Innovationsprozesse und Modelle wie solche Prozesse aussehen könnten, gibt es viele. Zwei, die im Moment – zumindest in Fachkreisen – viel Aufmerksamkeit erfahren, sind das Design Thinking und Theory U, wobei vermutlich das Design Thinking deutlich bekannter sein dürfte als Theory U.

Ich hatte in der letzte Woche die Gelegenheit eine der wenigen Fortbildungen zu Theory U in Deutschland zu besuchen. Design Thinking und Theory U kommen aus unterschiedlichen Richtungen, aber da sowohl das Design Thinking als auch Theory U sich damit beschäftigen, wie das Neue in die Welt kommt, sollte es Gemeinsamkeiten geben, die sich nutzbar machen lassen. Und in der Tat habe ich, obwohl es nur ein erster dreitägiger Einblick in die Theory U war, viele Möglichkeiten entdeckt, wie das Design Thinking durch Theory U angereichert werden kann.

Design Thinking: Vom Bedürfnis des Nutzers aus denken

Bild 1: Der Design Thinking Prozess

Design Thinking (Bild 1) erfährt im Moment so große Aufmerksamkeit, da immer mehr Organisationen erkennen, dass es wichtig ist, Neues radikal von den Bedürfnissen des Nutzers aus zu denken, um erfolgreich zu sein. Technische Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit sind notwendige Nebenbedingungen, damit Unternehmen auch in Zukunft weiterhin Nutzen für Kunden erbringen können, diese sollten allerdings nicht Ausgangspunkt der Überlegungen sein. (Weiterhin) erfolgreich werden in Zukunft die Organisationen sein, die zentrale Bedürfnisse Ihrer Kunden mit Ihren Angeboten adressieren. Design Thinking als Vorgehen erhöht die Wahrscheinlichkeit, Innovation hervorzubringen, die genau das tut.

Vier Möglichkeiten, auf Veränderung zu reagieren

In seinem Buch zur Theorie U beschreibt Otto Scharmer vier Arten auf Veränderung zu reagieren.

  1. Reagieren. Die sogenannten Quick Fixes. Hier werden Bekanntes und funktionierende Routinen herangezogen. Der Fokus des Reagieren liegt auf unmittelbaren Aktionen: Problemlösung und Feuerlöschen.
  2. Redesigning. Hier werden zugrunde liegende Prozesse, Strukturen und Regeln anders gestaltet. Meist ist auch der Ausgangspunkt des Denkens der Prozess und nicht die Menschen, die den Prozess leben sollen. Dementsprechend werden diese oft vergessen.
  3. Reframing. Hier werden Grundannahmen, mentale Modelle und Perspektiven hinterfragt. Durch eine neue und andere Sichtweise auf ein Problem werden andere Lösungen möglich. Auf diesen Ebenen befinden sich nach meinem Verständnis Modelle wie Creative Problem Solving und Design Thinkning, wenn diese den richtig eingesetzt werden.
  4. Regenerating. Hier geht es darum, wie es in der Theorie U etwas nebulös heißt, mit seiner Energiequelle, seiner Inspiration und seiner wahren Willen in Kontakt zu kommen. Im Vorgang des Presencing wird im Gegensatz zu den Arten 1. und 2. nicht basierend auf vergangenen Erfahrungen gehandelt, sondern Neues aus der sich ankündigenden Zukunft erschaffen. Theory U versucht einen Prozess so zu gestalten, dass Menschen durch Rückzug und Reflektion dorthin kommen, das innere Wissen anzuzapfen, das rein über kognitives Wissen hinausgeht. Um an diesen Punkt zu kommen ist es nicht nur notwendig einen offenen Geist zu haben und Beurteilung zurück zu stellen, wie im divergierenden Denken, sondern auch ein offenes Herz und einen offenen Willen. Um zu diesem offenen Willen zu kommen, müssen auch die Stimmen des Zynismus und der Angst überwunden werden, nicht nur die Stimme der Beurteilung (siehe Bild 2).

Die Qualität der Aufmerksamkeit erhöhen: Design Thinking mit Theory U anreichern

Aus eigener Erfahrung in der Moderation und eigenen Durchführung von Innovationsprozessen kann ich bestätigen, dass ein und der selbe Prozess mit unterschiedlichen Menschen eine völlig andere Qualität bekommen kann und dass nicht der Einsatz eines Prozesses wie Design Thinking oder Creative Problem Solving an sich zu Neuem führt, sondern es vor allem an der Haltung und Einstellung der Menschen liegt, die den Prozess anwenden. In Theory U spielt die Qualität der Aufmerksamkeit eine zentrale Rolle. Hierzu auch das schöne Zitat von William O’Brian: „Der Erfolg einer Intervention hängt von der inneren Verfasstheit der Intervenierenden ab.“ D.h. heißt übertragen, dass der Erfolg von Kreativprozessen und Kreativitätstechniken ebenfalls von der inneren Haltung der Menschen abhängt, die diese Kreativprozesse und Kreativitätstechniken einsetzen, also ob während der Beobachtung von Nutzern, diesen Nutzern wirklich empathisch zugehört wird, ob während der Entwicklung von Ideen wirklich Beurteilung zurück gestellt wird etc.

Für mich lassen sich diese verschiedenen Modelle, die auf unterschiedliche Weise das gleiche Erreichen möchten, wunderbar in Einklang bringen.

Ein Design Thinking Prozess gewinnt deutlich an Qualität wenn die Nutzer in jedem Schritt wirklich die Entwicklung von Optionen und die Bewertung dieser Optionen trennen. Der Prozess gewinnt deutlich mehr an Tiefe und Qualität (Bild 3), wenn die teilnehmenden Menschen sich wirklich zuhören, so wie Scharmer es als Generative Listening bezeichnet.