Im letzten Post zum kreativen Klima habe ich unter anderem die Arbeit von Teresa Amabile zu Stimulatoren und Hindernissen des Kreativen Klimas vorgestellt.
Basierend auf diesen Arbeiten hat Amabile einige Kreativitätsmythen entlarvt, die ich vorstellen und kommentieren möchte:

Mythos Nr. 1: Bestimmte Typen sind kreativ, andere nicht
Auf diesen Mythos, der in vielen Köpfen fest verankert ist, bin ich im Blog schon viele Male eingegangen. Auch Amabiles Forschung zeigen, dass Kreativität etwas ist, das jeder Mensch ausdrücken und leben kann. Außerdem kann jeder Mensch durch das Erlernen und Anwenden bestimmte Strategie und Vorgehensweisen (ich spreche hier gerne von Kreativitätstechniken und Denkwerkzeugen) seine Fertigkeit, sich kreativ zu auszudrücken verbessern. Die Motivation, die es braucht, um dieses Potenzial zu erwecken, ist dabei meist intrinsisch und führt zum zweiten Mythos der Kreativität.

Mythos Nr. 2: Geld ist ein wichtiger Motivator der Kreativität
In Langzeitstudien, die Amabile durchgeführt hat, die unter anderem mit Tagebucheinträgen arbeiteten, zeigte sich, dass Geld kein relevanter Faktor ist, um die Kreativität der Menschen zu fördern und Menschen zu motivieren. In den 1980ern befrage Torrance Erfinder über Ihre Beweggründe, auch hier zeigte sich, dass Geld eine absolut untergeordnete Rolle spielt. Motiviert wurden sie vor allem das Interesse und die Begeisterung für Ihr Forschungsgebiet.
Im Gegenteil, ist ein Mensch intrinsisch motiviert, kann ein nachträglich hinzugefügter extrinsischer Motivator diese intrisnische Motivation sogar ersetzen und damit das Motivationslevel senken. Es findet sozusagen eine Verdrängung statt.
Besonders interessant ist dieser Effekt im Zusammenhang mit Prämiensystemen in Unternehmen, die durch Geld Anreize für den Einzelnen Mitarbeiter schaffen möchten.

Mythos Nr. 3: Zeitdruck ist gut für die Kreativität
Das genau Gegenteil ist der Fall. Auch in Amabiles Langzeitstudien zeigte sich, das der Zusammenhang zwischen Zeitdruck und Kreativität ein deutlich negativer ist. Auch wenn die Teilnehmer berichteten, dass sie sich durch den Druck angespornt fühlten, sprach eine Analyse der erbrachten Ergebnisse eine andere Sprache.
Auch hier kann die Hirnforschung wieder interessantes Beitragen. Unter Zeitdruck entsteht eine Stresssituation für das Gehirn. In diesen Situationen können wir ohne Probleme Aufgaben erledigen, die wir sehr routiniert beherrschen. Wir sind dann allerdings nur schlecht in der Lage etwas Neues hervorzubringen, oder auch nur zu lernen.
Den Test kann jeder selbst machen: Angenommen in einem Seminar wird eine neue Methode zu arbeiten erlernt. Versucht an diese neue Methode, die noch nicht internalisiert und gefestigt wurde, kurzer Zeit nach dem Seminar in einer Stresssituation anzuwenden, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass wir wieder in das bisherige, alte und gewohnte Verhaltensmuster zurück fallen.
Amabiles Arbeiten zeigten auch, dass ein von Zeitdruck geprägter Arbeitstag auch in den Folgetagen noch negative Nachwirkungen auf das kreative Potenzial der Menschen hat.

Mythos Nr. 4: Angst erzwingt den kreativen Durchbruch
Ich selbst war etwas überrascht, als ich diese Aussage unter Amabiles Mythen gefunden habe, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass viele Menschen dieser Auffassung sind.
Auch hier zeigten sich deutliche Zusammenhänge:
Gefühle wie Angst, Hass oder Unruhe wirken negativ auf die Kreativität, Gefühle wie Liebe, Freude und Zufriedenheit zeigen positive Auswirkungen. Auch Ekvall in seinen Arbeiten zu den Dimensionen des Betriebsklimas und deren Auswirkungen auf Kreativität hat Konflikte als einen negativen Faktor identifiziert.

Mythos Nr. 5: Wettbewerb innerhalb einer Organisation ist gut für die Kreativität
Nach Amabile ist das Gegenteil der Fall, da Menschen, wenn sie untereinander im Wettbewerb stehen aufhören Information und Wissen zu teilen. Ausreichende Information und Wissen stellen allerdings die Basis dafür dar, dass bestehendes neu kombiniert werden kann und so ein kreatives Produkt entstehen kann.

Die hier vorgestellten Mythen beziehen sich vor allem auf den Aspekt des Betriebsklimas, andere Mythen versuchen, Kreativität an hirnphysiologischen Eingenschaften festzumachen.