Vom Tellerwäscher zum erfolgreichen Unternehmer

Manch ein erfolgreicher Unternehmer aus den USA dient gerne als Beispiel für die Behauptung, Unternehmertum und die klassischen Bildungswege führen auseinander. Steve Jobs brach sein Studium nach dem ersten Semester ab, Sir Richard Branson studierte überhaupt nicht. Und immer wieder hört man von Digital Natives, die direkt nach (oder gar während) der Schulzeit voll und ganz in unternehmerische Aktivitäten einsteigen. Bedeutet das nun, dass Bildung keine Basis für unternehmerisches Denken und Handeln schafft? Oder dass es diesem sogar im Weg steht?

Statistische Daten

Diverse Bücher, Artikel und Studien scheinen tatsächlich zu belegen, dass Bildung einem unternehmerischen Werdegang eher im Weg steht als es diesen fördert. Manche Forscher haben beispielsweise den Zusammenhang zwischen wirtschaftswissenschaftlichem Training und Unternehmertum untersucht. Das Ergebnis hier: Es scheint kein kausaler Zusammenhang zu bestehen. Mit anderen Worten: BWL, VWL, ähnliche Studiengänge sowie Managementausbildungen scheinen unternehmerische Aktivitäten zumindest nicht zu fördern. Andere gehen deutlich weiter und behaupten, dass die klassischen Bildungswege eine „Nimm-den-Job“-Mentalität fördert, auf das Denken in Großkonzernen vorbereite oder gar Kreativität und Unternehmergeist unterdrücken würde.
Ein anderer Zusammenhang darf aber nicht vergessen werden, nämlich der zwischen Bildung und unternehmerischem Erfolg! Hier gibt es wiederum Veröffentlichungen, die zumindest eine positive Korrelation zwischen Bildung und unternehmerischem Erfolg aufweisen. Ein Blick auf erfolgreiche (amerikanische) Unternehmer zeigt auch, dass viele doch eine entsprechende Bildung hinter sich haben. Beispiele hierfür sind die Google-Gründer, Steve Wozniak, oder auch Bill Gates, der sein Studium allerdings nicht abschloss. Gates könnte tatsächlich als Beispiel für ein Phänomen dienen, das typisch scheint: Während dem Studium beginnt die unternehmerische Aktivität, was bei einigen Unternehmern dazu führt, das Studium abzubrechen.

Korrelation oder Kausalität?

Viele der Studien suggerieren einen klaren, kausalen Zusammenhang, basieren aber eher auf Korrelation. Wenn also statistisch gesehen tatsächlich viele Schulabgänger und Studienabbrecher unternehmerisch aktiv werden, dann muss das nicht an einer „unternehmer-feindlichen“ Atmosphäre an den Universitäten liegen. Es gibt noch diverse andere Hintergründe. Die Global University Entrepreneurial Spirit Students‘ Survey (GUESSS) zeigt beispielsweise im Länderbericht Deutschland, dass das Thema Entrepreneurship an den Unis zwar mehr und mehr Traktion gewinnt, die unternehmerisch aktiv werdenden Studienabgänger aber rückläufig sind! Wie könnte man das erklären?

Alternativen abwägen

Die naheliegende Deutung bezieht sich auf die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Unternehmerische Aktivitäten bergen ein hohes Risiko und folgen häufig einem „Winner-takes-it-all“-Prinzip. Man wird entweder erfolgreich und dadurch auch reich, oder man verdient deutlich schlechter als ein Angestellter. Wenn dann noch die nötigen Kapitalinvestitionen hinzugerechnet werden, kann man sich durchaus erklären, warum viele Studienabgänger lieber nach einer gut bezahlten Anstellung suchen. Die Erklärung hat durchaus Wert, denn einige Jahre nach Arbeitsbeginn steigt das Interesse vieler Akademiker an der Selbstständigkeit und auch an unternehmerischen Aktivitäten. Möglicherweise stärken ein finanzielles Polster und die Arbeitserfahrung den Mut, etwas Eigenes auszuprobieren.
Die Situation ist in den USA nicht grundlegend anders. Auch dort hat man ohne Studienabschluss wenige Chancen auf wirklich gut bezahlte Jobs. Wer also einen Studienabschluss im Rücken hat, der hat auch gute Chancen auf ein solides Einkommen. Auf der anderen Seite stehen die horrenden Studiengebühren. Wer durch die Familie nicht schon vor dem Studium finanziell hervorragend dasteht, der muss sich gut überlegen, ob er massiv Schulden aufnehmen möchte, um sein Studium zu finanzieren. Wer sich kein Studium leisten kann und trotzdem wirtschaftlichen Erfolg sucht, der sieht in der unternehmerischen Aktivität auch wirtschaftlich eine gute Alternative.

Freiheit und Selbstbestimmung

Natürlich spielen auch andere Faktoren eine Rolle. Statistiken hin oder her, es gibt nach wie vor eine große Anzahl an Menschen, die unternehmerisch aktiv werden, sei es vor, während oder nach dem Studium. Die Präsenz des Themas an Universitäten führt möglicherweise auch dazu, dass Unternehmertum weniger als „Ausweichmöglichkeit“ gesehen wird, wenn man sich einfach unsicher ist, was man nach dem Studium machen möchte. Gleichzeitig bestärkt es diejenigen, die sich ganz bewusst für diesen Pfad entscheiden. Denn neben den wirtschaftlichen Überlegungen gibt es andere gute Gründe für ein Leben als Entrepreneur. Viele wollen sich der Herausforderung stellen und sehen, ob ihre Idee tatsächlich funktionieren kann. Andere streben vor allem nach Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung, wofür sie die Unsicherheiten und Risiken gerne in Kauf nehmen. Und natürlich bietet sich gerade die Studienzeit an, im unternehmerischen Bereich zu „schnuppern“. Man erkennt, ob einem das Leben als Unternehmer liegen könnte, und man macht Erfahrungen, die einem auch in der „normalen“ Arbeitswelt helfen können. Insofern kann man den weiteren Ausbau von unternehmerischen Ausbildungen an den Hochschulen nur begrüßen.