Vor kurzem lud Kanzlerin Merkel zum zweiten internationalen Deutschlandforum ein. Einer der eingeladenen ausländischen Experten, war John Kao, der in einem Radiobeitrag kürzlich noch einmal dafür warb, Menschen bereits im jungen Altern zu Innovation zu erziehen: „Educate to innovate.“

Auch ein anderer Amerikaner meint, dass diese Ausbildung zur Innovation Deutschland gut täte. In einem Beitrag für das aktuelle Rulebreaker Magazin schrieb John Kornblum, ehemaliger Botschafter der USA in Deutschland: „Das bringt mich zur letzten wichtigen Ressource, die uns [in Deutschland] fehlt: Innovation. In Deutschland ist in den vergangenen Jahren mehr über Innovation geschrieben worden als irgendwo sonst. Und alle meinen, dass Deutschland ein Land der Innovationen ist. Ich sage Ihnen: Deutschland ist kein Land der Innovationen. Deutschland ist ein Land der Verbesserung, der technologischen Verfeinerung. Aber Innovation heißt, neue Prozesse, Produkte oder Systeme zu entwickeln. Das gibt es hier kaum.“ In diesen Sätzen drückt sich aus, was Kornblum unter Innovation versteht: Vor allem disruptive Innovation. Und in der Tat sind die Amerikaner in dieser Art von Innovation im allgemeinen besser. Kornblum weiter: „…wirklich innovativ zu werden. Aber wenn wir das wollen, müssen wir disruptive Entwicklungen zulassen. Wir Amerikaner können das vermutlich etwas besser, denn wir sind vom Wesen her eine disruptive Gesellschaft„.

Marion Weissenberger-Eibl, Leiterin des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung stimmt in einem Artikel aus dem gestrigen Handelsblatt dieser Sicht zu: „Während Deutschland seit Jahren mit evolutionären Innovationen, also die Weiterentwicklung und Optimierung von Produkten, den Weltmarkt speziell in ingenieursintensiven Branchen dominiert, sind es die revolutionären Innovationen, welche die USA voranbringen und deren Ursprung nicht selten im Silicon Valley liegt.“ Gleichzeitig sieht sie Deutschland mit seinen Besonderheiten sehr gut aufgestellt und rät nicht dazu, zu versuchen die Amerikaner und speziell das Silicon Valley in Deutschland zu kopieren, da die Gegebenheiten und Bedingungen hier anders sind.

Egal ob das zugrunde liegende Innovationsverständnis nun ein eher inkrementelles ist, wie ein Japan, eine radikales wie in den USA, oder irgendwo dazwischen liegt, wie in Deutschland, einig sind sich alle Beobachter, dass man zu Innovation erziehen kann bzw. durch die Ausbildung der Menschen die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Innovation erhöhen kann.

Von was hängt Innovation ab?

Wenn man Innovation auf Länderebene betrachtet, dann dreht sich in der Diskussion viel um Faktoren wie ein Innovationsökosystem, die Möglichkeit für Menschen mit innovativen Lösungen an Kapital zu gelangen oder anders gefördert zu werden, z.B. in Inkubatoren. Diese Aspekte sind definitiv wichtige Bausteine im Puzzle der Innovation. Zentraler Ausgangspunkt sind jedoch die Menschen und deren kreative Ideen. Was braucht es nun, um diese Menschen zu unterstützen, mehr Innovation hervorzubringen?

Innovation: Ein kreativer Prozess

Innovation ist definiert als die Einführung von etwas Neuem in einen größeren Kontext, wie zum Beispiel einen Markt, eine Organisation oder eine ganze Gesellschaft. Kreativität ist die Fertigkeit Neues zu schaffen. Auf der Ebene von Menschen betrachtet, ist es somit für Innovation sehr wichtig, dafür zu sorgen, dass Menschen kreativ sein können und wollen.

Um kreativ sein zu können, spielt (Fach-)Wissen eine Rolle. Hier sind wir sicherlich gut aufgestellt. Daneben gibt es eine Reihe von Kreativitäts-Fertigkeiten, wie die Fertigkeit zum Denken in Optionen oder das Infragestellen bestehender Muster und die Art und Weise, wie wir mit Neuem umgehen. Diese Fertigkeiten trainieren wir von creaffective zum Beispiel im Rahmen einiger unserer Trainings. Ein kürzlich erschienener Artikel auf Fast Company betont dabei auch noch einmal die Notwendigkeit, kreatives Denken zu einer Gewohnheit werden zu lassen, wie andere Gewohnheiten auch: „Routinely approaching problems in novel ways—essentially what you’re doing when you think creatively—does not just happen on its own. Just as we are able to break bad habits, we can cultivate new ones. According to Sternberg, there are three basic factors that help turn creative thinking into a habit: opportunities to engage in it, encouragement to go after such opportunities, and rewards for doing so. ‚In this respect,‘ says Sternberg, ‚creativity is no different from any other habit, good or bad.'“

Intrinsische Motivation und Neugier

Eine Schlüsselzutat für Kreativität und eine zentrale Eigenschaft von Innovatoren ist es, über einen längeren Zeitraum motiviert zu sein und zu bleiben, um an einem Thema zu arbeiten. Dies gelingt am besten über eine von innen heraus kommende Motivation. Eine der besten Möglichkeiten, diese zu kultivieren ist es, immer neugierig zu sein und zu bleiben und dieser Neugier zu folgen. Das uns die Neugier in unserem Schul- und Ausbildungssystem systematisch ausgetrieben wird, darauf weist Sir Ken Robinson in seinen TED-Talks immer wieder hin. Die aus den USA kommende Initiative Partnership for 21st Century Skills hat vermutlich nicht ohne Grund Neugier mit auf die Liste der wichtigen Eigenschaften genommen.

Innovation findet immer unter Bedingungen hoher Unsicherheit statt. Das heißt, es ist immer möglich und sogar wahrscheinlich, dass auf der Suche nach dem Neuen einiges schief geht und wir das eine oder andere Mal scheitern. Wer kreativ und innovativ sein möchte, muss eine gewisse Bereitschaft zum Risiko mitbringen. Das bedingt einmal, dass ich keine Angst habe, Fehler zu machen und dass ich sogar ermutigt werde, ungewisse Dinge auszuprobieren. Aus meiner Erfahrung in der Arbeit mit deutschen und internationalen Kunden behaupte ich, dass dies keine deutsche Stärke ist und von der deutschen Kultur und der Unternehmenskultur in vielen deutschen Unternehmen nur sehr begrenzt gefördert und wertgeschätzt wird. Im Gegenteil: Wir sind Effizienzweltmeister und Effizienz heißt die Dinge richtig zu tun und möglichst keine Fehler zu machen.

Freiräume für Neues schaffen

In einer Erziehung zu Innovation egal ob im Bildungssystem oder in Unternehmen spielen daher Freiräume und Schutzräume eine wichtige Rolle. Es muss mir möglich sein, in den begrenzt effizienten Prozess der Innovation einzutauchen und ich muss dieses in einem geschützten Raum tun können. Intensiver habe ich dazu in einem Artikel beschäftigt, der auf capital.de erschienen war.

Je früher man zu Kreativität und Innovation erzogen wird – oder es eben nicht systematisch aberzogen wird – desto leichter fällt es einem Menschen, später innovativ zu sein. Das fängt im Elternhaus an und geht in der Schule weiter und sollte sich auch durch die Universitäten ziehen. Mein amerikanischer Kollege Bob Eckert, zweifacher Vater und CEO von New and Improved hat einen lesenswerten Artikel für Eltern verfasst, die ihre Kinder bei der Entwicklung zu einem kreativen Menschen unterstützen möchten: 12 Powerful Parenting Methods for Raising Creative, Resilient Children.

Während der Fokus im Kindesalter vor allem auf der Kreativität liegt, kann es in der Universität wirklich um Innovation gehen, d.h. die konkrete Entwicklung von neuen Lösungen, die umgesetzt werden können. Ein schönes Programm ist zum Beispiel das Academic Program for Entrepreneurship der Hochschule München.

Erziehung für jede Art der Innovation relevant

Die oben genannten Aspekte einer Erziehung zu Innovation sind aus meiner Sicht für jede Art der Innovation relevant. Egal, ob es sich um neue Produkte oder Dienstleistungen handelt, egal, ob wir von technischer oder nicht-technischer Innovation sprechen. Es ist auch nicht entscheidend ob wir von for-Profit oder sozialer Innovation sprechen und ob das Ziel der Innovation ist das vorherrschende Paradigma des kontinuierlichen Wachstums fort zu führen, oder ob es das Ziel ist, durch Innovation weniger zu wachsen und einen nachhaltigen Weg zu finden, auch in Zukunft auf diesem Planten zu existieren. Die oben genannten Fertigkeiten spielen für all diese Arten der Innovation eine Rolle.