Wie heißt es doch so schön in Eric Amblers Buch Dirty Story: „Never tell a lie when you can bullshit your way through„. Ich will also weder die Zeitschrift junge karriere noch Cordula Nussbaum und ihr Buch der Lüge bezichtigen; ich habe Frau Nussbaums Buch ja noch nicht einmal gelesen. Deshalb möchte ich zum Begriff Bullshit greifen, der kein Schimpfwort ist, sondern Äußerungen beschreibt, die eng mit dem Humbug verwandt sind und sich von der Lüge untescheiden. Was ich heute gelesen habe, war der Artikel in der Oktoberausgabe der junge karriere „Die Zukunft gehört den Chaoten“ und hier wird leider wieder mit einigen alten Mythen und schlicht falschen Aussagen über das Gehirn und Kreativität hantiert, die unsere Welt so schön einfach erscheinen lassen.

Nichts gegen Populärwissenschaft, man kann nicht alles im Format von Science oder Nature Artikeln publizieren, aber auch Populärwissenschaft zeichnet sich dadurch aus, dass ihr Futter aus aktueller wissenschaftlicher Forschung stammt und gewissen Gütekriterien entsprechen.
Schon gar nicht mehr aktuell schon inzwischen schon über 10 Jahre alt sind Forschungsergebnisse, die mit dem Mythos von Links und Rechtshirnen aufräumen. Umso trauriger, dass der Artikel nur von diesen Halbwahrheiten strotzt.
Hier ist nun mal das kritische Denken angesagt (im Gegensatz zu anderen Arten des Denkens, die ich auf diesem Blog oft beschreibe), dessen Ziel es ist, ein Theorie durch begründete Argumente zu verifizieren.

Mythos 1: Es gibt Rechts- und Linkshirner
Begonnen hat das Ganze mit der Splitbrainforschung von Prof. Sperry, der unterschiedliche Aktivitäten und eine Arbeitsteilung in den beiden Hirnhälften des Neokortex nachweisen konnte. Bei bestimmten Aufgaben schien mal die eine Hälfte aktiver und mal die andere. Von Sperry und seinem Forscherteam wurden allerdings nie die Behauptungen aufgestellt, dass sich nun alle Menschen in Links- und Rechtshirner aufteilen lassen und dass sich nun über unterschiedliche Merkmale verfügen, wie sie die Welt wahrnehmen (z.B. abtrakt oder konkret) und wie sie Informationen organisieren (z.B. sequentiell oder durcheinander). Hier gibt es übrigens tatsächlich unterschiedliche Stile, die allerdings nichts mit den Hirnhälften zu tun haben. Seit über 10 Jahren ist Grundkonsens der Hirnforschung, dass diese Hypothese der strikten Trennung nicht zu halten ist. Ein anderes populärwissenschaftlich geschriebenes Buch vom Neurobiologen John Medina zeigt schön, wie einzigartig jedes Gehirn in Aufbau und Funktionsweise ist und wie haltlos und irreführend diese Einteilung ist.
Mit dieser inzwischen mehrfach widerlegten Behauptung der beiden getrennten Heimsphären arbeiten leider auch noch viele Anbieter von Mind Mapping einer Technik, die die Arbeitsweise (und unterschiedliche Arten Informationen zu organisieren) unseres Gehirns unterstützt, aber nicht weil sie die angeblich dominante linke und die arme unterdrückte rechte Gehirnhälfte zusammenbringt.

Mythos 2: Kreative sind chaotisch und strukturierte Menschen sind eher unkreativ
Jeder Mensch ist kreativ und kann sich kreativ ausdrücken! Eine ausführlicheren Überblick über Definitionen von Kreativität gebe ich im nächsten Post.
Ruth Pink hat es in ihrem Buch bewusst kreativ mal schön ausgedrückt. Kreativität ist „strukturiertes Chaos“. Ja, es ist etwas dran, dass das finden neuer Denkmuster und die Neukombination bestehender Elemente oft und meist unlogische Wege nimmt und nehmen muss. Das heißt jedoch nicht, dass kreative Leute generell chaotisch sind und strukturierte Leute unkreativ. Im Gegenteil, die Kreativitätsforschung zeigt seit Ende der 50er Jahre, dass es einen strukturierten Ablauf gibt, dem kreatives Denken folgt. Und es gibt unterschiedliche Stile der Kreativität, eine These, die in einer Vielzahl an wissenschaftlichen Studien bestätigt werden konnte.

Mythos 3: Kreativ wird man, wenn man die rechte Hirnhälfte stärkt
Das sind sozusagen zwei falsche Aussagen gepaart (in einem Einfall von Kreativität fällt mir hier der Begriff Bullshit2 ein).
Hierzu hat de Bono in seiner Reihe letters for thinking managers vor über 10 Jahren schon geschrieben: „There is the added danger of fatalistic categorization: ‚I am left brain.‘ ‚She is right brain,‘ et cetera. This gives a totally false impression—for creativity can be learned by anyone.“
Kreativität äußert sich in verschiedenen Stilen und ist bei den meisten Menschen auf bestimmte Domänen beschränkt und kann von jedem Menschen gelebt werden.

Time Management for Creative People
Wie gesagt, ich habe das Buch von Frau Nussbaum nicht gelesen, ich habe bisher nur unter dem Artikel aus der jungen karriere gelitten. Den amazon Kommentaren nach zu schließen, sind da sicherlich viele nützliche und auch funktionierende Tipps drin, die sicherlich auch ohne die oben genannten Mythen funktionieren.
Ein Buch, das ich gelesen habe und nur empfehlen kann, ist: Time Management for Creative People von Mark McGuinness und das gibt es auch noch kostenlos.