Wir von creaffective sind Großverbraucher der 3M Post-its. Im Schnitt benötigen wir für unsere Innovationsworkshops, Innovationstrainings und Innovationsprojekte 40.000 – 50.000 Post-it-Zettel pro Jahr.
Das unten stehendende Bild vermittelt einen Eindruck aus einem unserer Innovation Camps mit der ProSiebenSat.1 Media AG, nach 3 Tagen Arbeit.

Abbildung 1

Abbildung 1

Auch im Jahr 2014 verwenden wir für die Arbeit mit Kunden an Innovationsthemen immer noch zu einem großen Teil persönliche Workshops mit viel Brownpaper, Post-it Haftnotizen und Markern. Immer wieder werden wir gefragt, ob wir nicht gerne eine digitale Lösung nutzen würden, um das viele Papierschreiben zu vermeiden. Wir würden schon gerne. Aus unserer Erfahrung gibt es jedoch bis heute trotzt aller Software und Technik nichts, was Marker, Post-its und Brownpaper ersetzen könnte.

Die Vorteile des analogen Vorgehens sind aus unserer Sicht:

  • Geschwindigkeit: Es ist nichts so schnell wie mit einem Stift etwas auf einen Klebezettel zu schreiben.
  • Flexibilität: Post-its und Brownpaper erlauben eine extrem hohe Flexibilität. Man kann Inhalte so oft verändern und neu anordnen wie man möchte. Besonders in offenen und unklaren Innovationsprozessen ist das ein großer Vorteil. Außerdem kann man schreiben und zeichnen und es ist völlig egal, welchen Inhalt man zu Papier bringt.
  • Übersicht: Einer der wichtigsten Gründe ist die Möglichkeit alle bisher erarbeiteten Ergebnisse in der Übersicht großflächig zu sehen. Kein Bildschirm der Welt, kann das bisher ersetzen.
  • Energielevel: Für die gemeinsame Arbeit in Gruppen macht es einen großen Unterschied, ob die Menschen stehend auf Post-its schreiben, oder in einen Bildschirm starren. Das Energie-Niveau mit der analogen Arbeitsmethode ist viel höher und hält deutlich länger an.

Diese und womöglich viele andere Vorteile sind der Grund warum zum Beispiel auch sämtliche Web- und Softwareunternehmen für Kreativprozesse mit Post-its und Stiften arbeiten.

Trotzdem gibt es natürlich Nachteile, die einen eine digitale Lösung wünschen lassen. Der Hauptgrund: Um mit den Inhalten danach weiter arbeiten zu können, muss man diese digitalisieren. Einmal in Form von Fotos und meist auch in Form eines nachträglichen erneuten Abtippens in einem anderen Format, das sich danach weiter verarbeiten lässt.

3Ms Versuch, die Vorteile der beiden Welten zu vereinen

Über einen Facebook-Kontakt bin ich gestern auf eine brandneue iOS-App von 3M, den Erfindern der Post-its aufmerksam geworden: Die Post-it Plus App. Nur mit iOS 8x lauffähig, verspricht die App die Vorteile der analogen Post-its mit den Vorteilen von digitalen Smartphones und Tablets zu vereinen.
Kurz gesagt erlaubt es die Post-it Plus App handgeschriebene und papierbasierte Post-its zu fotografieren und nachträglich auf einem digitalen Canvas beliebig zu clustern und diese Cluster zu beschriften. Das Ergebnis kann dann über eine Exportfunktion in verschiedene Formate wie Bilddateien und PDFs exportiert und mit anderen geteilt werden.

Als Heavy-User hat mich das zur App erstellte Video natürlich sehr neugierig gemacht und ich habe die App sofort testen müssen.

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Meine Eindrücke und Anregungen an 3M aus Sicht eines Trainers, Workshop-Facilitators und Innovationscoachs möchte ich hier schildern. Meine Gedanken, habe ich zuerst auf verschieden farbigen Post-its notiert und diese mit der Post-it Plus App dann festgehalten und bearbeitet. Für den Artikel werde ich diese Gedanken nun ausformulieren.

Post-it Plus App: Was mir gefällt

Die App ist nagelneu und sehr reduziert. 3M hat aus meiner Sicht jedoch schon vieles gut gelöst:

  • Das Design und die Bedienung sind sehr einfach und intuitiv. Es gibt wenige zentrale Funktionen, die ich sofort verstehe.
  • Das Abfotografieren und Erkennen der Post-its mit meinem iPad 2 und der grottigen 0.75 MP Kamera funktioniert sehr gut. Abbildung 2 zeigt den Auswahl- und Erkennungsprozess der App.
    Sollten einige Post-its nicht erkannt worden sein, kann man diese sehr einfach nachselektieren.
    Die erkannten Notizen werden farboptimiert, so dass die Markerschrift deutlich erkennbar ist.
  • Es ist möglich, die abfotografierten Post-its nachträglich noch einfach nachzubearbeiten und die Optimierungsautomatik zurück zu nehmen. Dies ist zum Beispiel dann hilfreich, wenn man Klebepunkte auf die Post-its gesetzt hat. Diese werden von der App leider weggefiltert.
  • Kernfunktion der App ist das flexible Sortieren und Clustern aller Post-its. Diese Funktion ist sehr gut gelöst.
  • Gut gefallen mir auch die Exportfunktionen. So ist es möglich die Canvas-Datei selbst zu verschicken, zum Beispiel an andere Nutzer der App, so dass diese weiter arbeiten können. Außerdem ist es möglich, die Ergebnisse als Bild-Dateien und PDFs zu verschicken.
  • Für meinen Berufsstand sehr spannend ist die Möglichkeit, Post-its mehrfach zu fotografieren und zu einem Board hinzuzufügen. Wir haben für Kreativ- und Innovationsworkshops oft die Notwendigkeit, Inhalte zu duplizieren.
Abbildung 2

Abbildung 2

Viel Potenzial für die Zukunft

Die jetzige Version ist eine Woche alt. Wenn 3M die App kontinuierlich weiter entwickelt und verbessert ist hier noch sehr viel Potenzial denkbar.

Für uns ganz konkret kann ich mich vorstellen, Kundenworkshops damit zu dokumentieren und aufzubereiten.
Ich denke außerdem, dass Menschen, die viel mit Post-its arbeiten und wie wir vor dem Problem stehen, die Ergebnisse effektiv digitalisieren zu müssen, bereit sind, Geld für eine gut durchdachte App in die Hand zu nehmen.

Verbesserungsidee für die Post-it Plus App

Zu guter letzt habe ich fünf Minuten Ideen gesammelt, was aus meiner Sicht verbessert werden könnte oder welche anderen Möglichkeiten sich noch ergeben. Die ungefilterte Liste stelle ich unten stehend vor.

Abbildung 3

Abbildung 3

  • Nachträgliches Hinzufügen von Post-its ermöglichen: Sofort aufgefallen ist mir, dass die App im Moment lediglich das Sortieren bereits geschriebener Post-its ermöglicht. Wenn mir nun im Clustering-Prozess weitere Inhalte einfallen, kann ich diese nur hinzufügen, indem ich diese auf ein Post-it schreibe und abfotografiere. Viel spannender wäre es natürlich, wenn ich nun digital auf dem iPad weitere virtuelle Post-its hinzufügen könnte. Damit würde die App wirklich Papier und digitale Welt verschmelzen. Wie oben erwähnt braucht 3M aus meiner Sicht keine Angst zu haben, dass Leute keine Papier-Post-its mehr verwenden, dafür sind die Vorteile viel zu gewichtig.
  • Nachträgliche Colorierung der Post-its: Die App lässt die Farbe der Post-its unverändert. Wir arbeiten in unseren Kreativprozessen mit einer Farbcodierung, d.h. bestimmte Farben haben eine bestimmte Bedeutung. Genial wäre es, wenn die App eine nachträgliche Farbveränderung der Post-its zulassen würde.
  • Spezielle Codes auf den Papier Post-its: Denkbar ist nun natürlich auch, dass bestimmte auf Post-its gedruckte Signale von der App erkannt und interpretiert werden könnten. Zum Beispiel könnte ich mir vorstellen, dass man in einem Workshop Klebepunkte auf das Post-it setzt und die App dann erkennt, dass diese Post-its als besonders spannend ausgewählt wurden und anbietet diese gleich zusammen zu fassen.
  • Razer-und-Blade Geschäftsmodell für 3M: Ähnlich wie bei Gilette wäre ein Lock-in Geschäftsmodell für 3M denkbar. Die App und weitere Funktionen ist für Käufer von Papier-Post-its kostenlos. Dazu könnte ein auf dem Post-it Block angebrachter QR-Code dienen, der die App freischaltet. Damit gibt es für App-Nutzer immer wieder den Anreiz Papier-Post-its zu bestellen und zwar die Originale von 3M.
  • Bepunktungsfunktion in der App: Wie erwähnt, ist es für uns zentral, gewisse Ideen aus einer Vielzahl an Ideen auszuwählen. Es wäre denkbar, dass eine Gruppe die divergierende Phase eines Kreativprozesses auf Papier erledigt und die konvergierende Phase und damit die Auswahl und Bewertung der Ideen über die App statt findet. Dazu wäre es super, digitale Klebepunkte vergeben zu können.
    Auch spannend wären in diesem Zusammenhang weitere Bewertungsmöglichkeiten in der App, wie zum Beispiel Bewertungsmatrix oder Paarweiser Vergleich etc.
  • Automatische Schrifterkennung: Wir müssen oft die auf Post-its geschriebenen Ergebnisse nachträglich digitalisieren und damit abtippen. Cool wäre es, wenn die App mit einer OCR-Funktion ausgestattet wäre und man das Geschriebene konvertieren könnte.
  • Bearbeitung der Ergebnisse in der Cloud: Momentan kann immer nur eine Person mit den abfotografierten Ergebnissen auf seinem iPad oder iPhone arbeiten. Denkbar wäre eine Cloud-Variante ähnlich wie GoogleDocs, die es mehreren Personen gleichzeitig erlaubt, die virtuellen Post-its zu bewegen.
  • Export einzelner Post-its: Momentan ist es nur möglich, dass ganze Board zu exportieren. Spannend wäre es auch, wenn es die Möglichkeit gäbe, einzelne Post-its oder einzelne Cluster zu exportieren.
  • Desktop App: Anders als das Video suggeriert, gibt es keine Desktop App. Zur Nachbereitung wäre das jedoch durchaus spannend.
  • Bessere Darstellung der Schrift: Vielleicht liegt es an der geringen Auflösung der Kamera im iPad2: Trotz eines dicken Markers wirkt meine Schrift in der App sehr pixelig, bröselig und unscharf.
  • Weitere Betriebssysteme: Es macht Sinn die ersten Version der App für ein Betriebssystem zu starten und Nutzerfeedback einzuholen. Wenn viele Leute ähnlich wie ich den Mehrwert sehen, macht es auch Sinn, eine Android-Version anzubieten.
  • Höher auflösende Exportfunktion: Wenn ich die Ergebnisse als Bilddatei exportiere, dann ist meine Schrift beim Reinzoomen nicht mehr zu lesen. Das Ergebnis ist damit wertlos! Es kann jedoch nicht an der Kamera liegen. Wenn ich das Ergebnis als PDF exportiere und zoome, dann ist die Schrift sehr gut zu lesen. Momentan benötige ich also einen Workaround, indem ich erst ein PDF exportiere und dann das PDF in eine Bilddatei konvertiere, da die von der App generierte Bilddatei nicht hochauflösend genug ist.

Go for it 3M!

Insgesamt finde ich diese erste Version der App bereits sehr viel versprechend und hoffe, dass 3M die App weiter entwickelt und verbessert. Ich glaube auch, dass es viele Möglichkeiten der Geschäftsmodell-Innovation für 3M mit dieser App gibt, wie das oben von mir erwähnte Lock-in Modell. Firmen haben ja bekanntlich immer Angst, mit neuen Ideen bestehenden Produkten zu schaden. Die armen Innovatoren im Unternehmen werden dann von internen Abwehrreaktionen und „Save your ass“-Strategien in die Knie gezwungen. Die Post-it Plus App könnte für 3M die Möglichkeit bieten, das traditionelle Produkt zu stärken!