Eines der wichtigen Themen in vielen unserer Trainings ist das konkrete Arbeitsumfeld und dessen Einfluss auf Kreativität. Über die letzten Jahre haben mehr und mehr Unternehmen realisiert, dass Bürogestaltung mehr als nur ein Kostenfaktor ist, und dass es nicht nur um Repräsentanz und funktionale Kaffeemaschinen geht.

Kürzlich habe ich einen sehr interessanten TED Talk von Jason Fried zu diesem Thema gesehen:

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Wie der Titel schon aussagt geht Fried davon aus, dass Leute „auf der Arbeit“ nicht arbeiten. Wenn sie etwas erledigen sollen, gehen sie woanders hin: ins Café, in die Bibliothek, auf die Veranda im eigenen Haus oder sie arbeiten, wenn sie im Zug sitzen.

Zersplitterte Arbeit

Seine Erklärung ist nicht radikal neu aber gut auf den Punkt gebracht. Das Problem ist, dass der Büroalltag quasi „zersplittert“. Ständig passiert etwas, jemand kommt ins Büro und unterbricht den Kollegen oder Mitarbeiter. Gerade kreativ arbeitende Menschen brauchen aber längere Strecken an Zeit, um sich in ein Problem einzuarbeiten. 15 Minuten reichen nicht, um komplexere Sachverhalte zu verstehen und Probleme zu lösen. Fried zieht einen gelungenen Vergleich zum Schlaf. Der funktioniert auch nicht, wenn man unterbrochen wird. Mehr noch, da Schlaf durch bestimmte „Phasen“ verläuft und man durch die frühen Phasen zur REM-Phase kommen muss, wirft eine Unterbrechung den Schlafenden quasi wieder zurück. Ähnlich verläuft es bei der Arbeit. Studien haben ergeben, dass eine Unterbrechung der Konzentration einen großen Zeitverlust bedeutet, da man sich nach der Unterbrechung wieder „einarbeiten“ muss.

Die Argumente für die Anwesenheitspflicht und auch den klassischen Aufbau vieler Büros sind bekannt. Zum einen geht es um die Kontrolle der Mitarbeiter, was aber vielleicht nicht mehr ganz zeitgemäß ist. Gerade Wissensarbeiter sollten genügend eigenen Antrieb mitbringen und benötigen häufig Freiräume, um wirklich produktiv zu werden. Zum anderen wird argumentiert, dass zuhause zu viele Quellen der Ablenkung vorhanden sind. Das kenne ich aus vielen persönlichen Gesprächen, wenn Menschen von sich aus sagen, dass sie zuhause „nie arbeiten könnten“, weil die Ablenkung zu groß ist. Frieds nachvollziehbares Argument ist, dass man tatsächlich im Büro sehr viel häufiger und stärker abgelenkt wird. Seiner Ansicht nach meinen Manager häufig, dass Facebook und Co. die eigentlichen Ablenkungen sind. Diese sind aber tatsächlich nur Kleinigkeiten, während Fried die Hauptverantwortlichen in den M&Ms sieht: Manager & Meetings. Demnach kommen viele Menschen sehr früh in die Arbeit oder bleiben länger, um die M&Ms zu umgehen.

Die Rolle der Führungskräfte

Soviel zu dem sehr interessanten TED-Talk, denn hier kann ich seiner Argumentation nicht mehr ganz folgen. Durch Gespräche mit Teamleitern und Führungskräften weiß ich, dass diese genauso von diesem Problem betroffen sind, wenn nicht sogar noch mehr! Die Unterbrechung von Arbeit ist keine Einbahnstraße sondern verläuft sowohl von Managern zu Mitarbeitern wie auch andersherum. Kollegen „belästigen“ sich auch gegenseitig durch Fragen und Herumschieben von kleinen Arbeitspaketen. Es ist meiner Meinung nach zu kurz gedacht, alles den Führungskräften in die Schuhe schieben zu wollen.

Die Schwierigkeit bei der Lösung des Themas liegt meiner Meinung nach darin, dass jeder Mensch andere „Arbeitszyklen“ gewohnt ist bzw. benötigt. Teilweise liegt das an unterschiedlichen Charakteren und Gewohnheiten, teilweise auch an externen Faktoren wie zum Beispiel die Arbeit mit bestimmten Kunden. Daher gibt es auch keine „one-fits-all-Lösung“. Jedes Team bzw. jede Abteilung muss einen Konsens zu Arbeitsabläufen schaffen, damit alle Beteiligten optimal arbeiten können. Das kann bedeuten, dass man nur zu festen Zeiten kommuniziert, oder dass Kanäle (z.B. E-Mail, Telefon) bestimmten Auflagen unterliegen. Wir bei creaffective beispielsweise nutzen die Methode „Getting-things-done“, um den E-Mail-Verkehr zu regeln und als Ablenkungsquelle zu minimieren (unsere Blogartikel hierzu finden Sie hier und hier). Interessanterweise schlägt Fried gerade E-Mails und andere „passive“ Kommunikationskanäle vor, um die unmittelbare Unterbrechung zu vermeiden. Das funktioniert aber eben nur, wenn man sich auf eine Art Prozess verständigt hat. Viele Leute nutzen E-Mail wie einen „aktiven“ Kanal und erwarten sofortige Antwort. Hier müssen gemeinsam Regeln erarbeitet werden, wer wann wie über welchen Kanal und zu welchem Zweck kommuniziert.

Andere Vorschläge wie der No-Talk-Thursday aus Frieds Video können sicher helfen, dürfen aber nicht diktatorisch top-down vorgegeben werden. Und es darf nicht nur darum gehen, Führungskräften zu verbieten, Mitarbeiter zu unterbrechen. Andersherum müssen ebenfalls Regeln existieren. Stefan Merath zum Beispiel schreibt in seinem Buch „Der erfolgreiche Weg zum Unternehmer“ davon, wie jeder Mitarbeiter einen kleinen „Affen“ dabei hat, wenn er mit dem Vorgesetzten spricht. Häufig bleibt der Affe dann beim Chef hängen, nachdem der Mitarbeiter schon gegangen ist, wodurch die Führungskraft selbst dann andere Arbeit liegen lassen muss.

Alle Regeln müssen natürlich so gestaltet werden, dass es zur Gewohnheit wird. Umso wichtiger ist deshalb die Einbindung aller Personen. Die Regeln müssen besprochen, verstanden und dann implementiert werden, sonst ist jeder Versuch wie ein Tropfen auf den heißen Stein!

Haben Sie ähnliche Erfahrungen im Arbeitsalltag gemacht? Oder vielleicht andere oder gar gegensätzliche Erfahrungen? Falls ja würde ich mich über Kommentare, Gedanken und Beispiele freuen!