält auch durch.
Das erkennt man auch bei Künstlern. Viele Maler, Musiker, Bildhauer und Komponisten, egal wie berühmt, wurden und werden durch ihre Leidenschaft getrieben. Manch einer ruiniert sich dabei die Gesundheit oder vergrault Familie und Freunde. Andere nutzen ihre kreative Arbeit als Therapie zur Bewältigung eines Traumas. Rainer Matthias Holm-Hadulla beispielsweise hat in seinem Buch Kreativität zwischen Schöpfung und Zerstörung Jim Morrison von The Doors als ein Beispiel angeführt. Wahnsinn entsteht also nicht aus der Kreativität, er ist auch keine Voraussetzung dafür. Aber der dazugehörende Leidensdruck treibt Kreativität häufig an. Kreativität macht in diesem Fall also durchaus glücklich, weil sie einen Weg bietet, Probleme zu überwinden und Frustration abzuschaffen.

Also doch: Freiräume schaffen

Was also tun? Sollten Manager bewusst Leidensdruck erzeugen, um dadurch Leidenschaft zu entfachen? Wenn man Mitarbeiterbefragungen glaubt, schaffen die meisten Führungskräfte den Leidensdruck auch ganz ohne zusätzliche Bemühungen. Im Ernst, Probleme gibt es im Arbeitsalltag genug, das Futter für kreative Motivation ist in Hülle und Fülle vorhanden. Die Hürde, die häufig im Weg steht, ist das Gefühl von Ohnmacht, das sich aus dem winzig kleinen Handlungsspielraum des Einzelnen ergibt.
Es geht letztendlich eben doch darum, Freiräume zu schaffen, in denen Mitarbeiter kreativ agieren können. Wer Probleme erkennt, diese kreativ lösen will, dann aber an strukturellen oder bürokratischen Hürden scheitert, der ist noch frustrierter als vorher. Und bei jeder neuen Herausforderung kommt dann Zweifel auf, ob man wirklich etwas verändern kann.
Wer also will, dass Mitarbeiter und Kollegen kreativer werden, der muss Strukturen schaffen, die kreativen Erfolg ermöglichen. Denn wer mit seiner eigenen Kreativität Hindernisse überwinden und im Unternehmen Veränderung bewirken kann, der wird dadurch mit Sicherheit glücklicher. Und macht gleichzeitig das Unternehmen stärker.